Frankfurter Querfront?

Zur Zusammenarbeit von BFF, ÖDP, Familienpartei, Grauen und Tierschutzpartei im Kommunalwahlkampf

Offener Brief der Anti-Nazi-Koordination

Vier bislang nicht im  Frankfurter Stadtparlament vertretene Parteien - Familienpartei, Die GRAUEN, ÖDP und Tierschutzpartei - kandidieren im laufenden Kommunalwahlkampf auf der Liste BFF "Bürgerbündnis für Frankfurt"

Wir gehen davon aus und hoffen , daß den genannten Parteien, deren Kandidatinnen und Kandidaten auf der Liste des BFF stehen, wahrscheinlich nicht bewußt ist, vor wessen Karren sie sich da spannen lassen. Wir möchten  sie in diesem Offenen Brief deshalb dazu ermuntern, sich mit einer Reihe von Fakten auseinander zu setzen, in deren Licht, so nehmen wir an, ihnen die Zusammenarbeit mit dem BFF problematisch erscheinen dürfte.

Wir fragen uns und die Mitglieder und Verantwortlichen von Familienpartei, GRAUEN, ÖDP und Tierschutzpartei:
Sind Ihnen die unten aufgeführten Bedenken gegen die nationalistischen und rechtspopulistischen Positionen des BFF-Spitzenkandidaten  Wolfgang Hübner bekannt?
Wie stehen Sie zu Ihnen?

Denken Sie genauso oder distanzieren Sie sich von Ihnen? Der gemeinsame Wahlslogan von BFF und den genannten Parteien lautet: " Politik kann auch ehrlich sein ".

Das kann Wolfgang Hübner nicht uneingeschränkt für sich selbst reklamieren.

Denn auf seiner Homepage und im zentral verteilten Wahlkampfmaterial "Bürgerinformation zur Frankfurt-Wahl am 26. März 2006" schummelt sich Hübner über die Tatsache hinweg, daß er im Sommer 2003 nur durch seinen eigenen Austritt aus dem Bündnis gegen den seitens des Magistrats und der ihn tragenden Parteien (CDU, SPD, FDP, Grüne) geplanten Verkauf der Frankfurter U-Bahn dem Rausschmiß zuvorkam. Ausgelöst hatte diese Flucht Hübners die damalige PDS1 durch einen Offenen Brief vom August 2003, in dem sie ihn ultimativ aufgefordert hatte, seine Positionen in einer Reihe von Fragen zu klären. Dieser Aufforderung kam Hübner seinerzeit nicht nach, sondern verließ das Bündnis gegen das "Cross Border Leasing" zum Verkauf der U-Bahn (FR 2.8. 2003, S. 24). Und das mit gutem Grund. Denn vorangegangen war eine durch die Personalie Hübner ausgelöste wochenlange Debatte über die Frage, wo er eigentlich politisch stand und steht, und ob man mit ihm gemeinsame politische Sache machen könne.

Gruppen wie medico international und attac distanzierten sich im Verlauf dieser Debatte von Hübner. 
Die Frankfurter JungsozialistInnen verließen aus Protest gegen seine Kooperation sogar das Bündnis gegen den U-Bahn-Verkauf. Hübner mußte sich dabei mehrfach als Rechtspopulist und Nationalist bezeichnen lassen.

Unter anderem folgende Tatbestände aus der Vergangenheit und Gegenwart Hübners kamen dabei zur Sprache , weitere ergaben sich seither:

Im Jahre 1999 entstand unter anderem mit Beteiligung des BFF und Wolfgang Hübners persönlich die "Frankfurter Initiative". An mindestens einem ihrer Treffen, am 13./14. März 1999 im Frankfurter Kolping-Haus, nahm nach  uns vorliegenden Unterlagen nicht nur Hübner, sondern auch Horst Mahler (wie Hübner früher Mitglied einer maoistischen Sekte, heute eine führende Figur des militanten Faschismus ) und dessen Gesinnungskameradin Annemarie Paulitsch teil. Ziel war die Durchführung einer Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft. Hübner fordert e nach dem am 20.3. unterzeichneten Protokoll eine schlagkräftigere und bundesweite Organisation. Er selber war zu diesem Zeitpunkt für die Kasse der Initiative verantwortlich, während Horst Mahler die rechtlichen Belange wahrnahm. Nach dieser Zeit zog sich Hübner  anscheinend aus dem gemeinsamen Bündnis zurück. Im April 1999 fand dann eine " Montagsdemonstration " statt, auf der sich REPs, NPD und Nazi-Skins ein Stelldichein mit Horst Mahler und Annemarie Paulitsch gaben.  Die zuvor gemeinsam mit ihm in die Wege geleitete Organisation trat ab dem 19. April 1999 als "Bürgerbewegung für unser Land" auf, namens dessen u.a. z.B. Annemarie Paulitsch für den 7. April 2001 zu einer Demonstration "Herren im eigenen Land statt Knechte der Fremden!" aufrief. 

Die Anti-Nazi-Koordination hat aufgrund des geschilderten Sachverhalts Hübner im August 2003 als "Kampf- und Weggefährten Horst Mahlers" bezeichnet. Daraufhin schickte Hübner zwei Mitgliedern der Anti-Nazi-Koordination ein "Abmahnung" genanntes Schreiben von ihm selbst, in dem er die beiden bei angedrohter Strafe einer Zahlung von 6000,- Euro aufforderte, dies bis zum 15. September 2003 zurückzunehmen, was selbstverständlich nicht geschah, ohne daß Hübner seinen Worten irgendwelche Taten folgen lassen konnte. Es ist vielmehr belegbar, daß Hübner sich in mindestens einer öffentlichen Veranstaltungen dieselben Vorhaltungen anhören mußte, ohne daß er darauf in der angedrohten Weise reagieren konnte. Gemeinsam u.a. mit Ulrich Brier (damals aktiv in Alfred Mechtersheimer nationalistischer "Deutschlandbewegung", in Frankfurt Aktivist gegen die Ausstellung "Verbrechen der Wehrmacht") gründete Ellen Wild eine "Bürgerinitiative gegen unnötigen Fluglärm", die versuchte, sich in der Reihe der Flughafenausbaugegner zu profilieren. Sie geriet allerdings dort in die Isolation, als der rechtsextremistische Zusammenhang dieser BI bekannt wurde. Es fällt in diesem Zusammenhang auf, daß das BFF im Bereich des Ortsbeirats Bergen-Enkheim nicht zur Kommunalwahl antritt, wo Ellen Wild bislang für die "Freien Wähler Frankfurt" im Ortsbeirat saß. Die Querfrontstrategen wollen offenbar nicht gegeneinander konkurrieren. Zu d em durch sein Zusammenarbeiten mit einer Gestalt wie Mahler bereits anzunehmenden nationalistischen und fremdenfeindlichen Hintergrund paßt es, daß Hübner wiederholt Äußerungen gegen  die multikulturelle Gesellschaft von sich gegeben hat. In der Stadtverordnetenversammlung forderte er die Umbenennung des Amts für Multikulturelle Angelegenheiten in "Amt für Integration und Zuwanderung" und eine " Bevölkerungspolitik " im Interesse der Deutschen Frankfurts. Ignaz Bubis wurde bei anderer Gelegenheit als jemand, der " eigentlich nur ein Wahl-Frankfurter " war, verunglimpft. Der Nationalfeiertag 3. Oktober dagegen solle durch das gemeinsame " Absingen der Nationalhymne " gefeiert werden. Ähnlich forderte Hübner auch " Arbeitspflicht für alle Sozialhilfeempfänger ".  Diese typisch rechtspopulistische sozialpolitische Forderung steht nicht isoliert da. In die Auseinandersetzung um die Schließung der Stadtteilbibliotheken 2003 brachte sich Hübner mit der Forderung ein, um diese Bibliotheken zu erhalten, solle die die Gegenfinanzierung künftig durch " Kürzung der Zuschüsse für Vereine und Initiativen " und den Abbau städtischen Personals erfolgen. Das war ein gezielter Schlag gegen Projekte, die  auf kommunale Förderung angewiesen waren - nicht zuletzt freie Theatergruppen und MigrantInnenorganisationen.

In genau hierzu passender Weise verteidigte Hübner im Herbst 2003 den inzwischen wegen seiner antisemitischen Äußerungen aus der CDU ausgeschlossenen ehemaligen Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann sowie den Hohmann in Schutz nehmenden Frankfurter CDU-Kommunalpolitiker Patrick Schenk. Hübner damals über Hohmann s "Tätervolk"-Rede in einem Leserbrief der "Frankfurter Neuen Presse" (10. November 2003): " Eine antisemitische Rede war es nicht. " Zum 22. März 2004, dem 60. Jahrestag der Altstadtzerstörung am Ende des 2. Weltkriegs, fiel Hübner wiederum durch den Versuch einer Veranstaltung auf, in dem der deutschen Kriegsopfer ohne jede Benennung des Kontextes,  in dem sie umgekommen waren - das faschistische Deutschland und den von ihm angezettelten Krieg - gedacht werden sollte. Als das deutlich wurde, verweigerte die evangelische St. Paulsgemeinde am Römerberg Hübner einen von ihm erbetenen Raum für diese Veranstaltung. Daraufhin mußte Hübner sie auf den Römerberg selbst verlegen, wo sie für Aufsehen und Empörung sorgte.2 In diesem Zusammenhang ist übrigens unserer Meinung nach auch Hübners Engagement für den Wiederaufbau der historischen Altstadt einzuordnen - angekündigter Schwerpunkt Hübners in der kommenden Legislaturperiode. In einer  ganzen Reihe von Fällen erhielt Hübner  auffällig wohlwollende Berichterstattung über seine Aktivitäten durch die Wochenzeitschrift " Junge Freiheit " . Dieses Organ wurde im Verfassungsschutzbericht des Landes Nordrhein-Westfalen  folgendermaßen qualifiziert: 

" Die Junge Freiheit kennzeichnet ein grundlegender Antiliberalismus, der mit Elite-Denken, Kritik am parlamentarischen System und an der Idee der allgemeinen Menschenrechte verbunden ist. Die Zeitung vertritt einen ausgrenzenden Nationalismus, der auf den Prinzipien des sogenannten Ethnopluralismus beruht. ... Vor diesem Hintergrund tauchen Ausländer und deutsche Staatsbürger mit Einwanderungshintergrund in der Regel als Störfaktoren auf, die die ethnische Homogenität Deutschlands bedrohen ." (ähnlich Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2000 und Bundesverfassungsschutzbericht 2001).

Die Zeitung wird als " rechtsextremistisch " und in der Tradition der " Konservativen Revolution " stehend bezeichnet.

Nicht zufällig in dieser Zeitung wird Hübner  immer wieder lobend erwähnt.

So heißt es in einem Bericht der Zeitung am 2. März 2001 über den damaligen Kommunalwahlkampf Hübners:

" Mit den Freien Wählern "Bürgerbündnis für Frankfurt" und ihrem Vorsitzenden und Spitzenkandidaten Wolfgang Hübner stellt sich eine Gruppierung zur Wahl, die stark verankert ist im Widerstand gegen den Ausbau des Flughafens Rhein-Main und die mit ihrem Kommunalwahlprogramm auch bürgerlich-konservative Kreise ansprechen will. In der Wirtschaftspolitik will sie  ' dem Mittelstand endlich wieder eine vernehmliche Stimme geben ' , die umweltfeindliche rot-grüne Verkehrspolitik soll  ' gründlichst überarbeitet ' und in der Kulturpolitik ' die Alltagskultur der Frankfurter Bürger ideell und finanziell gefördert werden'.  Sonderrechte für ethnische oder kulturelle Minderheiten lehnen die Freien Wähler als  ' integrationsfeindlich ' ab."

In einem Artikel vom 12. Dezember 2003  berichtet das Blatt über eine von Hübner einberufene Veranstaltung zugunsten des Antisemiten Martin Hohmann unter der Flagge der " Meinungsfreiheit ". In diesem Artikel wird die Bundesrepublik in der Überschrift als "DDR ligh" bezeichnet.

Als es im Sommer 2004 in Frankfurt zu einer Auseinandersetzung um die zunächst auch unter städtischer Schirmherrschaft stehende öffentliche Ehrung für den der NSDAP  zugehörenden ehemaligen Leiter der NS-Eliteschule "Musisches Gymnasium", Kurt Thomas, ging, bezeichnete Wolfgang Hübner die Debatte in der Stadtverordnetenversammlung hierüber als " neues Spruchkammerverfahren " - eine Formulierung, die  natürlich in der "Jungen Freiheit" vom 9. Juli des Jahres mit Beifall wiederholt wurde.  ( Die Ehrung fand dann dennoch nicht statt.)

Aber schon in der Ausgabe 51/1998 hatte  d ie Junge Freiheit zustimmend über die oben erwähnte "Frankfurter Initiative" berichtet, in der Hübner, Mahler und Paulitsch in trauter Eintracht vereint saßen. Das Ziel dieser Aktion schon damals war, so  die Überschrift des Artikels : "Bündnisse schmieden". Seinem Bündnisziel scheint Hübner nun ein  weiteres Stück näher gekommen zu sein, nachdem  er zuvor in der  Frage der doppelten Staatsbürgerschaft und dem Bürgerbegehren gegen den U-Bahn-Verkauf eher Schiffbruch erlitten hatte.

Diesmal sitzen die in Aussicht genommenen Bündnispartner  in der Familienpartei, bei den GRAUEN, den Tierschützern und der ÖDP.  Es entsteht so etwas wie eine "Frankfurter Querfront "-  nun mit der Aussicht auf Parlamentssitze.  Eine solche Entwicklung kann keiner sich als demokratisch verstehenden Kraft in Frankfurt gleichgültig sein.

Wolfgang Hübner ist nach unserer Auffassung ein klassischer Vertreter des  rechtspopulistischen konservativen Flügels der Neuen Rechten . Auch wenn dieser Flügel sich, genau wie Hübner, taktisch oder grundsätzlich von den sogenannten Nationalrevolutionären (wie z.B. Horst Mahler) innerhalb der Neuen Rechten distanzieren mag: gemeinsam bleibt das Ziel, das zutreffend als Schaffung eines Scharniers zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus beschrieben worden ist ( http://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Rechte ).

Der Frankfurter politische Werdegang Hübners belegt das ebenso wie seine ständige Präsenz in der "Jungen Freiheit", einem zentralen Selbstverständigungs- und Propagandaorgan der Neuen Rechten (vgl. dazu http://lexikon.idgr.de/j/j_u/junge-freiheit/junge-freiheit.php , zum politisch-ideologischen Umfeld dieser Zeitschrift http://www.idgr.de/texte/rechtsextremismus/medien/jf-autoren.php ).

Ob sich die Mitglieder der Familienpartei, der Grauen, der ÖDP und der Tierschutzpartei selbst in diesen Rahmen einordnen möchten, ist eine offene Frage, die wir an sie haben und ihnen hiermit  anläßlich des derzeitigen Frankfurter Kommunalwahlkampfs öffentlich stellen. Wir fordern Sie auf: schaffen Sie  so bald wie möglich Klarheit!

Distanzieren Sie sich  im Interesse Ihrer Mitglieder, Wählerinnen und Wähler noch vor der Kommunalwahl öffentlich von Wolfgang Hübner!

Marie-Luise Leberke
Dr. Hans Christoph Stoodt
Klaus Willkomm-Wiemer

(Sprecherin und Sprecher der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt)

Anmerkungen der Redaktion:

1.Die PDS hat allerdings immer wieder mit der rechtsradikalen BFF zusammengearbeitet. Zunächst viel zu lange und begleitet von kritischen Interventionen (u.a. auch der Anti-Nazi-Koordination) in der Kampagne gegen das Cross-Border-Leasing und zuletzt in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit FAG, Europaliste und BFF am 29. September 2004, in der es um die Benachteiligung der kleinen Parteien im Römer ging.

2. Die Saalveranstaltung der BFF zur Bombardierung Frankfurts fand am 22. März 2004 trotz der Saalverweigerung der Paulgemeinde statt. Die Revanchisten fanden im Kolpinghaus Unterschlupf, wo Jörg Friedrich vor 200 ZuhörerInnen seine holocaustrelativierende Botschaft nach einer kurzen Störung durch AntifaschistInnen verbreiten konnte.

Revanchisten-Gedenken in Frankfurt gestört

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