Die Heimat vertreiben! [ etwas besseres als die Nation finden wir überall]
Antifa-Demo am 9.November um 13 Uhr am KOZ/Uni Bockenheimer Warte

Wahn in Aktion

Am 9.November 1938 erlebte der Antisemitismus in Deutschland seinen vorläufigen Höhepunkt. Waren jüdische Menschen schon in den Jahren zuvor verfolgt, gedemütigt und systematisch entrechtet worden, so brach sich der sinnlose Hass auf alle in denen noch Leben vermutet wurde in der sogenannten „Reichskristallnacht“ seine Bahn. Ein aufgepeitschter Volksmob aus Nazis und „ganz normalen Deutschen“ plünderte Land auf Land ab jüdische Geschäfte, setzte Synagogen in Brand und ermordete zahlreiche Menschen - während Feuerwehr und Polizei daneben standen und dafür Sorge trugen, dass keine „arischen“ Gebäude beschädigt wurden. Die Ereignisse der Reichspogromnacht zeigen auf grausige Art und Weise das Zusammenspiel zwischen eliminatorischem Hass und deutschem Volksmob, dem die zerschlagene Linke nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Die Begeisterung mit der "ganz normale Deutsche", die tatsächlich ganz normale Deutsche waren, jüdische Häuser, Geschäfte und Synagogen niederbrannten stehen in einer Reihe mit Angriffskrieg, Rassengesetzten und Judensternen - kurz gesagt einer Zivilisation die ihren grausigen Höhepunkt in der industriellen und gleichzeitig vollkommen irrationalen Ermordung von Millionen Menschen, die nicht in das nationale Kollektive passen konnten und/oder wollten, fand.

Etwas besseres als die Nation...

Trotz dieses Menschheitsverbrechens wollte und will man sich hierzulande nicht von dem ideologischen Projekt der nationalen Gemeinschaft verabschieden. Stattdessen werden die deutschen Verbrechen inzwischen sogar benutzt um wie beim Kosovo-Krieg neue Großmachtsambitionen zu rechtfertigen. Und für den „Standort Deutschland“ sollen alle mit „neuem deutschen Selbstbewusstsein“ zusammenarbeiten und jene abstrafen, die es wagen auf die eine oder andere Art aus der Reihe zu tanzen. Die Nation geht dementsprechend ausgrenzend in Stellung: mal gegen Juden, Arbeitslose, „Asoziale“, Linke, Faulenzer, MigrantInnen, etc. ... Das ist nicht zuletzt auch deswegen verabscheuenswürdig, da die Unterordnung des Einzelnen unter das nationalen Kollektiv, die endgültige Absage an die Befreiung des Menschen aus dem kapitalistischen Prinzip des „survival of the fittest“ bedeutet. Grund genug also am 65. Jahrestag der Pogrome den nationalen Konsens zu durchbrechen und deutlich zu zeigen, dass - egal ob „moderne“ Standort- oder “alte“ Volksgemeinschaft - Deutschland samt der kapitalistischen Vergesellschaftung, die es und anderen Unappetitlichkeiten hervorbringt endlich überwunden gehört. Ein schönes Leben für alle Menschen ist schließlich möglich: Doch nur jenseits von Nation und Kapitalismus.

Erika und andere Berufsvertriebene

Das beste Gedenken an die Opfer des nationalen Wahns ist es, den Täter das Leben so schwer wie möglich zu machen. Einige von denen, die schon im Nationalsozialismus tatsächlich dabei waren und viele die es heute vielleicht auf die eine oder andere Art gerne sein würden, haben sich im „Bund der Vertriebenen“ versammelt. Dieser hat es sich zum Ziel gesetzt das angebliche „Unrecht der Vertreibung der Deutschen“ nach der Niederlage Deutschlands im 2. Weltkrieg zu thematisieren. Dabei verliert der revanchistische BDV natürlich kein Wort darüber, dass die aus Polen und Tschechien „vertriebenen“ Deutschen zur großen Mehrheit Unterstützer des nationalsozialistischen Vernichtungsprojekts waren. Nicht der Rede wert ist ihm ebenfalls, dass die „Heimholung“ deutsch-völkischer Minderheiten ins Reich oder zumindest Einflusszonen schon immer Teil einer deutschen Großmacht-strategie waren und nach der „Wiedervereinigung“ auch verstärkt wieder ist. Statt dessen betreibt der BDV und seine Vorsitzende, die CDU Bundestagsabgeordnete Erika Steinbach aus Frankfurt/Main, munter die Verharmlosung des Holocaust durch die Verkehrung von Ursache und Wirkung und versucht deutsche Täter zu Opfern zu stilisieren. Man erdreistet sich sogar Widergutmachung von Polen und Tschechien zu fordern und lamentiert dabei gleichzeitig in antisemitischer Verschwörungsmanier über die angeblich „horrenden Entschädigungs-Summen“, welche an die Opfer des Nationalsozialismus ausgezahlt würden. Und mit beträchtlichen finanziellen Investitionen wird z.B. in sogenannten „Häusern der Heimat“ nach wie vor "Brauchtumspflege" betreiben und nationale Identität beworben.

Heimat vertreiben

Zentrale Bedeutung kommt für den BDV dem Begriff der Heimat zu, der als „naturwüchsig“ gegen die angebliche „Künstlichkeit“ der modernen Welt ins Feld geführt wird. Dort soll es keine großen gesellschaftlichen Konflikten geben (bzw. gegeben haben). Stattdessen hat im Ideal (nicht nur) des BDV Gesellschaft als „Heimat“ nicht als selbstbestimmte und selbstgewählte Kooperation von Menschen, sondern als naturgesetzt Einheit zu existieren, die keinen grundlegenden Widerspruch dulden kann. Dabei gelingt es den Berufsvertriebenen, trotz Ihrer Miefigkeit, in letzter Zeit vermehrt politischen Einfluss zu nehmen. Mit dem Vorschlag zu einem „Zentrum gegen Vertreibung“ hat der BDV eine Diskussion angezettelt, die nationalistische Positionen, ganz im gesellschaftlichen Trend, gesteigerte Aufmerksamkeit gebracht hat. Durch dieses Zentrum sollen die deutschen Verbrechen in einen europäischen Kontext gestellt und so verharmlost werde. Von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) aus Göttingen über die SPD bis zum BDV reichte dementsprechend die Palette derer, die auf unterschiedlichen Wegen mit der Europäisierung der deutschen Geschichte am selben Strang ziehen: Einen positiven, „unverkrampften“ Bezug auf die deutsche Nation zu ermöglichen, bzw. zu vereinfachen. Was das im konkreten heißt ist aktuell unter anderem in Hessen zu beobachten: „Für den Standort“ bzw. „unsere Heimat“ werden zum großen Teil Sozialleistungen wie z.B. Frauenhäusern und Drogenhilfeeinrichtungen massiv gekürzt; nur dem BDV will die Landesregierung nicht so richtig was wegnehmen. Wer von Völkern und Nationen spricht, der schweigt schließlich vom Menschen& nbsp. Aus einer emanzipatorischen und antifaschistischen Perspektive ist der BDV und seine Projekte im Besonderen, wie auch Deutschland im Allgemeinen also nur abzulehnen: Daher werden wir am 9. November einige Akteure der nationalen Formierung ins Visier nehmen den BDV und Erika Steinbach , einmal Zuhause besuchen um klar zu machen, dass deutsche Täter nach wie vor Namen und Adressen haben. Ein schöneres Leben wird sich, so banal es klingt, ja nicht von alleine einstellen. Join us.

Parallel rufen wir dazu auf am Abend des 9. November an der Gedenkdemonstration der jüdischen Gemeinde teilzunehmen und so der Trauer um die Opfer des Antisemitismus und der Solidarität mit den in Deutschland lebenden JüdInnen und Juden deutlichen Ausdruck zu verleihen.