Auf der Seite von „Aufklärung statt Verschwörungsideologien“ (ASVI) ist ein Rückblick auf die Aktivitäten und Entwicklungen der Corona-Rechten in Frankfurt im Februar erschienen:
In diesem Update werfen wir einen Blick auf die Entwicklungen bei den Demonstrationen der Corona-Rechten in Frankfurt in den vergangenen Wochen. Kurz zusammengefasst: Die Anzahl der Teilnehmenden geht zurück, das Aggressionspotential nimmt derweilen zu, neue Gruppen und Strömungen stellen sich auf und über sinnentleerte „Faschismus“-Vorwürfe gegen Staat, Konzerne und selbst gegen antifaschistische Aktivist*innen versucht man sich als Freiheits- und Widerstandsbewegung zu inszenieren.
Klar ist, dass wir in diesem Text nur schlaglichtartig einzelne Aspekte beleuchten und keine umfangreiche Analyse der Demonstrationen der letzten Wochen bieten können. Wir freuen uns daher wie immer über Kommentare und Ergänzungen!
Stagnation und Aggression
Grundsätzlich befinden sich die Proteste der Corona-Rechten in Frankfurt derzeit in einer Phase der Stagnation. Die samstäglichen Aufrufe mobilisieren wöchentlich knapp 2000 Personen und bleiben damit deutlich unter den Teilnehmer*innenzahlen vom Januar. Die Demonstrationen wochentags erreichen zurzeit nur an Montagen überhaupt noch dreistellige Zahlen, an den anderen Tagen sind es oft nur wenige Dutzend Teilnehmer*innen. An einigen Tagen fiel der Protest bereits aus, obwohl eine Anmeldung vorlag, oder wurde kurzfristig verlegt. So finden sich mittwochs in Bockenheim und donnerstags in Höchst derzeit etwa 60 Teilnehmer*innen ein, dienstags in Heddernheim und donnerstags in Bornheim nur noch etwa 20 bis 40 Personen.
Dass die Teilnehmer*innenzahlen sinken, hat sicher verschiedene Gründe: Das bessere Wetter eröffnet attraktivere Optionen zur Abendgestaltung als den „Spaziergang“, die angekündigten Öffnungsschritte erschüttern den Glauben an die vermeintliche „Corona-Diktatur“ und die offensichtliche Wirkungslosigkeit der Proteste führt bei manchen zu Frustration. Der Glaube daran, für eine angebliche „schweigende Mehrheit“ zu sprechen oder als Bewegung zu wachsen, schwindet mehr und mehr. Dazu trägt auch der Gegenprotest in manchen Stadtteilen bei. Insgesamt stagnieren die Teilnehmer*innenzahlen überall in der Region oder gehen zurück. Der Krieg in der Ukraine führt seit vergangener Woche dazu, dass die Corona-Pandemie in der medialen Öffentlichkeit an Relevanz verliert. Versuche, den Krieg als Thema im Spektrum der Corona-Rechten aufzugreifen, sind bislang gescheitert: Dem Aufruf, zur Demonstration am 26. Februar in der Frankfurter Innenstadt russische und ukrainische Fahnen mitzubringen, folgte fast niemand. Eher spaltet der Ukraine-Konflikt die Szene: So bilden sich in Frankfurt ein pro-russischer und ein pro-ukrainischer Flügel heraus, was insbesondere die Organisation des „Montagsspaziergangs“ beeinflusst.
Nicht erfüllt hat sich auch die Prophezeiung, die noch vor wenigen Wochen auf den Stadtteil-„Spaziergängen“ zu hören war: Dass sich wegen der Techno-Events auf den Samstags-Veranstaltungen eine erlebnisorientierte Jugend in großer Menge einfinden wird. Doch um den „Techno-Wagen“ auf den Demos tanzen nur wenige Dutzend Personen. Es werden nicht mehr und mit den Öffnungsschritten wird auch dieses Event an Bedeutung verlieren.
Mittelfristig könnte angesichts dieser Entwicklungen nur noch ein „harter Kern“ zurückbleiben, der weiterhin an den Demonstrationen der Corona-Rechten teilnimmt. Schon jetzt ist zu beobachten, dass das Aggressionspotential auf den Demonstrationen steigt, etwa gegenüber der Presse. So kam es am 5. Februar 2022 gleich zu mehreren Angriffen auf Pressevertreter*innen, ein Fotograf wurde mit einem Getränk übergossen, ein anderer mit einem Faustschlag angegriffen.
Zum polizeilichen Handeln
Die polizeiliche Einsatztaktik besteht zurzeit darin, die „Corona-Demos“ zu ermöglichen und gegen Störungen abzuschirmen. Dabei wurde (und wird) auf den Samstags-Demos in großer Anzahl gegen Auflagen verstoßen. Die Maskenpflicht, die bis zum 19. Februar bestand, wurde von vielen Teilnehmenden konsequent ignoriert. Immer wieder forderte die Polizei über Lautsprecher-Durchsagen dazu auf, Masken zu tragen, was allenfalls dazu führte, dass sich ein paar Maskenverweigerer*innen ihre Maske bis zur nächsten Straßenecke aufsetzen und dann wieder abnahmen. Hintergrund dieser Nachsicht ist, dass Polizeieinsätze den Ablauf verzögern würden und dass sich nach einer polizeiliche Auflösung der Versammlung viele der Teilnehmenden zu „spontanen“ Spaziergängen in die menschengefüllte City begeben würden, was ein großes Chaos befürchten lässt. Insoweit ist das Handeln der Polizei nachvollziehbar. Gleichzeitig gibt sie sich jedoch Samstag für Samstag der Lächerlichkeit preis und vermittelt den Corona-Rechten ein Gefühl von Stärke, wenn sie manchmal in gar strengen Tonfall das Einhalten von Auflagen einfordert, was vielen nur ein müdes Lächeln abringt. Dazu erklären Polizist*innen, dass es sich bei der Maskenverweigerung nur um eine Ordnungswidrigkeit handele, gegen die die Polizei nicht unmittelbar vorgehen müsse. Doch wenn sie will, dann kann sie natürlich: Als 2021 auf der linken 1.-Mai-Demonstration in Frankfurt Pyrotechnik gezündet wurde (bei der niemand gefährdet wurde) nahm die Polizei dies zum Anlass, die Versammlung brutal auseinander zu prügeln und aufzulösen.Hierbei wurden wiederum mehrere Personen schwer verletzt. Doch auch der Gebrauch von Pyrotechnik stellt lediglich einen Auflagenverstoß und eine Ordnungswidrigkeit dar.
Irritierend ist weiterhin, dass die Polizei in der Regel überhöhte Zahlen der Teilnehmenden der Samstags-Demonstrationen nennt. So gab sie beispielsweise am 19. Februar bekannt, dass 3.500 Personen an der Demonstration der Corona-Rechten teilgenommen hätten. Dabei waren es 2.200, die sich kurz vor 16 Uhr an der Taunusanlage in Bewegung setzten. Selbst wenn man einrechnet, dass Nachzügler*innen hinzustießen und sich entlang der Route einzelne Menschen spontan anschlossen (was selten zu beobachten ist), dürften es an diesem Tag nicht mehr als 2.500 Personen gewesen sein. Die Polizei greift offensichtlich auf Erfahrungswerte zurück, wenn sie aus der Länge der Demonstration die Zahl der Teilnehmenden schätzt. Jedoch laufen diese nicht so gedrängt wie man es von Demonstration in Zeiten vor der Pandemie kennt, bisweilen bestehen Lücken von mehreren Metern zwischen den Grüppchen. Darüber zieht sich der Aufzug in die Länge und erscheint viel größer als er tatsächlich ist. Ärgerlich ist, dass viele Medien die falschen Angaben der Polizei übernehmen und diejenigen, die sich die Mühe machen, tatsächlich durchzuzählen – wie ASVI oder auch die VVN-BdA – am Ende als diejenigen dastehen, die schlecht informieren oder schlecht informiert sind. Am 26. Februar waren es übrigens beim Verlassen der Taunusanlage ziemlich genau 2.000 Teilnehmende des „Corona-Protests“.
Trumpismus auf den Corona-Demos
Immer wieder sind auch die sogenannten „Gadsden Flags“ zu sehen, die insbesondere in der US-amerikanischen Alt-Right-Bewegung verbreitet sind. Die gelben Fahnen, die eine aufgerichtete Klapperschlange sowie den Slogan „DON’T TREAD ON ME“ („Tritt nicht auf mich“) zeigen, wurden in den letzten Jahren zum Symbol der extremen und verschwörungsideologischen Rechten in den USA und darüber hinaus. Sie wird insbesondere von rechts-“libertären“ Spektren genutzt, die damit ihre ablehnende Haltung gegenüber Staat und Gesellschaft verdeutlichen und einen egoistischen Freiheitsbegriff vertreten, in dem staatliche Eingriffe oder Verantwortungsübernahme für die Gemeinschaft verteufelt werden.
Am 5. Februar bildete sich in Frankfurt ein kleiner „Block“, in dem drei Gadsden Flags mitgeführt wurden. Mit dabei waren mehrere Personen, die bereits zuvor als Aktive von StudentenStehenAuf aufgefallen waren. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, denn extrem rechte und „rechtslibertäre“ Positionen sind in den Chats von StudentenStehenAuf weit verbreitet. Am 19. Februar wurden in einem Block ca. zehn Gadsden-Flags gezeigt.
Zwischen Anti-Antifa und der „wahren Antifa“
Auf den Frankfurter „Corona-Protesten“ kristallisiert sich derweil ein neues Feinbild heraus: „Die“ Antifa. Bei einer Kundgebung im Gallus am 22. Februar, maßgeblich organisiert von Marvin Störzle, wurden gleich zwei aufgenommene Redebeiträge abgespielt, die sich gegen „die Antifa“ richteten. Darin beschwert man sich insbesondere darüber, dass „die Antifa“ ihren Protest als rechtsextrem dargestellen würde. Der 19-jährige Störzle, der erst seit Anfang des Jahres auf den „Corona-Protesten“ anzutreffen ist, zählt mittlerweile zum harten Kern der Organisator*innen. Störzle kommt aus der Wetterauer CDU und präsentierte sich in Sozialen Netzwerken noch Ende 2020 als ein großer Fan von Volker Bouffier. Nach eigenen Angaben hat er seine Ausbildung als Justizfachangestellter gekündigt, da er sich nicht boostern lassen wollte.
Dass Störzle und die anderen Akteur*innen der „Spaziergänge“ nun „die Antifa“ zum prominenten Feindbild machen, ist erstaunlich, da es bei dem Großteil der Demonstrationen derzeit allenfalls kleine Gegenproteste gibt, die noch dazu nicht etwa von autonomen Antifaschist*innen, sondern von Bürger*inneninitiativen (wie in Höchst, Heddernheim oder dem Nordend) getragen werden. Derartige Unterscheidungen lassen die Corona-Rechten aber nicht gelten: Die diverse antifaschistische Bewegung wird als einheitlicher Block imaginiert. Nahezu alle Fotojournalist*innen und Medienvertreter*innen, die die Demonstrationen dokumentieren oder von ihnen berichten, werden als „Antifa-Fotografen“ denunziert – davon ausgenommen sind freilich die Medienaktivist*innen der eigenen Szene, die in ihren Livestreams nicht selten exzessiv um Spenden betteln.
Dabei sind zwei scheinbar gegenläufige Tendenzen zu beobachten: Einerseits wird das Feindbild Antifa immer präsenter, kleine Gruppen von Gegenprotest sehen sich immer häufiger aggressiven Drohungen und Pöbeleien ausgesetzt, von bestimmten Personen aus den Reihen der Corona-Rechten werden Porträtaufnahmen von Gegendemonstrant*innen angefertigt. Andererseits sind seit einigen Wochen verstärkt Antifa-Fahnen auf den Demonstrationen der Corona-Rechten zu sehen – offenbar soll hier symbolisiert werden, dass man sich selbst für die „wahre Antifa“ im Kampf gegen einen angeblichen Faschismus halte.
Der Faschismus-Vorwurf
Diese Gegensätze bleiben nicht ohne Folgen: Am 26. Februar konnte beobachtet werden, dass der antifaschistische Gegenprotest gegen die Corona-Rechten, der sich entlang der Demo-Route am Roßmarkt sammelte, aus der verschwörungsideologischen Demonstration heraus sowohl mit den Worten „Antifa raus!“ als auch „Nazis raus!“ bezeichnet wurde. Weite Teile der Demonstrationen schienen unschlüssig darüber, ob man „die Antifa“ nun als Feind ausmachen oder sich selbst als antifaschistisch deklarieren solle.
An diesem Beispiel wird besonders deutlich, dass die Corona-Rechten mit einem Faschismusbegriff hantieren, der von jeglichem Inhalt entleert ist. So ist auf Plakaten und Flugblättern etwa von „Konzernfaschismus“ oder „Pharmafaschismus“ die Rede, (linke) Antifas sind gar die „Fußtruppen des globalen Faschismus“, ohne dass deutlich wird, was an den thematisierten Entwicklungen denn faschistisch sein soll. Faschismus bezeichnet im Kern Bewegungen und Ideologien, die sich in antidemokratischer Weise nach einem Führerprinzip organisieren und inhaltlich durch nationalistische, patriarchale, minderheitenfeindliche und antiemanzipatorische Inhalte gekennzeichnet sind. Offensichtlich geht es aber beim Gerede von „Konzernfaschismus“ hauptsächlich darum, keine schlüssige, emanzipatorische Kritik am Kapitalismus in Krisenzeiten formulieren zu müssen und stattdessen den Diktatur- und Faschismusbegriff beliebig auszudehnen, um sich selbst ins Recht zu setzen und politische Gegner*innen zu diskreditieren. Wenn dann noch Teile der Corona-Rechten Antifa-Fahnen schwenken, ist die Realitätsverweigerung komplett.
Insofern sollte sich auch die linke Kritik an den Corona-Rechten davor hüten, den Faschismusbegriff pauschal zu verwenden. Wie wir schon in unserem Beitrag zur Begriffsbestimmung argumentiert haben, handelt es sich um eine reaktionäre Bewegung, in der zahlreiche menschen- und gesellschaftsfeindliche Ideologien ihren selbstverständlichen Platz haben. Doch es ist keine nazistische oder faschistische Bewegung. Die antifaschistische Bewegung sollte zur Schärfung des Begriffs beitragen und nicht zu dessen Verwässerung.
Die AfD hat den Zug verpasst
Mit einer Kundgebung am 5. Februar in Friedberg unter dem Motto „Freiheit statt Impfzwang“ versuchte die hessische AfD, doch noch einen Fuß in die Bewegung der Corona-Rechten zu bekommen. Dabei sollte Friedberg nur der Anfang einer Reihe von AfD-Aufzügen zum Thema sein, am 5. März folgt die Fortsetzung in Wiesbaden. Zwar sind AfD-Propaganda und auch Wahlaufrufe in den Chatgruppen der Corona-Rechten überall zu finden, eine tatsächliche Wirkung innerhalb der Szene hat die AfD aber hier in der Region nicht entfalten können. Die FunktionärInnen der AfD scheinen mit dem Milieu der Corona-Rechten zu fremdeln. Zwar waren in der Anfangszeit der Proteste im Jahr 2020 einzelne AfDler präsent und auch der AfD-Landtagsabgeordnete Andreas Lichert kam am 27. November 2021 mit einer kleinen Entourage auf die Frankfurter Corona-Demo, doch es blieb bei einzelnen Auftritten, So verwundert es auch nicht, dass es nicht gelang, Teilnehmer*innen der Corona-Demo am 5. Februar in Frankfurt nach Friedberg zu locken; dort sammelte sich stattdessen ein AfD-Publikum, das ansonsten kaum auf Corona-Demos erscheint. Auch von der AfD-Abspaltung „Liberal-Konservative Reformer“ (LKR) sind bisher nur einzelne Protagonisten auf den „Corona-Protesten“ aufgetaucht.