Rede zur Anti-Nazi-Tagung am 26.5.2001

Ich spreche heute für das Antifaschistische Aktionsbündnis 1.Mai - Kein Naziaufmarsch. Dieses Bündnis aus einigen autonomen Antifa-Gruppen, antirassistischen und linksradikalen Gruppen gründete sich am 9.März diesen Jahres, um den Naziaufmarsch am 1.Mai in Frankfurt zu verhindern.

1. Mai in Frankfurt

Am 1. Mai haben mindestens 3.000 antifaschistische Demonstrantinnen und Demonstranten versucht den Aufmarsch der Freien Kameradschaften in Frankfurt zu verhindern. Kleinere Nazigruppen, die versuchten auf eigene Faust zum Kundgebungsplatz zu gelangen, wurden attackiert. Durch die Blockade der zentralen Zufahrtswege zur Bertramswiese sowie durch Angriffe auf U-Bahnen und Busse, welche die Neonazis transportierten, wurde deren Anfahrt verzögert und eine Atmosphäre der Unsicherheit für die etwa 1.000 militanten Nationalsozialisten geschaffen. Schließlich gelang es, trotz des massiven Polizeiaufgebots, die Demonstrationsroute zu besetzen und damit den geplanten Marsch zur Bundesbank zu verhindern. Dies alles stellt einen Erfolg für die antifaschistischen Kräfte in Frankfurt dar.

Trotzdem war der 1. Mai nur ein Teilerfolg. Wenn auch unter größeren Mühen als sie erwartet hatten, gelang es etwa 1.000 militanten Nationalsozialisten sich in Frankfurt zu versammeln. Danach wurden sie von der Polizei zu ihren Bussen aus der Stadt herauseskortiert. Den Weg dorthin nahmen sie in Reih und Glied. Von daher können die Nazis mit einer gewissen Berechtigung davon sprechen, daß sie in Frankfurt marschiert seien. Insbesondere für Nazis aus Frankfurt und Umgebung, stellt die Unterstützung durch 1.000 Kameraden wahrscheinlich eine gewisse Ermutigung dar.

Generell haben diese Aufmärsche die Funktion, Macht zu symbolisieren, und den Nationalsozialisten eine Aura von Unbesiegbarkeit zu geben .Gegner sollen eingeschüchtert, die eigene Anhängerschaft in der eigenen Haltung bestärkt werden. Die Nazis finden im militärischen Aufmarsch Erfüllung in der Ein- und Unterordnung in ein größeres Ganzes Sie inszenieren sich als soldatischen Stoßtrupp für die Volksgemeinschaft

Es war und ist richtig, zur Verhinderung der Nazikundgebung aufzurufen, und die Nazis überhaupt nicht in die Stadt kommen zu lassen. Es war und ist richtig, ihnen ihren "Kampf um die Straße" so schwer wie möglich zu machen, sie zu demoralisieren und zu entmutigen.

Wer die Zielrichtung dieser Tagung und zum Beispiel die Presseerklärung der Telefonkette gegen Rechts zum 1.Mai gelesen hat, kann den Eindruck gewinnen, daß am 1.Mai eine Volksfront von Petra Roth und der CDU bis zu den Autonomen gemeinsam gegen die Nationalsozialisten vorgegangen wäre, wahlweise wird die Stadtverwaltung und die Polizei in diese Sichtweise einbezogen. Diese Konstruktion einer großen Gesinnungsgemeinschaft soll das Bedürfnis nach Stärke und Mehrheit befriedigen, den Gegner isolieren und an den Rand der Zivilgesellschaft drängen, als die Störenfriede brandmarken, die den "Frieden" in der Stadt gefährden. Wieviel Realitätstauglichkeit hat diese Konstruktion?

Zum 1.Mai. Die Veranstaltungen am Römerberg und Willy-Brandtplatz und die Blockaden im Dornbusch waren zwei inhaltlich und praktisch verschiedene, konkurrierende Aktionen. Diejenigen, die von der Demonstration des DGB zum Dornbusch laufen wollten, wurden nicht nur von der Polizei daran gehindert. Jeder Aufruf zu Blockadeaktionen auf dem Willy Brandt Platz hätte sich gegen den erklärten Willen des DGB und des Römerbergbündnis durchsetzen müssen.

Die ganze Mobilisierung zur direkten Verhinderung wurde in erster Linie von uns, dem Aktionsbündnis 1.Mai - Kein Naziaufmarsch getragen und durchgesetzt, und dieser Mobilisierung schlossen sich viele Gruppen zum Teil spontan an. Sie war die einzige Mobilisierung in der Stadt, die real eine Anti-Nazi-stimmung gegen das lange Schweigen der sogenannten liberalen Medien wie Frankfurter Rundschau und Hessischer Rundfunk ermöglichte.

Sie war die einzige Mobilisierung, die frühzeitig und konsequent den Aufmarsch der Nationalsozialisten thematisierte und eine antifaschistische Gegenöffentlichkeit über Plakate, Internet, Kampagnenzeitung und mehrsprachige Flugblätter in fünfstelliger Auflage und Veranstaltungen schuf.

Es gab also keine gemeinsame Aktionsplanung, keine gemeinsame Mobilisierung, keine gemeinsamen Bündnisse.

Aufstand der Anständigen und Bündnispolitik

Zur Konstruktion der antifaschistischen Gemeinschaft: der Nazi als kleinster gemeinsamer Nenner, gegen den alle sind, das heißt das Zentrum der Gesellschaft, hat das Interesse, die Bündnischancen um jeden Preis zu erhöhen, jedem wirklichen Konflikt aus dem Weg zu gehen. Sie ist in Frankfurt bereit mit einer CDU zu paktieren, deren interner Rechtsradikalismus nur notdürftig von der offiziellen Hülle kaschiert ist. Sie ist bereit mit einer SPD zu paktieren, deren Spitzenmann Vandreike zu den Sozial- und Ordnungspolitikerriegen der städtischen Bürokratie gehört, die zum Beispiel für Abschiebungen, rassistische Ausweiskontrollen und Sozialhilfeentzug für Roma verantwortlich sind, für die Jugendarbeit in Frankfurt immer Prävention und Politik der Inneren Sicherheit bedeuten. Sie ist sich nicht zu schade, Politiker reden zu lassen. Deren erstes Anliegen ist, von der Nützlichkeit der Ausländer für Deutschland zu reden, sich also am nationalen Diskurs zu beteiligen. An solchen Bündnissen werden wir uns nicht beteiligen.

Seit letztem Sommer erlebt die Bundesrepublik unter Rot Grün einen "Aufstand der Anständigen" gegen rechte Gewalt, eine weitgehend von Medien und Regierungsinstitutionen vorangetriebene Kampagne. Von AOL bis AOK, von Bravo bis RTL sind "alle" gegen rechts. Eine Verständigung, war rechts ist, findet nicht statt, es ist hipp, gegen rechts zu sein, oder zumindest erscheint es so. Der Nazi ist das ausgemachte Feindbild, leicht zu erkennen an der Glatze, und in dieser bequemen Personalisierung erübrigt sich scheinbar jede politische Auseinandersetzung mit Antisemitismus, Rassismus, Reichsmythen, Nationalismus und autoritärem Denken. Tatsächlich sprechen die Fakten eine andere Sprache: rechtsextremistische Einstellungen unter gewerkschaftlich organisierten ArbeiterInnen, die verbreitete Einstellung, daß die Juden am Antisemitismus aufgrund ihrer Unversöhnlichkeit mit Schuld sind, daß endlich ein Schlußstrich gezogen werden müsse, es normal und unverkrampft wäre, stolz darauf zu sein, Deutsch zu sein, die Juden doch zuviel Einfluß hätten, usw. usf. Dies alles entspricht einer Stimmung, einem scheinbar liberalen und in letzter Konsequenz doch gefährlich angepassten, zum Vorurteil und Konventionalismus orientierten Einstellungen, die durch eine oberflächliche Outing-Kampagne nicht erreicht wird.

Im Gegensatz zur "Telefonkette gegen Rechts" sehe ich keine "neue Qualität demokratischer und antifaschistischer Zusammenarbeit". Im Gegensatz zu Eurer Darstellung waren die Aktionen vor Ort und die Kundgebung auf dem Willy-Brandt-Platz zwei verschiedene, ja miteinander konkurrierende, Veranstaltungen. Die Aktionen im Dornbusch zielten auf die direkte Verhinderung der Nazikundgebung. Die Kundgebung am Willy-Brandt-Platz appellierte weit ab vom Schuß an die staatlichen Institutionen, Nazi-Aufmärsche in Zukunft nicht zuzulassen. Dahinter stecken nicht nur zwei verschiedene Aktionsformen, sondern ein unterschiedliches Verhältnis zum Staat und zu seinen führenden Politikern. Krassester Ausdruck davon ist die Rede von Petra Roth las Oberbürgermeisterin und Vertreterin der CDU. Einer CDU die in den letzten Jahren nichts ausgelassen hat, um eine rassistische und nationalistische Stimmung in Deutschland zu fördern, in der Hoffnung davon bei Wahlen zu profitieren aus rassistischer Überzeugung. Wir finden, daß eine Petra Roth, die Linke und Rechte gleichsetzt, auf antifaschistischen Kundgebungen nichts zu suchen hat.

Auch sozialdemokratische Funktionäre, wie z.B. Achim Vandreike, halten wir nicht für angemessene Bündnispartner im Kampf gegen Nazis. Achim Vandreike ist als Ordnungsdezernent der Stadt Frankfurt für die rassistischen Kontrollen in der Frankfurter Innenstadt mitverantwortlich gewesen.

Auch unter rot-grün läuft die unmenschliche Abschiebemaschinerie weiter. Die Äußerung von Innenminister Schily, dem rosaroten Kanther, die "Belastungsgrenze der Deutschen mit Ausländern" sei erreicht, ist unvergessen, ebenso wie die de facto Abschaffung des Asylrechts unter Beteiligung der SPD.