11.000 Kinder: Enteignung des Gedenkens

Eklat zwischen Bundesverkehrsminister Tiefensee und dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG, Mehdorn
Aktion am 9. November in Frankfurt am Main

Erklärung der Anti-Nazi-Koordination Frankfurt am Main

Die Auseinandersetzung um die Weigerung der Deutschen Bahn AG, eine Ausstellung von Nachkommen französischer Holocaust-Opfer auf deutschen Bahnhöfen zuzulassen, nimmt immer heftigere Züge an.

Bundesverkehrsminister Tiefensee verließ vorzeitig ein Treffen mit Bahnchef Mehdorn, als dieser sich erneut weigerte, die Ausstellung "11000 Kinder - Mit der Reichsbahn in den Tod" auf Bahnhöfen der DB zu präsentieren.
(siehe den Bericht von german-foreign-policy.com)
Die Ausstellung entstand ursprünglich in Frankreich als Arbeit der Organisation "Les Fils et Filles des Déportés Juifs de France" um Beate und Serge Klarsfeld (FFDJF - Söhne und Töchter deportierter Juden Frankreichs) und wurde dort auf 18 Großbahnhöfen und mit Unterstützung der französischen Eisenbahn SNCF gezeigt.

In Deutschland ist so etwas nicht möglich. Mit ständig wechselnden und sachlich stets unnachvollziehbaren "Begründungen" hat Bahnchef Mehdorn eine angemessene Präsentation der FFDJF-Ausstellung auf deutschen Bahnhöfen seit fast zwei Jahren verhindert und hält an ihr nun sogar gegen die Bundesregierung fest

Im gesamten Land bildeten sich daraufhin UnterstützerInnengruppen der FFJDF und führten zum Teil unangemeldete Veranstaltungen auf Bahnhöfen durch -in Frankfurt bereits zwei Mal. Hinzu kam hier eine große Informationsveranstaltung im DGB-Haus, bei der u.a.eine Zeitzeugin über ihre Deportation mit der Reichsbahn von Frankfurt nach Theresienstadt berichtete.

Nun kommt der neueste Schachzug von DB-Chef Mehdorn:

um der wachsenden Kritik an diesem handfesten geschichtspolitischen Skandal den Wind aus den Segeln zu nehmen, plant Mehdorn nun eine eigene Ausstellung. Sie soll über die Rolle der Reichsbahn in der Deportationslogistik des Holocaust informieren - allerdings nicht auf Bahnhöfen der DB, sondern abseits vom Strom der PassantInnen und Passagiere und inhaltlich im Sinne nicht der Holocaust-Opfer, sondern der DB AG.

Welches Ziel diese Aktivitäten haben, stellt Mehdorn im Kernsatz eines aktuellen Interviews in der "Welt am Sonntag", 22. Oktober (vgl. Anhang) fest: "... wir haben das Recht, es [gemeint ist: die Ausstellung] so zu machen, wie wir das in Abstimmung mit unangefochtenen Experten für richtig halten...".

Mit anderen Worten: die Nachkommen der Opfer sollen endlich den Mund halten. Sie erhalten von der DB AG keinen Raum und keine Gelegenheit, ihr Anliegen selber zu präsentieren. Und da sie seit zwei Jahren keine Ruhe geben, stellt die DB AG nun eben selber dar, wie ihre Vorgängerinstitution Deutsche Reichsbahn im Kontext der Holocaust-Logistik zu bewerten ist. Sozusagen letztgültig.

Damit enteignet die DB AG in abscheulicher und empörender Weise die Nachkommen der Holocaustopfer eines wichtigen Teils ihrer Möglichkeit des Gedenkens. Und nicht nur sie, sondern auch die demokratische und antifaschistische Öffentlichkeit dieses Landes.

Das nehmen wir nicht hin!

Wir wollen nicht in einem Land leben, in dem weltmarktgeltungs- und b örsengeile Wirtschaftsfunktionäre in dieser dreisten Art und Weise mit Opfern der Sho'ah und ihrer berechtigten Forderung nach öffentlich wahrnehmbaren und präsenten Formen des Gedenkens umspringen.

Die Nachkommen der Täter haben kein Recht, den Nachkommen der Opfer ihre Formen des Gedenkens vorzuschreiben.

Und wir wollen auch nicht in einem Land leben, dessen Regierung nicht in der Lage ist, derart skrupellosen Machenschaften wirksam einen Riegel vorzuschieben.

Wie bereits bekannt werden wir am 9.November gegen die DB AG aktiv werden. Das wird nicht nur in Frankfurt, sondern einer Reihe weiterer Städte in Deutschland der Fall sein. Wir werden dabei sehr deutlich machen, was wir von Mehdorns Vorgehen halten.

Zu bedenken ist nach dieser neuen Eskalation des Konflikts durch die DB AG aber auch, in welcher Form zB. am kommenden 27. Januar eine bundesweite Veranstaltung für nationale und internationale Beachtung des widerwärtigen Vorgehens der DB AG sorgen kann.

Siehe auch:

Die Deutsche Bahn AG verhindert weiterhin ein angemessenes Gedenken an deportierte jüdische Kinder
und Frühere Proteste für die Ausstellung 11.000 Kinder in Frankfurt
Allgemeine Informationen über die Ausstellung und die Reaktion der Bahn

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