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Kurzmeldungen

eine Einsendung

Seit 1923 ist der 18. März der internationale Tag der politischen Gefangenen. Der Tag wurde von der historischen Rote Hilfe ausgerufen. Denn am 18. März 1871 übernahmen in Paris die Kommunard*innen die Stadt. Die Pariser Kommune wurde gebildet. Als Reaktion rückte im Mai desselben Jahres die französische Armee in der Stadt ein. Es wurden viele der Kommunard*innen getötet oder ewig in Gefängnisse gesteckt. 25.000 Menschen kamen ums Leben. 3.000 davon starben in den Kerkern. Auf dem IV. Weltkongress der Komintern (Kommunistische Internationale) wurde 1922 die Internationale Rote Hilfe (IRH) gegründet. Dabei wurde auch der internationale Tag der politischen Gefangenen beschlossen. Am 18. März 1923 gingen das erste Mal weltweit Menschen auf die Straße. Internationale Solidaritätskampagnen festigten sich und wurden zu einem zentralen Bezugspunkt kommunistischer, anarchistischer und anderer linker und revolutionärer Bewegungen. Die Vernetzung und internationale Solidarität mit politischen Gefangenen wurde in den 1920ern massiv vorangetrieben. Zum Beispiel wurden die weltweiten Proteste gegen die Hinrichtungen der Anarchisten Nicola Sacco und Bartolomeo Vancetti unter anderem von der IRH koordiniert. In Deutschland beendete der NS-Faschismus die Durchführung dieses Tags. Statt der IRH bestehen heute global die unterschiedlichsten Antirepressionsorganisationen. In Deutschland wurde 1975 die Rote Hilfe e.V. gegründet, die erst 1996 den 18. März wieder ins Leben rief. Der Tag wird häufig nicht nur genutzt, um mit den politischen Gefangenen Solidarität zu zeigen sondern auf die globalen Ausmaße von Gefängnissen, Unterdrückung, Lagern und Ausbeutung aufmerksam zu machen.

Ein unvollständiger internationalistischer Überblick

Es gibt hin und wieder auch erfreuliche Nachrichten. Thomas Meyer-Falk wurde nach fast 27 Jahren freigelassen und ist weiterhin aktiv! Gleichzeitig macht der Staat aber momentan mit übertriebenem Eifer Jagd auf die RAF. Daniela Klette sitzt in U-Haft, nach dem das LKA Niedersachsen und die Berliner Polizei sie in Friedrichshain festnehmen konnten. Sie war 30 Jahre im Untergrund. Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg sind nach wie vor on the run. An dieser Stelle viel Glück und Kraft! Die momentane Fahndung gibt den Anlass, sich mit der Geschichte des bewaffneten Kampfs auseinander zusetzen. Denn die damalige staatliche Reaktion prägte das Gefängnis- und Polizeisystem und die politische Verfolgung sowie den Justizapparat in Deutschland (aber auch darüber hinaus) bis heute: Die RAF startete mit einer Gefangenenbefreiung, die Isolationhaft und weiße Folter der Gefangen der ersten Generation und ihre Zusammenlegung in Stuttgart Stammheim prägten den staatlichen Antiterrorkampf und die Rechtssprechung nach §129a stammt aus dieser Zeit. Gefängnisse und die Konfrontation mit dem Gefängnissystem und der Justiz blieben bis zur letzten Aktion zentral: 1993 sprengte das Kommando Katharina Hammerschmidt der RAF den Neubau der JVA Weiterstadt und verzögerte die Eröffnung um 4 Jahre.

Gesprengtes Gefängnis in Weiterstadt 1993
Foto: AP Content / picture alliance/ASSOCIATED PRESS

Die Fahndung deutscher Behörden gilt momentan nicht nur den Militanten der RAF. Die Ermittlungen wegen antifaschistischer Aktionen gegen den Faschoaufmarsch „Tag der Ehre“ in Budapest 2023 sind noch aktuell. In Ungarn sind Tobi und Ilaria deswegen unter miserablen Bedingungen inhaftiert. In Deutschland droht Maja die Auslieferung und in Italien wurde für Gabriele Hausarrest verhängt. Die europäischen Verfolgungsbehörden arbeiten hier eng zusammen. EU-Gesetzgebungen gegen „Hate Crime“ werden in Ungarn dadurch gegen links ausgelegt. Das BKA und die BAW in Deutschland machen sich liebend gern zum Komplizen der ungarischen staatlichen Anti-Antifa Arbeit. Das schließt nahtlos an das Antifa-Ost Verfahren und die Konstruktionen von kriminellen Vereinigungen an. Im letzten Jahr begann von Seiten des BKA und in den Medien eine bisher unvergleichbare Öffentlichkeitsfahndung und Denunzierungskampagne. Einige bleiben jedoch weiter abgetaucht. Das Genoss*innen im Untergrund leben, ist in der heutigen Situation somit eine Realitität mit der wir uns als Bewegung auseinandersetzen müssen.

Der deutsche Justiz- und Polizeiapparat ist auch ganz vorne mit dabei, linke Kräfte aus der Türkei und aus Kurdistan zu verfolgen. §129b Verfahren sowie Repressionen und Schikanen sind an der Tagesordnung. Dabei geht es um die Verfolgung wegen vermeintlicher Organsierung in der PKK, der TKP-ML oder der DHKP-C. Das OLG München verurteilte 2020 10 Personen wegen angeblicher Mitgliedschaft in der TKP-ML. Und 2023 erhob die BAW Anklage gegen Personen mit dem Vorwurf Mitglieder der DHKP-C zu sein. Diese Parteien und Gruppen werden in Deutschland und der EU vor allem verfolgt, weil der türkische Staat sie als Terrororganisationen einstuft. Auch die Ermittlungen gegen vermeintliche Mitglieder bauen häufig auf Ermittlungen aus der Türkei auf.

Und in der Türkei selbst spitzt sich die Lage für politische Gefangene zu: Oppositionelle werden in verschiedenen Gefängnistypen isoliert. Am bekanntesten sind dabei die sogenannten Typ-F Gefängnisse. Angefangen als Pilot-Projekt 1991 in Eskişehir im Westen der Türkei werden diese Hochsicherheitsgefängnisse seit 2000 gebaut, um Oppositionelle, Militante und politische Gegner*innen zu isolieren. Gegen die Einführung der Isolationsfolter entwickelte sich damals Widerstand, das Todesfasten. Es wurde vom Staat brutalst beantwortet. Da auch in der Türkei die Todesstrafe abgeschafft wurde und sich in westlichen Staaten andere Formen der Strafe und Folter durchsetzten, „reformierte“ auch die Türkei ihr Gefängnissystem. Die toten Trakte und die weiße Folter, als gezielte Methoden im Kampf gegen die RAF, waren dabei ein wichtiger Einfluss. Mittlerweile werden auch Typ-S und Typ-Y Gefängnisse mit größeren Kapazitäten für mehr Gefangene gebaut. In all diesen Gefängnissen gibt es jedoch auch immer Widerstand der Gefangenen.

Typ-Y Gefängnis in der Türkei. Politische Gefangene werden hier unter unmenschlichen Bedingungen in Einzelzellen isoliert. Mit Hungerstreiks protestieren sie gegen die Bedingungen. Die neuen Gefängnisse sind von europäischer und amerikanischer Gefängnisarchitektur inspiriert.
Foto: Solidaritätskomitee für revolutionäre Gefangene Bielefeld

Im Iran sind Gefangene den schlimmsten Haftbedingungen und Folter ausgesetzt. Es gibt, insbesondere seit den Protesten 2022, unglaublich viele Hinrichtungen. In Palästina und Israel werden teils willkürlich Menschen ohne Gerichtsverfahren oder Anklagen eingesperrt und Kriegsdienstverweigerer in Israel müssen häufig kleinere Haftstrafen absitzen. Patriarchale Gewalt und Gefangenschaft ist ein offensichtliches Kriegsmittel. Die Hamas nahm bei ihrem Massaker am 7. Oktober viele Geiseln in Israel, denn in diesem Krieg ist auch der Gefangenaustausch ein Teil der Gewalt.

Das Staaten, die sich im Krieg befinden, all diejenigen die sich gegen diese Kriege stellen kriminalisieren und einsperren sieht man auch in Russland und Belarus allzu deutlich. Antifaschist*innen und Anarchist*innen, die sich gegen das Regime von Putin stellen und auch militant gegen die Kriegslogik stellen, werden massiv verfolgt.

Isolation und Widerstand

Die Isolation in Hochsicherheitsknästen und permanente Überwachung sind auch aus Italien bekannt. Alfredo Cospitos Kampf und Hungerstreik gegen das 41bis Regime machte weltweit auf die Verschärfung der politischen Repression in Italien aufmerksam. Doch auch in Deutschland sind Hungerstreiks ein Mittel, mit dem sich Gefangene gegen miserable Knastbedingungen zu Wehr setzen: Andreas Krebs in Berlin Tegel, İlker Şahin in Rheinbach und Mazlum Dora in Stammheim. Die Verhältnisse in den Gefängnissen sind in Deutschland für politische Gefangene aufgrund von Isolation und für alle Gefangenen wegen der Ausbeutung miserabel. Die Arbeit, die Gefangene verrichten wird in Hessen mit einem Stundenlohn von 1,57€ bis 2,62€ bezahlt. Neben den JVAs sind auch Abschiebeknäste Orte in denen Rassismus und Klasse zwischen Freiheit und Gefangenschaft entscheiden. In der Festung Europa nehmen Verschärfungen des Asylrechts zu. Die Notunterkunft in Berlin Tegel brennt und die EU-Außengrenzen werden in die Wüste vorverlagert. An der polnisch-belarussischen Grenze oder in Griechenland gehören Pushbacks, Menschenrechtsverletzungen und Gewalt zum Alltag. Die AfD und andere FaschistInnen fordern auf „Geheimtreffen“ eine „Remigration“, die regierenden Parteien schieben ab und wollen dabei effektiver werden. Die Solidarität muss nach wie vor den Geflüchteten und von Abschiebungen bedrohten Menschen überall gelten.

In den Amerikas trifft die staatliche Repression vor allem Schwarze und Indigene widerständige Bewegungen. Mumia Abu-Jamal und Leonard Peltier werden seit Ewigkeiten gefangen gehalten. In Isolationshaft im SCI Mahanoy verschlechtert sich Mumia Abu-Jamals gesundheitlicher Zustand. Internationale Aufmerksamkeit und Solidarität ist hier essentiell. Das Gefängnissystem der USA sperrt massenhaft Menschen ein. Und das häufig für unvorstellbare Zeit. Noch immer sind einige Revolutionär*innen der Black Panthers, Black Liberation Army und weiterer Gruppen, die die rassistische USA in den 70ern und 80ern ins Wanken gebracht haben, lebenslang inhaftiert. Aber auch Gefangene der Aufstände wegen der Ermordung George Floyds sowie Anarchist*innen und Earth Liberation Aktivist*innen sitzen in US-amerikanischen Knästen. Generell ist die USA für ihr massenhaftes Einsperren und ihre zutiefst rassistische Klassenjustiz bekannt. Nicht nur politische Aktivist*innen sind davon betroffen, sondern vor allem nicht-weiße Menschen und der ärmere und prekär lebende Teil der Bevölkerung. Die Gefängnisse sind zudem dafür da, ein Teil der wirtschaftlichen Leistung der USA zu organisieren. In den privatisierten Gefängnissen kann Lohn Dumping stattfinden und vor allem Unternehmen verdienen an der Knast- und Überwachungstechnologie. Eine Zuspitzung von modernen Massengefängnissen sieht man auch an dem in El Salvador errichteten „Centro de Confinamiento del Terrorismo„, in dem 40.000 Menschen gefangen halten werden können. Gerade deshalb sind Kämpfe in den Gefängnissen so zentral. Auch in Chiapas oder in Chile kämpfen Bewegungen weiterhin um die Freilassung ihrer Gefangenen.

JVA Stammheim 1962 im Bau. Hier waren die Gefangenen der ersten RAF Generation eingesperrt. Auch heute noch sitzen immer wieder politische Gefangene in diesem Gefängnis
Foto: dpa

Blick nach Europa

Es gibt nach wie vor einige Strukturermittlungsverfahren in Deutschland. Mit den Paragrafen 129 (Verdacht der Bildung oder Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung) und 129a (Verdacht der Bildung oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung) werden in Berlin, Sachsen und Thüringen, Frankfurt am Main, München und Nürnberg Ermittlungsverfahren und Gerichtsprozesse geführt. Das §129 Verfahren gegen den Roten Aufbau in Hamburg wurde mittlerweile eingestellt! Diese Art der Repression lässt sich nicht nur in Deutschland beobachten. Auch in Frankreich oder Italien oder Österreich werden Linke des Terrorismus und der kriminellen Vereinigung verdächtigt und verurteilt. Während rechte, faschistische und reaktionäre Kräfte an Aufwind bekommen, richtet sich die staatliche Repression gezielt gegen Antifaschist*innen. Das sieht man an den Verfahren in Deutschland, wo Jo und Dy immer noch inhaftiert sind. Aber auch Zypern oder Ungarn werden Antifas bekämpft. In Deutschland gibt es seit dem G20 Gipfel immer wieder Verschärfungen des Demonstrationsrecht. Damals waren einige Menschen in Haft. Diese Repression findet auch jetzt noch kein Ende. Die Demonstration, die am Rondenbarg 2017 gewaltsam von der Polizei zerschlagen wurde, wird immer noch kriminalisiert. Und gegen die Klimabewegung lässt sich, insbesondere in Bayern, eine Verschärfung feststellen. So wird die Präventivhaft gegen Klimaaktivist*innen verhängt um Protest, häufig erfolglos, zu verunmöglichen. Und auch Urteile mit Haftstrafen ohne Bewährung nehmen überall zu. Auch in Frankreich muss sich die Klimabewegung gegen Repressionen wehren, wie das abgewendete Auflösungsverfahren um die Organisation „Soulèvements de la terre“ zeigt. So sollte man letztendlich feststellen, dass die staatliche Bedrohung auch immer wieder nicht aufgeht und das die politischen Gefangenen auch im Knast und danach politisch aktiv sind und kämpfen.

All diese Repression, Haftstrafen und Schikanen müssen als Bewegung diskutiert und bekämpft werden. Repression und Haft findet nicht für sich oder nur gegen Einzelne statt, sondern hat ihre Ursachen in lokalen und globalen Strukturen von Staaten, Rassismus und kapitalistischen Interessen. Die Widerstände dagegen sind deswegen ebenso in einer globalen Perspektive auf Gefängnisse und Bewegungen zu finden.

Die Sonderzeitung der Roten Hilfe gibt einen weiteren guten internationalen Überblick über politische Repression. Dort finden sich auch einige Postadressen von Gefangenen, damit ihnen Briefe geschrieben werden können.