Offener Brief: Solidarität mit Gabriele Lesser

Die deutsch-polnische Diskussion um das „Zentrum gegen Vertreibungen“ währt schon ein paar Jahre. In diesem Meinungsstreit fehlte es nicht an kritischen Stimmen und scharfen, zum Teil ungerechten Formulierungen. Bislang verfiel aber keiner der Wortführer auf die Idee, zur Durchsetzung seiner Argumente einen Gerichtsprozess anzustrengen.
Daher hat uns die Nachricht erstaunt und empört, dass der Bund der Vertriebenen (BdV) und seine Vorsitzende Erika Steinbach die in Warschau lebende Korrespondentin Gabriele Lesser gerichtlich belangen wollen. Die Journalistin, die der Idee eines „Zentrums gegen Vertreibungen“ kritisch gegenübersteht, hatte in der deutschen Presse auch den polnischen Standpunkt dargestellt und vertreten.
Nachdem wir die Vorwürfe gegen Gabriele Lesser kennen gelernt haben, können wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass das eigentliche Anliegen Erika Steinbachs und des Bundes der Vertriebenen darin besteht, an Gabriele Lesser ein Exempel zu statuieren: nicht nur ihr soll der Mund verboten werden, sondern allen potentiellen Kritikern, die einen Zusammenhang zwischen dem Holocaust-Mahnmal in Berlin und dem ebenfalls in Berlin geplanten „Zentrum gegen Vertreibungen“ sehen wollen, und die der Meinung sind, dass der Bund der Vertriebenen zunächst seine eigene Rolle in den deutsch-polnischen Beziehungen kritisch überprüfen sollte.

Wenn also Erika Steinbach darauf besteht, Gabriele Lesser vor Gericht zu bringen, soll sie den Mut haben, auch uns zu verklagen. Denn auch wir stehen den BdV-Aktivit?ten, die die deutsch-polnischen Beziehungen in zunehmendem beschädigen, sehr kritisch gegenüber.