Schlappe für die Staatsanwaltschaft

Bericht der angeklagten Antifaschistin vom Prozess wegen der Gleisbesetzung an S-Bahnstation Messe wegen der Nazi-Demonstration am 7. Juli 2007.

Am 9.3.09 wurde am Amtsgericht Frankfurt erneut gegen eine Antifaschistin verhandelt. Sie war am 7.7.07 bei der Gleisblockade am S-Bahnhof Messe verhaftet worden, wo sie mit anderen versucht hatte, die Zufahrt von Nazidemonstranten zu verhindern.

Die Strafanzeige wegen versuchter Körperverletzung und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wurde wegen Geringfügigkeit eingestellt. Übrig blieb ein Bußgeldbescheid über 150 €, gegen den Einspruch eingelegt wurde. Die erste Verhandlung Ende letzten Jahres wurde von Richter Gönsch vertagt, nachdem er sich über ein rege am Prozess Anteil nehmendes Publikum geärgert hatte.

Diesmal gab es überraschenden Besuch einer Staatsanwältin. Überraschend deshalb, weil bei Verhandlungen wegen Ordnungswidrigkeiten normalerweise keine Staatsanwaltschaft anwesend ist. Wie sich herausstellte, war Staatsanwältin Niesen aber in eigener Mission unterwegs.

Nachdem die Staatsanwältin den Bußgeldbescheid verlesen hatte, erinnerte die Betroffene an den Anlass der Demonstration und die Wichtigkeit, sich den Faschisten in den Weg zu stellen. Der Anwalt verwies auf die Unrechtmäßigkeit des Bußgeldbescheids wegen Ungenauigkeit und auf den Ermessensspielraum des Richters, der sich schon daraus ergäbe, da weitaus mehr Menschen an diesem Tag die Gleise blockiert hätten und überdies der Schienenverkehr schon vor der Gleisbesetzung eingestellt worden war.

Die geladenen Zeugen der Polizei konnten nicht viel erhellendes zur Situation beitragen, schilderten wieder einmal phantasievoll den Ablauf der Verhaftung und wurden zunächst von Rechtsanwalt Künzel und schließlich auch vom Richter ermahnt, sich auf die Ordnungswidrigkeit zu beschränken, da alle weiteren Vorwürfe bereits als nichtig erklärt worden waren.

Staatsanwältin Niesen hatte ihre große Stunde, als sie in ihrem Abschlussplädoyer erklärte, überhaupt nicht zu verstehen, warum das Strafverfahren eingestellt worden sei, da für sie der Tatbestand der Körperverletzung und des Widerstands gegeben sei und sie deshalb dringend der Meinung sei, dass das Bußgeld verdoppelt werden müsste. Sie bewies damit ganz offen, wie wurscht ihr die juristischen Spielregeln, die sie berufsbedingt vertreten sollte, eigentlich sind. Ihr Hinweis, dass die Betroffene auch die Gerichtskosten zu bezahlen hätte, erfüllte sie offensichtlich mit Genugtuung.

Überraschenderweise watschte Richter Gönsch den Antrag der Staatsanwältin ab, indem er die Motive der Betroffenen würdigte und den Anlass gerechtfertigt sah. Mit den Worten „leider hat die Betroffene das falsche Mittel gewählt“ setzte er das Bußgeld auf 75 € herab und erklärte die Verhandlung für beendet.
Rechtsmittel gegen dieses Urteil muss wegen der geringen Höhe des Bußgelds gesondert zugelassen werden.

Anmerkung zum Schluss: Staatsanwältin Niesen ist diejenige, die das Beweismaterial für die Strafanzeigen gegen die am 7.7.07 demonstrierenden Faschisten abgelehnt hatte und somit verhinderte, dass die volksverhetzenden Parolen und Straftaten der rechten Kameradschaften gerichtlich verfolgt werden konnten.

(ältere) Nachrichten zu Repression und Überwachung
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