Kritik am Aufruf zur Demo/Redebeitrag der Gruppe PanK

Manchmal werden Kommunisten und Kommunistinnen vor ernste Probleme gestellt. Aus der populär-kommunistischen Perspektive sind Widersprüche meist vor allem dazu da aufgehoben zu werden und der Blick zurück, ist in dieser Sicht nur dann sinnvoll, wenn er zugleich ein Blick nach vorn ist. So war eine Forderung der old-school Kommunisten des 19.Jahrhunderts auch, dass man die Toten ihre Toten begraben lassen und aus der Zukunft schöpfen solle.

Heute wird unter ungefähr folgender Parole zur Demonstration aufgerufen “Das beste Gedenken an die Opfer ist, die Täter anzugreifen”. Entschuldigung, Genossen und Genossinnen, das ist uns etwas zu billig. Solche markigen Parolen entziehen sich eher einer Problematik, als das sie sich dieser stellen würden. Wieso ein Angriff jetzt sofort Gedenken sein soll, ist uns logisch und inhaltlich unklar. Das es darüber hinaus auch noch das “beste Gedenken” sein soll, ist dann insgesamt fragwürdig. Sie ist zu klar, sie kennt kein zurück.

Obwohl man es gerne anders hätte, besteht hier die Gefahr, dass die Phrase über den Inhalt hinausgeht und dann handelt man sich ungewollt das Gegenteil von dem ein, was man eigentlich ausdrücken will. Es gibt Fragen, die sind keine versteckten Widersprüche, zumindest keine auflösbaren. Auf diese kann man keine schnellen, abschließenden Antworten finden dürfen. Denn sonst wirken die Antworten in letzter Instanz am Vergessen mit.

Wir sind der Meinung, dass sich ein Umgang mit dem 9. November zu einem Teil aus der Kritik der herrschenden Erinnerungspolitik herleiten kann. Nicht, dass wir daraus handlungsleitende Grundsätze entwickeln könnten, aber wir können sehen, wie erinnerndes Vergessen funktioniert und dabei nicht mitmachen.

Wir verstehen die rot-grün praktizierte Erinnerung des Nationalsozialismus - nicht nur der Novemberpogrome - als eine, die strukturell und inhaltlich für das Vergessen steht.
Strukturell steht sie im Zeichen des Vergessens, weil sie aus der Shoah in klarer Argumentationslinie normative Werte für das heutige Zusammenleben ableitet. So wie man eben aus Fehlern lernt.

Inhaltlich steht sie im Zeichen des Vergessens, weil sie die Erinnerung einbettet in die Identität eines neuen, selbstbewussten Deutschlands. Zu diesem gehören nicht nur deutsche Autos und deutsche berliner Pop-Musik, sondern auch die lächerliche Abspeisung der ehemaligen NS-ZwangsarbeiterInnnen, das Trauern um die zerstörten deutschen Großstädte und ein Zentrum gegen Vertreibung.

Vor allem die rot-grüne Bundesregierung hat ein Erinnern etabliert, das dazu dient, sich mit Toleranz und Weltoffenheit zu bewaffnen, um sogleich in den Angriff überzugehen: Gegen Israel, gegen Eingedenken, für ein neues deutsches Selbstbewusstsein, für vorwärts. Die Erinnerung wird Bestandteil, Institution und Garant des neuen Deutschland – deshalb ist sie Vergessen.

Bei dieser Praxis handelt es sich nicht nur um eine Instrumentalisierung des eigentlich zu Erinnernden, sondern mal mehr, mal weniger darum, dem Geschehenen nachträglich einen Sinn einzuschreiben. Diese Praxis kann und will sich der Endgültigkeit der Bilder von Auschwitz, auch als Ergebnis der Bilder des 9. November 1938, nicht bewusst werden. Sonst würde sie ihren Gebrauchswert verlieren.

Als radikale Linke müssen wir versuchen, genau diese Erinnerungsstruktur zu erkennen und zu durchbrechen. Durchbrechen meint, dass wir in unserer Praxis des Erinnerns die Spannung zwischen den endgültigen Bildern und der Faktizität des “nach Auschwitz” aushalten müssen.

Unser Standpunkt muss die eigene Praxis deshalb an diesem Punkt immer wieder hinterfragen, kann für sich keine Richtigkeit des Gedenkens beanspruchen, da sie sonst schon im Normativen und Sinngebenden verfangen wäre, welches sie zunächst verweigern sollte.
Nur auf dieser Ebene kann es gelingen, sich dem herrschenden “Erinnern” zu widersetzen. Und wenn das auch sicherlich nicht die verfehlte Frage nach einer angemessenen Form des Gedenkens beantworten kann, so ist es doch schon eine Menge und steht vielleicht jenseits des Angreifens der Täter, sicherlich aber jenseits des Kommunismus’. Manchmal hat die Welt eben mehr Sinnschichten, als es Aufhebungs- und Synthetisierungsprozesse geben kann. Das mag ärgerlich sein, aber so ist es nun mal.