Fantifa. Frankfurt

Im Folgenden wollen wir einige, unserer Haltung nach, sexistische und reaktionäre Vorkommnisse innerhalb der linken Szene (u.a. in Frankfurt am Main) aufgreifen.

Uns geht es hierbei nicht um einen moralischen Vorwurf, die Erzeugung schlechten Gewissen oder eine pädagogische Belehrung. Im Gegenteil: Wir wollen, dass dieser Diskurs politisch (!) ernstgenommen wird und nicht als persönlicher Angriff oder persönliche Betroffenheit gewertet wird. Uns geht es also darum, politisch sichtbar zu machen, dass Sexismus in verschiedenen Formen – als Witz, als subtiler Kommentar, als bestimmtes maskulines Männer*ideal, als Mansplaining,[1] als körperliche Performance uvm. – auch und immer wieder in der linken Szene auftaucht. Die linke Szene stellt hierbei leider nicht immer einen emanzipatorischen, anderen – wenn es den überhaupt geben kann – Ort zur bürgerlichen Gesellschaft dar. Wir wollen hiermit auch keine Generalisierung an alle Menschen der Szene betreiben, gleichzeitig können wir die Vorkommnisse aber auch nicht als Ausnahmen darstellen, da sie dafür leider viel zu häufig stattfinden und – und das verwundert uns – oft keine politischen Konsequenzen gezogen werden.

„ACAB“

Bastard soll als Beleidigung gegenüber Polizist*innen offenkundig ausdrücken, dass sie minderwertig sind. Selbstverständlich geben Polizist*innen und besonders deren Struktur tagtäglich legitimen Anlass, sie zu beleidigen. Aber warum ist „Bastard“ eine Beleidigung? Und warum ist es DIE Beleidigung der linken Szene? Der Ausspruch ACAB („All cops are bastards“) wurde innerhalb der Linke schon oft kritisiert. Umso mehr wundert es uns, dass er sich (immer noch) großer Beliebtheit erfreut: Sowohl in Form von bunten Luftballons (z.B. bei einer Soliparty im KoZ), im Mosaik an der Bar im Klapperfeld, als Ausruf bei Demos oder anderen Aktionen oder als gängige Beleidigung gegenüber Polizist*innen auf Facebook oder in linken Texten.
Was heißt das eigentlich, Bastard?
Bastard ist eine Bezeichnung für ein uneheliches Kind. Der Begriff war lange Zeit negativ konnotiert, was mit der Verwendung als Beleidigung gegen Polizist*innen bestärkt und erhalten wird. Eine Frau*, die ein Kind von einem Mann* bekam, der nicht ihr Ehemann* war, galt viele Jahrhunderte lang als Schlampe (negativ gemeint), als ehrenlos, als hinterlistig, untreu usw.; das fasst z.B. Schiller schon für das 18. Jahrhundert zusammen: „der thron von England ist durch einen bastard entweiht, der Briten edelherzig volk durch eine listge gauklerin betrogen.“[2]
Zusätzlich bezeichnete der Begriff immer auch eine sog. „Mischform“, etwas „unreines“, was sich in dieser Verwendung ebenso seit dem 18. und 19. Jahrhundert findet. So hielten die Brüder Grimm fest, dass „[…] bastart überhaupt auf gemischte und unechte sachen anwendung findet“[3] Die negativen Konnotation von unehelichen Kindern als „unrein“, schrieb sich in der deutschen Geschichte fort: So wurden nach dem 1. Weltkrieg Kinder von sog. einheimischen Frauen*, meist weißen Frauen* und männlichen Soldaten der französischen Kolonien in Afrika, von denen einige das Rheinland eingenommen hatten, als „Rheinlandbastarde“ bezeichnet.[4] Diese Kinder und ihre Mütter* waren starken Diskriminierungen ausgesetzt.
Was die materielle Wirkung der negativen Konnotation von sog. „Unreinheit“ und „Gemischtheit“ von Menschen betrifft, zeigte sich im deutschen Nationalsozialismus: Hier wurden vor allem Kinder jüdischer Eltern als „unreine Bastarde“ stigmatisiert, sowie Kinder von Sexarbeiter*innen und unverheirateten Frauen*, Kinder von nicht-deutschen Frauen, Kinder mit sog. Behinderungen und nicht-weiße Kinder. All diejenigen, die im NS als Bastard beschimpft wurden, wurden gedemütigt, misshandelt und in aller rassistischsten Konsequenz vernichtet.
Der Begriff bezieht sich neben der rassistisch subjektivierenden Zuschreibung auch auf einen Aspekt, der aus einer linken Klassenperspektive eher bekämpft als befördert werden muss. Denn ein Bastard war immer auch ein Kind, welches aus einem sog. „Mischverhältnis“, was den Klassenstandpunkt betrifft, entsprang. So wurde bspw. ein Kind eines adeligen Mannes* und einer proletarischen oder bäuerlichen Frau* als Bastard bezeichnet. Es war noch Ende des 20. Jahrhunderts undenkbar, ein Kind aus einem solche sog. „Mischverhältnis“ innerhalb des Adels oder des Bürgertums zu akzeptieren. Sie waren aus diesen Kreisen immer ausgeschlossen.
Der Begriff ist augenscheinlich zudem, in seiner Verwendung als Beleidigung, ein (hetero)sexistischer und in sexueller Hinsicht reaktionärer Begriff. Wenn es eine Beleidigung ist, dass Du das Kind unverheirateter Eltern bist oder wenn Deine unverheiratete Mutter mit dem Begriff Schlampe gedemütigt werden soll, wenn sie Dich „ohne Mann“ zur Welt bringt oder Deine Eltern verschiedene Staatsbürger*innenschaften haben, dann ist das schlichtweg reaktionär, antifeministisch und nicht links. Denn wer kann – außer aus guten Gründen des Aufenthaltsstatus oder taktischen Gründen, die auf die Abschaffung derselben hinzielen – innerhalb der Linken tatsächlich die Ehe verteidigen? Einen „Bund für das Leben“ vor Staat und Kirche zu schließen heißt nicht nur, die eigene reaktionäre Spießigkeit festzuzurren, sondern auch, der biopolitischen Regulierung der eigenen Lust, des Begehrens und der Identität durch Staat und Kirche nicht nur mehr oder weniger freiwillig[5] zuzustimmen, sondern auch noch zu bejaen.
Wer kann also vor diesem Hintergrund – und hierfür gibt es schlichtweg niemals Gründe – tatsächlich einen Begriff wie „Bastard“ benutzen, der die rassistische und sexistische Ideologie von Reinheit – sexuell, körperlich und politisch – verteidigt?
So ist es nicht verwunderlich, dass ACAB auch unter (Autonomen) Nationalist*innen und weiteren völkischen Gegner*innen des deutschen Staates  verbreitet ist!

Bei unmittelbaren Versuchen, auf die sexistische und reaktionäre Bedeutung dieses Ausspruchs hinzuweisen, reagierten sogenannte Genoss*innen oft verteidigend oder abwehrend. Abstruse Argumentationen, wie bspw. man habe es hier mit einer „linken Tradition“ zu tun, durch die schon lange viele Linke zusammen gefunden hätten oder der Ausspruch wäre nun mal überall/international zu verstehen und/oder das Wort „Bastard“ stelle doch einfach nur eine neutrale Beleidigung dar….
Folgt man dieser Logik, handelt sich hier anscheinend um einen linken Konsens, der nicht gebrochen werden soll. Ein linker Konsens, den man Sexismus nennen muss, der leider tatsächlich überall zu verstehen ist. Oder warum ist hier die so oft hochgehaltene, vermeintliche Begriffsarbeit plötzlich nicht mehr wichtig?
Es geht hier also um eine weitreichendere Aussage, als möglicherweise oft angenommen wird. Falls eine Linke emanzipatorisch sein will – also ihrem Begriff nach überhaupt links sein will und im besten Falle queer – dann muss klar sein, dass solche Aussagen zum einen reaktionären Schwachsinn reproduzieren und zum noch produktiv für deren Weiterbestehen sorgen, statt religiöse und völkische Moral abzuschaffen und für queere Lustfreund*innenschaft zu kämpfen: „shluss mit der guten und der shlechten frau. diese trennung hat uns zu oft guten sex versaut“ (Sookee).

„Hure“, „Hurensohn“, „Bitch“, „Schlampe“

Aus ähnlichen Gründen reaktionär sind Begriffe wie Schlampe, Bitch, Hurensohn oder Hure, wenn sie als Beleidigung fungieren. Diese Begriffe, genauso wie ACAB, wollen wir nicht an sich ablehnen oder verbieten, stattdessen lehnen wir ihre Verwendung als Beleidigung statt als positive Selbstbezeichnung oder als reflektierte Dekonstruktion ab! Es geht also nicht einfach nur darum, diese Begriffe grundsätzlich einer sprachlichen Verwendung zu entziehen, sondern einen kritischen Umgang mit ihnen zu finden, der es ermöglicht, gesellschaftliche Machtverhältnisse offen zu legen und anzugreifen, die sich u.a. in diesen negativ verwendeten Begriffen manifestieren. Eine Praxis der Aneignung und Umdeutung solcher Begrifflichkeiten ist daher je nach Kontext und Subjektposition ein politisch notwendiger Akt.

„Hurensohn“

U.a. bei einer Soliparty am im Sommer 2016 im Klapperfeld schrie ein Typ laut, so dass es alle Anwesenden auf der Tanzfläche hören mussten, „Hurensohn“. Es wird darauf angesprochen, was der scheiß solle und fühlt sich offensichtlich provoziert und/oder ist genervt.
Parallel zu dieser Situation lief in der Sushibar bestimmter Rap, der selbstverständlich mit diesen Begriffen operierte, ohne sie zu kritisieren, zu zerstören oder positiv anzueignen,[6] was diese Intervention von außen betrachtet fast zynisch wirken ließ.
Von dem Typ und seinen zwei „Genossen“ wurde denjenigen Personen, die sie auf das „Hurensohn“ ansprachen entgegnet, sie sollten sich mal „entspannen“ und nicht so hysterisch sein. Abgesehen davon, dass die Entgegnung nicht hysterisch sondern aggressiv war, ist dies ein lächerlicher Versuch, Frauen*, die wütend sind und dies nicht auf liebliche oder freundliche Weise zum Ausdruck bringen, in eine Klischee-Rolle von Frau*-Sein zurückzudrängen. Wenn Frauen* in ihrem Klischeebild nicht rational und demnach nicht an öffentlichen politischen Debatten teilhaben können, dann muss ihre Aneignung und ihre Behauptung als rationale, politische Personen als bspw. hysterisch pathologisiert werden. Daher war nicht nur der Ausruf „Hurensohn“ reaktionär, sondern auch die Reaktion auf die Entgegnung darauf. Denn diese zeigte, dass es scheinbar klar vorherrschende Rollenbilder innerhalb der Linken gibt, innerhalb welcher Frauen* sich „nicht so aufzuregen“ haben und lieber schön ihre Klappe halten mögen. Hier wurden sexistische Zuschreibungen reproduziert. Radikaler Feminismus, der sich auch in der Praxis behauptet, wird als Spielverderber*in dargestellt.
Derselbe Typ, der Hysterie unterstellte, bezeichnete auf einem Barabend von uns einen schwarzen Typen, den wir aufgrund eines sexistischen Vorfalls seinerseits aus dem Klapperfeld schmissen mit dem N-Wort. Auch dieser vermeintliche Genosse musste daraufhin gehen.
An dieser Stelle fragen wir uns wirklich, warum so etwas innerhalb der Szene geduldet wird und keine ersichtlichen Konsequenzen hat?
Wir wollen keinen moralisch besseren Standpunkt beziehen. Grundsätzlich geht es hier in keinster Weise um Moral als bürgerliche Kategorie des „besser Wissens“ und „Belehrens“.  Es geht um eine politische Kritik. Eine Kritik daran, dass eine Linke, die heterosexistische Performances in ihren Kreisen duldet den Anspruch links zu sein nicht nur völlig verfehlt: sie ist es dann, wenn sie Sexist*innen duldet, schlichtweg nicht, sondern reaktionär.

„We want and must say that we are all housewives, we are all prostitutes, and we are all gay, because as long as we accept these divisions, and think that we are something better […] we accept the logic of the master. (Silvia Federici)

[1] Mansplaining ist ein Begriff, der auf die Schriftstellerin Rebecca Solnit zurückgeht. Er beschreibt die Momente, in denen Männern* Frauen* die Welt erklären, ungeachtet dessen, ob sie – die Männer* –  Ahnung von dem jeweiligen Thema haben oder nicht.
[2] Schiller. In: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Bd. 1, Sp. 1150 bis 1151.
[4] Vgl.: http://www.zeit.de/1980/42/keiner-hat-hoeren-wollen.
[5] Klar ist, dass in kapitalistischen Verhältnissen, die uns in Gänze subjektivieren, kaum irgendetwas gänzlich freiwillig ist, im Verhältnis jedoch zu Staaten, in denen die Zwangsehe Millionen junger Mädchen in ein grausames Leben knechtet, stellt sich die Frage, wie sich hierzulande Menschen ohne offenkundigen Zwang und Gewalt, zur Ehe entschließen.
[6] Wir meinen hier, dass nicht jede*r Musiker*in, die solche Begriffe verwendet an sich reaktionär ist, sondern dass es auf den Kontext, die ästhetische und politische Verwendung ankommt. So gibt es bspw. bei Fler, Bushido & Co kein Spielraum für progressive „Huren“, während Brooke Candy, Zugezogen Maskulin, Sookee oder Niki Minaj solche Begriffe in ganz unterschiedlicher Weise dekonstruieren oder neu verwenden.

Der Text erschien zuerst hier.