Offener Brief des FH-AStA an Bundeskanzler Schröder

Werter Herr Bundeskanzler Schröder,

in der Stadt, in der einst Goethe, den Sie gerne manchmal zitieren, geboren und das "Institut für Sozialforschung" von Horkheimer und Adorno gegründet , in der nach der Shoah der "Zentralrat der Juden in Deutschland" gegründet wurde und die mittlerweile – wieder - 8.000 Jüdinnen und Juden leben, wurde von Ihnen am 05.10.04 die Frankfurter Buchmesse eröffnet. Sie waren es jedoch nicht allein, der "das große Fest für den Lesenachwuchs" (FR 06.10.04) eröffnete.

Dass Auschwitz sich nicht wiederholen dürfe, sei die erste Aufgabe an Erziehung, schrieb einst Adorno. Doch mit Ihnen wurde die Frankfurter Buchmesse noch von einem anderen Herrn miteröffnet, nämlich von Mohammad Salmawy, der die Grußbotschaft des aus Krankheitsgründen verhinderten ägyptischen Schriftstellers und Nobelpreisträgers Nagib Machfus verlas.

Mohammad Salmawy, der Herausgeber von Nagib Machfus und der französischsprachigen staatlichen ägyptischen Zeitung Al Ahram Hebdo ist, ist jedoch seit geraumer Zeit dafür bekannt, dass er die Shoah leugnet und palästinensische Selbstmordattentäter in Israel glorifiziert. So Salmawy schreibt von einem "totalen Krieg" 1, den Israel gegen die Palästinenser führe, offensichtlich weil die heutigen Nazis für ihn ganz 'die Juden' sind.

So schreibt Herr Salmawy: "Ich habe Angst, dass diese Ereignisse vom 11. September sich in einen anderen Holocaust transformieren, in dem wir die Angeklagten sein werden. Und mit der Zeit werden wir in dieser Hinsicht eine gewisse Schuld empfinden, auch auf die Gefahr hin, den USA zu erlauben, mit uns so zu verfahren wie die zionistische Bewegung es mit den westlichen Ländern gemacht hat.." 2. Da wundert es nicht, dass dieser Herr der Meinung ist, dass, "die tatsächliche Bedrohung, die wir in der arabischen Welt spüren, nicht vom Irak kommt, sondern von Israel" 3

"Die Demokratie, das sind nicht die freien Wahlen, auf die die Erklärung von Colin Powell anspielt, sondern sie steht zu Beginn eines Volksbewusstseins, einer politischen Reife und einer tatsächlichen Teilnahme an der Entscheidungsfindung. Freie Wahlen werden erst das logische Ergebnis solcher Entwicklungen sein."4, fährt er in diesem Artikel fort, so ganz, als ob es der Bevölkerung in Ägypten oder im Irak an einer politischen Reife in den politischen Entschei­dungs­findungen gefehlt hätte. Es sind vielmehr die unde­mo­kratischen Strukturen in diesen Staaten (gewesen), die solches verhinder(te)n.

Dass dann Hr. Salmawy allen Ernstes noch von einem amerikanischen Holocaust 5 spricht, der in einigen Ländern der arabischen Welt stattfände, hätte Sie schon dazu veranlassen sollen, das Programm zur Eröff­nungsveranstaltung zur Frank­furter Buch­messe zumindest zu überdenken. Und letzten Endes den 'ein­geladenen' Gast schlichtweg vor die Tür der Buch­messe zu setzen.

Nicht genug, ist doch Herr Salmawy der Meinung, dass es keinerlei Erkenntnisse gäbe , "die auf die Existenz von Massengräber hinweisen, weil die Größe der Öfen (in Auschwitz) unmöglich die Kapazitäten für die Vernichtung so vieler Juden hatten." Ähnlich 'argumentieren', neben etlichen anderen, die Holocaustleugner Ernst Zündel , Robert Faurisson, Fred Leuchter.

Es gäbe noch viele andere Veröffentlichungen zu finden, die Ihren Eröffnungs-'Partner' für die Buch­messe in Frankfurt disqualifizieren:

Nicht zuletzt ein von Ihrem Partner verfasstes Buch ( "Wafa Idris und andere palästinensische Geschichten" ), das der palästinensischen Selbst­mordattentäterin Wafa Idris, der "Schwester aller Krieger" gewidmet ist, die sich im September 2003 in Israel in die Luft sprengte – und dabei etliche Zivilisten tötete.6 In diesem Roman lässt Salmawy die Selbst­mord­attentäterin sagen: "Die Israelis fürchten uns Frauen mehr als die Männer, denn jeden Tag gebären wir paläs­tinensische Knaben, und jeder neue Palästinenser untergräbt das Fundament des jüdischen Staates weiter. Wenn wir wissen, wie wir diese Kinder richtig erziehen, werden sie Jugendliche, deren Wunsch es ist, Märtyrer zu werden." (vgl. www.taz.de/pt/2004/10/11/a0200. nf/text.ges,1)

Fast alle der unter dem Begriff "arabische Welt" eingeladenen Staaten haben nicht einmal die Standards einer bürgerlichen Demokratie, weshalb nicht unbedingt ein Dialog mit der Bevölkerung abgelehnt werden sollte. Weshalb auch?

Doch wäre eine nachträgliche Distanzierung von Salmawy und eine Entschuldigung Ihrerseits für das gemeinsame Auftreten das mindeste….

Frankfurt, 12.10.04

AStA der FH Frankfurt

1. "une guerre totale" (http://hebdo.ahram.org.eg/arab/ahram/2004/10/6/carr2.htm)
2. "J'ai peur que ces événements du 11 septembre se transforment en un autre holocauste dans lequel nous serions les accusés. Et avec le temps, nous ressentirons une certaine culpabilité à son égard, quittes à permettre aux Etats-Unis d'agir avec nous comme le mouvement sioniste l'avait fait avec les pays occidentaux." (http://hebdo.ahram.org.eg/ arab/ahram/2003/1/15/Carr0.htm)
3. "La menace réelle que nous ressentons dans le monde arabe ne provient pas de l'Iraq mais d'Israël." (ebd.)
4. "La démocratie ce n'est pas les élections libres auxquelles fait allusion la déclaration de Colin Powell, mais elle est au départ une conscience populaire, une maturité politique et une participation effective dans la prise de décision. Les élections libres ne seront alors que le résultat logique de telles évolutions." (ebd.)
5. "L'holocauste américain" (http://hebdo.ahram.org.eg /arab/ahram/2004/5/19/poin0.htm)
6. www.observer.guardian. co.uk/magazine/story/0,11913,1200794,00.html; aber auch: www.memri.de/uebersetzungen _analysen/themen/islamistische_ideologie/isl_wafa_III_14_02_02.pdf; www.kosmopolit­bureau. unwissenschaftlich.de/interview.html