Über Linksradikale, ihren Sexismus, die fehlenden Auseinandersetzungen und Konsequenzen in Frankfurt und darüber hinaus
Was passiert ist
Am Wochenende wurde in verschiedenen feministischen Telegramgruppen eine Nachricht verschickt, in der eine Betroffene einen Vorfall schildert, bei dem sie unvermittelt von einem Mann in einer Offenbacher Kneipe geohrfeigt wurde. Sie beschreibt, wie sie daraufhin erst die Kneipe verlässt – um sich anschließend zu fragen, warum sie diejenige ist, die abzieht obwohl er eine Grenzüberschreitung begangen hat. Also kehrt sie zurück und fordert ihn zum Gehen auf. Props an dieser Stelle für das Öffentlichmachen der Geschichte, deinen Mut und dein Handeln! Ohne diese Nachricht wäre dieser Text wahrscheinlich nicht entstanden.
Warum das nicht überrascht
Besagter Mann, welcher vergangene Woche eine Frau geschlagen hat, wird es sicherlich schaffen, sich im Nachhinein zu inszenieren. Als Feminist und als Betrunkener, der jetzt ganz nüchtern betrachtet gar nicht weiß, wie so etwas passieren konnte. Er kündigte scheinbar bereits großspurig an, sich zurück ziehen zu wollen und das für sich aufarbeiten zu wollen. Alles schön und gut. Doch sowohl diese Ankündigung, als auch sein Verhalten stehen beispielhaft für Muster und Strukturen, die sich über Jahre in der linksradikalen Szene festgefahren haben und über die viel zu wenig diskutiert und gestritten wird. Bewusst wird hier nicht das Verb gesprochen gewählt. Denn: es gab und gibt seit jeher Frauen, die euch vor solchen Typen warnen. Die euch auf problematische Verhaltensmuster aufmerksam machen, euch in Zwie-Gesprächen damit konfrontieren, warum ihr solche Personen weiterhin verteidigt, warum ihr nichts sagt, wenn Frauen mal wieder Dominanz und Bissigkeit vorgeworfen wird. Bei Männern ist es kein Problem, aber wehe ein selbstbewusste Frau stellt sich hin und wagt es auch noch mackriges Verhalten zu kritisieren. Hier scheint jedoch eher zu gelten: don‘t shoot the messenger.
Die Frage danach, warum es zu solchen Verteidigungen kommt, ist nicht schwer zu beantworten – eigene Unterwürfigkeit vor den Szenegockeln, eigenes diskriminierendes Verhalten gegenüber Frauen, das man dann ebenfalls in Frage stellen müsste. Sucht euch was aus. Aber hört auf, anderen Personen ellenlange Erklärungen vor zuhalten, über Dinge die ihr wisst und Halbwahrheiten, die von euch zu Tatsachen werden. Setzt eure ach so pro-feministische Praxis doch mal in die Tat um. Stellt euch nicht immer hin und plappert den aktuellen Szenegossip nach. Sondern handelt: distanziert euch von misogynen Aussagen, problematisiert sie, stellt sie bei euch und anderen Typen in Frage. Auch mit dem Risiko, damit nicht ernst genommen zu werden. Vielleicht hilft es euch, sich damit in Frauen hinein zuversetzen. Zu verstehen, was für eine Mühe und Kraft es jeden Tag kostet, sich von diskriminierendem Verhalten abzugrenzen. „Nein“ zu sagen; i“ch kann das selbst“, „ich weiß das selbst“, „du brauchst mir das nicht zu erklären“.
Was fehlt
Was fehlt ist eine Auseinandersetzung mit solchen Themen. Ist ein ernstnehmen solchen Verhaltens als die Diskriminierung, die es ist: Sexismus. Dass auch Linke nicht davor gefeit sind, ist keine Neuigkeit. Was fehlt ist eine Auseinandersetzung mit dem Thema Sexismus in der Linken. Und zwar nicht auf der Ebene, dass linke Männer ganz große Augen bekommen, wenn sie von Erfahrungen berichtet bekommen. Ganz betroffen zu Boden schauen, ganz still werden, sagen wie schlimm das alles ist und wie wichtig Kritische Männlichkeit ist. Auch wenn du zehnmal ankündigst, dass du dich jetzt „mit solchen Themen“ ganz viel auseinandergesetzt hast – für uns wird sich erst etwas ändern, wenn du es in die Tat umsetzt. Das fängt im Alltag an, wie du mit Frauen umgehst und endet dort, wo in der politischen Praxis eine Umsetzung stattfindet.
Ohne die Befreiung der Frau keine Revolution.
P.S. Vor einigen Jahren gab es eine kleine textliche Auseinandersetzung mit Sexismus in der linksradikalen Szene Frankfurts. Im folgenden sind die Texte dokumentiert, welche sich teilweise aufeinander beziehen.
ACAB-warum-bastard-nicht-das-problem-ist
ak069 sexismus-in-der-linksradikalen-szene
Quelle: de.indymedia.org