Redebeitrag der Antifaschistischen Basisgruppe, gehalten auf der Kundgebung am 28. Oktober 2021 auf dem IG-Farben Campus der Goethe-Universität.

Es ist notwendig, ein deutliches Zeichen gegen die Akzeptanz eines Faschisten an der Goethe-Uni zu setzen. Eines Faschisten, der rechte Terroranschläge geplant, eine militärische Ausbildung durchlaufen hat und wahrscheinlich bis heute im Besitz von illegalen Waffen ist. Dieser Mann, Franco Albrecht, ist trotz der gravierenden Vorwürfe bis heute auf freiem Fuß und zu allem Überfluss an der Goethe-Uni seit drei Semestern als Jura-Student immatrikuliert. Allein seine Anwesenheit auf dem Campus ist eine Bedrohung für eine große Zahl der Studierenden und Mitarbeiter*innen der Universität.

Das heißt konkret, dass sich alle People of Color, Jüd*innen, Schwarze Menschen, Sinti*zze und Rom*nja, Frauen, Lesben, Inter- und trans Personen, nonbinäre und agender Menschen, Schwule und Queers, behinderte Menschen, obdachlose Menschen, Linke und Antifaschist*innen auf dem Campus nicht mehr sicher fühlen können, solange dieser Faschist hier als Student geduldet wird. Und das ist nur möglich, weil die deutschen Sicherheitsbehörden — weil Verfassungsschutz, Polizei und Justiz — mal wieder in der Bekämpfung von rechtem Terror in diesem Land versagen.
Denn schon in der Vergangenheit ist deutlich geworden, dass auf den deutschen Staat kein Verlass ist, wenn es um die Aufklärung und Verhinderung von rechten Verbrechen geht.Das deutlichste Beispiel dafür haben uns die Ermittlungen und die Gerichtsverhandlung rund um den NSU-Komplex gegeben. Denn vor 10 Jahren, am 4. November 2011, musste sich der sogenannte „Nationalsozialistische Untergrund“ erst selbst enttarnen, damit die zehn Morde, 43 Mordversuche und 15 Raubüberfälle der Faschisten und Faschistinnen überhaupt ins Visier der Ermittlungsbehörden gerieten. Die Aneinanderreihung von offenem Rassismus, bewusster Verschleierung und purer Inkompetenz, die dabei ans Licht gekommen ist, bleibt bis zum heutigen Tag schockierend und sollte jedes Vertrauen in die sogenannten Sicherheitsbehörden grundlegend erschüttern.

So zeigen interne Dokumente, dass der Verfassungsschutz spätestens seit 2002 von der Existenz des NSU gewusst haben muss. Doch auch schon davor hielt der Verfassungsschutz sein Wissen zu den untergetauchten Nazis zurück und gab  nur Bruchteile seiner konkreten Hinweise an die Polizeibehörden weiter. Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: mit seinem Wissen hätte der Verfassungsschutz wahrscheinlich alle 10 Morde des NSU verhindern können. Die nötigen Informationen zur Festnahme der Nazis waren offensichtlich vorhanden. Stattdessen wurde sich aber auf ein System von bezahlten Nazis, sogenannten V-Personen, zur vermeintlichen Kontrolle der Rechtsterroristen verlassen. Diese V-Personen nutzten das Geld und ihr Wissen jedoch zum Aufbau der rechten Szene und führten so erst zur Existenzsicherung des Terrornetzwerks NSU. Bis heute stellt sich der Verfassungsschutz jedoch dumm, schweigt selbst in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und hält zentrale Akten zurück, wenn er diese nicht schon längst vernichtet hat.

Doch auch die Polizei hat mit ihrem institutionellen Rassismus die rechte Terrorserie erst ermöglicht. Denn von Anfang an wurde Rassismus als Mordmotiv in allen Fällen ausgeschlossen. Man könnte sagen, die Polizei war zu rassistisch, um rassistische Morde als solche zu erkennen. Beispielhaft dazu soll hier aus einer operativen Fallanalyse  der Polizei vom 30. Januar 2007 zur sogenannten Ceska-Mordserie des NSU zitiert werden:


Vor dem Hintergrund, dass die Tötung von Menschen in unserem Kulturraum mit einem hohen Tabu belegt ist, ist abzuleiten, dass der Täter hinsichtlich seines Verhaltenssystems weit außerhalb des hiesigen Normen- und Wertesystems verortet ist.

Operative Fallanalyse der Polizei vom 30. Januar 2007

Die Polizei will also sagen, dass Morde wahrscheinlich nur von Menschen aus nicht-deutschen Kulturen begangen werden können. Dieser offene Rassismus ist jedoch scheinbar nicht nur niemandem bei der Polizei aufgefallen — nein, die verantwortlichen Polizist*innen hielten diese rassistische Analyse sogar für so plausibel, dass sie diese zur Ermittlungsgrundlage machten. Und das ist nur ein einziges Beispiel des offenen polizeilichen Rassismus, der sich durch die gesamten Untersuchungen zum NSU-Komplex zieht.

Zuletzt noch die deutsche Justiz: Die Generalbundesanwaltschaft versteifte sich von Beginn an im Prozess auf ihre Trio-These. Sie ging also davon aus, dass lediglich Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos Teil des NSU waren. Dabei ignorierte sie jegliche Hinweise darauf, dass der NSU vielmehr ein Netzwerk als nur ein Trio war. Alle Versuche der Nebenklage, die Nazistrukturen aufzudecken — Nazis, die das Abtauchen und das tägliche Leben im Untergrund organisierten; Nazis, die Mordopfer und Anschlagsorte ausspähten; Nazis, die die Finanzierung und Waffen besorgten — all diese Aufklärungsversuche wurden von der deutschen Justiz im Keim erstickt. Damit kamen die zahllosen Helfer und Helfershelfer des NSU ungestraft davon.

Und Franco Albrecht? Er ist trotz Terrorplänen und illegaler Bewaffnung auf freiem Fuß. Wer glaubt, dass die deutschen Unsicherheitsbehörden uns vor solchen gefährlichen Faschisten schützen, muss nur einen Blick in die Vergangenheit auf den NSU-Komplex werfen: Der Verfassungsschutz schützt vor allem seine Nazi-Schützlinge, die Polizei ist eine durch und durch rassistische Institution und deutsche Gerichte und Staatsanwaltschaften behindern jede umfassende Aufklärung von Nazinetzwerken und verharmlosen diese als Einzelfälle.

Wer so einen Staat hat, dem bleibt nur die antifaschistische Selbstorganisierung.