Redebeitrag der Antifaschistischen Basisgruppe, gehalten auf der Kundgebung zum zweiten Jahrestag des Anschlags von Halle am 9. Oktober 2021.
Wir gedenken heute Jana L. und Kevin S. Beide wurden vor genau zwei Jahren bei einem antisemitisch und rassistisch motivierten Anschlag in Halle ermordet. Der rechte Attentäter hatte versucht, an Jom Kippur in eine Synagoge einzudringen und scheiterte an dem Selbstschutz der jüdischen Gemeinde in Form einer massiven Holztür. So wurde nur knapp ein antisemitischer Anschlag verhindert, der wahrscheinlich einer der blutigsten seit der Befreiung vom deutschen Faschismus hätte werden können.
Als der rechte Attentäter in der Synagoge scheiterte, ermordete er die Passantin Jana L. sowie Kevin S., der gerade Gast im „Kiez Döner“ war. Wir gedenken heute der beiden sowie aller Opfer von faschistischem Terror und rechter Gewalt.
Der Täter in Halle hat wahrscheinlich auf eigene Faust gehandelt, doch er war auf jeden Fall kein Einzeltäter. Rechte Gesinnungsmörder wie er sehen sich als Teil einer globalen rechten Bewegung. Christchurch, El Paso, Dayton, Pittsburgh, Atlanta, Halle und Hanau — all diese Namen sind Sinnbilder geworden für eine Kontinuität nach den verheerenden Anschlägen in Oslo und auf Utøya vor über 10 Jahren, mit denen sich ein neuer rechter Tätertyp herausgebildet hat.
Diese neuen rechten Gesinnungsmörder sind allerdings keine „einsamen Psychopathen“, die unabhängig von gesellschaftlichen Entwicklungen handeln, wie es öfters in der bürgerlichen Presse dargestellt wird. Es ist kein Zufall, dass diese internationale Welle rechten Terrors parallel zum globalen Vormarsch von sogenannten „Rechtspopulisten“ und der selbsternannten „Neuen Rechten“ entstanden ist. Die rechten Täter führen letztendlich das aus, was andere auf der Straße, in Medien und Parlament ideologisch vorbereiten. Denn die letzte Konsequenz jeder rechten Ideologie ist das Morden. Das wahnhafte und unerreichbare Ziel einer homogenen Volksgemeinschaft lässt sich nur über die rassistische Vertreibung, Internierung, Deportation und Ermordung von Millionen von Menschen verfolgen. Dem reaktionären Ideal der heteronormativen Kleinfamilie lässt sich nur nacheifern mit Hilfe von Feminiziden und patriarchaler Gewalt. Und hinter jeder Verschwörungsideologie, mit deren Hilfe sich Rechte als Opfer von vermeintlichen dunklen Machenschaften kosmopolitischer Mächte inszenieren, lauert ein antisemitisches Pogrom.
Wir können rechten Terror nicht bekämpfen, wenn wir nicht jene angreifen, die den rechten Tätern ihr gesellschaftliches Fundament bieten, auf dessen Grundlage sie ihre Anschläge ausführen, und das ihnen zur Legitimation dient. Und diese Legitimation hat ihnen PEGIDA gegeben, als Tausende ihren unverhohlenen Rassismus auf die Straße getragen haben. Diese Legitimation gibt ihnen heute Querdenken, wo offen Verschwörungsmythen und Antisemitismus gepredigt werden. Diese Legitimation geben ihnen Ideologen wie Götz Kubitschek und das Institut für Staatspolitik, die noch jede Menschenverachtungen pseudo-philosophisch zu unterfüttern versuchen. Diese Legitimation geben ihnen die ganzen rechten Medien, die mit Lügen und Falschbehauptungen ihre Ideologie in die Welt hinausposaunen. Und die Legitimation für rassistischen und antisemitischen Terror gibt den faschistischen Tätern nicht zuletzt die AfD.
Die AfD, die sich 2013 als Sammelsurium von nationalliberalen Sozialchauvinisten gegründet hat und sich seitdem immer weiter faschisiert hat. Jene AfD, in der die Shoah als „Vogelschiss in der Geschichte“ und das Holocaust-Denkmal in Berlin als „Denkmal der Schande“ bezeichnet wird. Jene AfD, in der man Geflüchtete an europäischen Grenzen ertrinken lassen oder gleich erschießen will. Jene AfD, die immer häufiger offen auftretende Neonazis bei Wahlen aufstellt und in der der Faschist Björn Höcke als Mitte der Partei gilt. Die AfD ist schon seit langem die natürliche politische Heimat, nicht nur von Kameradschaftsnazis, Reichsbürger*innen und militanten Corona-Leugner*innen, sondern auch von Rechtsterroristen.
Denn die AfD propagiert nicht nur die zentrale Verschwörungsideologie des vermeintlichen „Großen Austausch“, auf die sich nahezu alle Rechtsterroristen der Gegenwart beziehen. Nein, sie hat auch personelle Verbindungen zu den Tätern: Der Mörder von Walter Lübcke ging der AfD beim Plakatieren zur Hand. Der Brandstifter, der in Frankfurt, Hanau und Schwalbach mehrere linke Projekte angriff, hat Geld an die AfD gespendet. Und der hessische AfD-Bundestagsabgeordnete Jan Nolte beschäftigte sogar einen Kumpel des Rechtsterroristen Franco Albrecht als Mitarbeiter.
Zu allem Überfluss hält diese Partei heute, am zweiten Jahrestag des Anschlags von Halle ihre hessische Landesdelegiertenkonferenz in der Stadthalle von Zeilsheim hier in Frankfurt ab. Dass die AfD heute in Zeilsheim, in einem städtischen Gebäude und gleich neben dem Ort, wo sich nach 1945 das DP-Lager Zeilsheim befand, tagen kann, ohne mit Gegenwind aus der städtischen Politik rechnen zu müssen, ist unerträglich.
Denn die AfD liefert das ideologische Fundament für faschistische Anschläge. Sie ist die parteipolitische Heimat der rechten Täter und der parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus in Deutschland. Andere drücken vielleicht den Abzug. Aber die AfD hat mitgeschossen — in Kassel, in Hanau und in Halle!