Studierendenproteste in Hessen: Jetzt spricht die antifa

Erklärung der autonomen antifa [f]

Nachdem letzte Woche mehrere hessische Polizeipräsidenten fast zeitgleich ein "härteres Vorgehen" der Polizei gegen protestierende Studenten angekündigt hatten, meldet sich nun die antifa zu Wort. In einer Erklärung kritisiert ein Sprecher der autonomen antifa [f] aus Frankfurt, Lars Mertens, die Berichterstattung der Medien und das Vorgehen der Polizei.

Die Polizeipäsidenten hatten die Ankündigung härteren Vorgehens besonders damit begründet, dass sich "Mitglieder der antifa" unter die Studierenden mischen und den Protest für ihre Agitation und die "Bildung gewalttätiger Blöcke" benutzen würden. Ausserdem hatten Polizisten an der Frankfurter Universität an diesem Wochenende Flugblätter verteilt, die dazu aufriefen sich von "den Extremisten" zu distanzieren.

Lars Mertens erklärte dazu: "Die antifa-Gruppen aus dem BASH (Bündnis antifaschistischer Gruppen Hessen)
beteiligen sich natürlich, wie übrigens auch viele andere linke Gruppen, an der Organisation und den Aktionen gegen Studiengebühren. Allerdings ist es eindeutig zu viel der Ehre, uns damit eine zentrale Rolle in den Protesten zuzuschreiben. Was die Proteste so positiv auszeichnet, ist gerade das solidarische und aktive Miteinander unterschiedlicher Gruppen, Zusammenhänge und auch Aktionsformen. Wir sind Teil dieser Bewegung - nicht mehr und nicht weniger." Zudem spreche man sich gegen jede Spaltung der fortschrittlichen Kräfte aus.

Mertens weiter: "Wir begrüßen sehr, dass sich viele Menschen endlich nicht mehr widerspruchslos von der nationalistischen Propaganda der Landesregierung vor den Karren des 'Standortes Deutschland' spannen lassen. Ein derartig offen gegen die Interessen der einzelnen Menschen gemachtes und dazu noch rassistisch Gesetzesvorhaben wie das zu den Studiengebühren dient offensichtlich auch dazu, einige Illusionen über diese Gesellschaft zumindest in Frage zu stellen. Insofern ist die trampelartige Vorgehensweise der CDU natürlich
schon Wasser auf unsere Mühlen."

Militanz und "Einzeltäter"

Auch die "teilweise militante Gegenwehr der Studierenden gegen die reaktionäre Politik der Landesregierung" sei vor allem Dingen ein Produkt einer inhaltlichen Entwicklung vieler Studierender. Mertens dazu: "Viele Studierende merken, dass es gegen diese Politik der kapitalistischen "Sachzwänge" nicht reicht, die besseren Argumente zu haben. Die Blockaden und anderen Aktionen werden von vielen verschiedenen Menschen getragen, sonst wären sie auch kaum so erfolgreich."

Wären es tatsächlich nur "linke Einzeltäter" und sogenannte "Chaoten", wie die Polizei behauptet, dann könne es wohl kaum so ein Problem sein, den Protesten Herr zu werden. Die Äußerungen der Polizeiführung seien dagegen vielmehr ein "durchsichtiger Versuch", die Bewegung zu spalten und zu kriminalisieren. Gegen diese "zunehmende polizeiliche Bearbeitung gesellschaftlicher Konflikte im Namen der Inneren Sicherheit" setzt die antifa dementsprechend auch einen Schwerpunkt ihrer Aktivitäten.

Überdies bemängelte Mertens, dass mit der "wissenschaftlich unlauteren" Sprachreglung des "Extremismus", der Nationalsozialismus und NeoNazis verhamlost würden.

Scharfe Kritik an den Medien

Allerdings habe man von der Polizei, die sich wieder mal zum "Büttel kapitalistischer Interessen" mache, nicht viel besseres erwarten können. Schwerer wiege da die "nur noch peinliche Hofberichterstattung" einiger Medien, welche jede"noch so billige Finte der staatlichen Behörden kritiklos überhehmen". So sei zuerst "der Diffamierung und Spaltung der Bewegung" das Wort geredet worden um nun, da dies nicht funktioniert habe, erfolgreiche Protestaktionen "einfach zu verschweigen".

Der Antifa-Sprecher dazu: "Symptomatisch für diese Entwicklung stehen die Ereignisse um das WM-Spiel England-Paraguay am letzten Samstag in Frankfurt. Trotz Drohungen im Vorfeld ist es der Polizei nicht gelungen, die Leute einzuschüchtern und klein zu halten. Um es klar zu sagen: die Polizei hatte - Dank der Entschlossenheit der Demonstranten - gar nichts unter Kontrolle." So sei der Hauptbahnhof von mehreren hundert Studenten gestürmt und blockiert worden, auch sei in der gesamten City ein "ziemliches Durcheinander" ausgebrochen. Die Polizei habe darauf nur mit "teilweise massiver Gewaltanwendung" reagiert. Auf der Sachsenhäuser Seite der Main-Arena habe es beispielsweise vor den Augen vieler Fußballfans einen "brutalen Schlagstockeinsatz" mit mehreren Verletzten und teilweise blutenden Studierenden gegeben. Auch sei es immer wieder zu regelrechten Prügeleien mit der Polizei gekommen.

Mertens weiter: "Dass es nicht zu schlimmeren Auseinandersetzungen gekommen ist, ist nicht der Polizei, sondern den Studierenden und Fußballfans zu verdanken. Ein relevanter Teil der englischen Gäste und auch einige äusländische Presseorgane jedenfalls haben mitbekommen, wie sehr man sich zwischen Wasserwerfern und behelmten Prügeleinheiten zu 'Gast bei Freunden" fühlt.' Auch habe es immer wieder Solidaritätsbekundungen von Fußballfans gegeben.

Von alldem habe jedoch beispielsweise der Hessische Rundfunk nichts berichtet. Stattdessen sei in "schlechtester Untertanenmanier der englische Thronfolger abgefeiert" worden. Mertens weiter: "Die Studentenbewegung wird die WM weiter dafür nutzen, die verlogene Selbstdarstellung dieses Landes zu sabotieren."

Neue Pespektive

Trotz den vielen positiven Punkten kritisierte der antifa-Sprecher auch einige, im Rahmen der Proteste aufgetretene Aspekte. Einerseits sei die Fixierung vieler Studenten auf die Landesregierung "zwar nachvollziehbar", diese Personalisierung sei jedoch kontraproduktiv. Lars Mertens erklärte dazu: "Die gesellschaftliche Vision der CDU-Regierung, ein autoritär verwalteter Standort im globalen Kapitalismus, ist kein Einzefall. Auch die SPD verfolgt, siehe z.B. die sogenannten Sicherheitsgesetze oder Hartz IV, dieselbe Politik. Diese Entwicklung folgt aus den Zwängen des kapitalistischen Systems selbst, daher muss es als Ganzes überwunden werden."

Wo durch die technische Entwicklung eigentlich immer weniger Arbeit nötig sei, dadurch das Leben vieler Menschen aber immer schlechter werde, sei die "Abschaffung des Kapitalismus" schließlich ein "Gebot der intellektuellen Selbstverteidigung".

Zum zweiten kritisierte Mertens, die "fehlende Organisierung". "Widerstand braucht Kontinuität - auch über die aktuelle Auseinandersetzung um Studiengebühren hinaus". Er appellierte daher an alle Aktiven: "Schließt auch bestehenden Gruppen an oder bildet selbst neue Gruppen. Wir werden einen langen Atmen brauchen."

Resolution beschlossen von über 1000 Studierenden auf der Vollversammlung der JWG-Uni Frankfurt, der FH Frankfurt und der Hochschule für Gestaltung Offenbach am 30.5.2006

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