Seit einigen Wochen tauchen in vielen Stadtteilen Frankfurts Aufkleber der sogenannten Jungen Bewegung (JB) auf. In einer Frankfurter U-Bahn prahlte eine Personengruppe, dass am Folgetag irgendwas in der Stadt passieren solle. Mehr als ein paar verklebte Sticker und Fotos im Netz steckte nicht hinter der vermeintlich krassen Aktion. Es ist symptomatisch, dass solche Aktivitäten als große Aktion mit dementsprechender Veröffentlichung bezeichnet werden. Content für soziale Netzwerke – und natürlich zur Selbstbespaßung einer fiktiven Bewegung und deren AnhängerInnen. Auch das Aufhängen eines Banners in Braunschweig oder das kurze und nur wenige Minuten andauernde ausrollen eines Transparents in Frankfurt bei einer sog. „Hygienedemo“ mit dem selben Label, ändert nichts an der sehr simplen aber aufsehenerregenden Form der politischen Aktivität. Dahinter steckt vielmehr das Kalkül mit wenig Aufwand und Personen möglichst viel Aufmerksamkeit zu generieren, damit Medien berichten und die „Aktion“ bildlich reproduzieren. Aufmerksamen Leser*innen wird dieses Prinzip bekannt vorkommen: Es gleicht dem Stil, mit dem sich die Identitäre Bewegung (IB) vor wenigen Jahren in Deutschland prominent in Nachrichten und Medien platzierte.
Junge, Identitäre „Bewegung“
Im April strahlte die ARD den Tatort „National feminin“ aus, der sich mit der IB auseinandersetzt. Er behandelte einen Mord an einer rechten Videobloggerin, welche im Film in der sogenannten Jungen Bewegung organisiert ist – also das Synonym zu IB. Bereits am Tag vor der Ausstrahlung verabredeten diverse Personen der IB und Personen aus deren Umfeld auf dem Nachrichtenportal Discord, Accounts mit dem fiktiven Label zu erstellen. Unter diesem hetzen sie mit den rund 50 neu gegründeten Accounts gegen die Schauspielerin Florence Kasumba und versuchten mehr schlecht als recht einen rechten Shitstorm gegen sie zu befeuern. Auf den weiterhin bestehenden Accounts nutzen sie das von den Tatort-Macher*innen entworfenen Logo und Label, welches dem der IB entlehnt ist. Als content dienen die selben rassistischen Parolen und sharepics, wie auf den Kanälen der IB. Gleichzeitig ging ein Internetshop der JB Hessen online, der Merch wie Tassen, T-Shirts und natürlich Sticker anbietet.
Das „Kapern“ des JB-Labels wirkt bisweilen wie eine Hoffnung die letzten Überbleibsel und die Aufmerksamkeit die einst der IB zugute kam, zu retten. Der Hype um die Identitären scheint mittlerweile abgeebbt zu sein und ihr Projekt ist quasi am Ende, was nicht zuletzt durch deren Auszug aus dem Hausprojekt in Halle symbolisiert wird. Nachdem es aus verschiedenen Lagern zu Recht häufig Kritik am Umgang der Medien mit solchen Aktionen gab, scheinen diese mittlerweile einen angebrachteren Weg gefunden zu haben mit den vermeintlich skandalösen Aktionen umzugehen. Durch die Berichterstattung über die Aktionen spielten die Medien der extrem Rechten in die Hände und die inszenierten Aktionen erfahren eine unnötig große Öffentlichkeit. Dahinter steht die Medien-Strategie der IB, in Diskurse zu intervenieren und sie zu dominieren. Deren Ziel ist es, den Ausgang der Diskurse mitzubestimmen und die Ideologie der extreme Rechten in einen sagbaren Rahmen zu verschieben.
Reproduktion, Dekonstruktion?
Drei Stapel Sticker verkleben und ein Transparent bei einer Demonstration ausrollen sind wahrlich kein Indiz für eine Struktur, gar für eine Bewegung. Die Idee auf den Tatort-Zug aufzuspringen ist dabei weder sonderlich kreativ noch innovativ. Demnach zeigt sich die ganze Banalität der „Cut and Paste“-Generation bei dem selbst erklärten Leiter der JB Hessen. Felix Straubinger wurde bereits in der September-Ausgabe (2019) der Autonome Rhein-Main Info – Swing vorgestellt. Bereits damals wurde ihm zugeschrieben Aufkleber produziert und verbreitet zu haben, die inhaltlich der IB nah stehen. Straubinger tritt nun in den sozialen Medien als Leiter der Jungen Bewegung Hessen auf und scheint in dieser Rolle auch einige der Accounts zu pflegen. Er studiert an der TU in Darmstadt Geschichte im Bachelor und ist aktiver Fan der Eintracht Frankfurt. Außerdem tritt er auf dem rechten Portal enuffpost als Autor auf und ist bereits letztes Jahr gemeinsam mit Bewohnern der extrem rechten Burschenschaft Germania in Marburg zum Sommerfest der IB in Halle gereist.
Nun tauchte er mit drei weiteren Personen, die laut deren Postings dem Umfeld der Jungen Bewegung Hessen zu zu ordnen sind, am 30.05.2020 mit einem Transparent auf einer der aktuell wöchentlich statt findenden „Hygienedemos“ in der Frankfurter Innenstadt auf. Ähnlich wie bei der IB wird der Auftritt der vergleichbar kleinen Gruppe ganz groß im Internet geteilt, obwohl sie mit dem Banner weniger als drei Minuten auf der Kundgebung zugegen waren. Die Strategie dahinter ist bekannt, das Label austauschbar. Es bleibt nur zu hoffen, dass sie dieses mal von Beginn an im luftleeren Raum verpuffen, was auch vom Umgang der Medien und der Linken mit der Gruppe abhängig sein wird.