Künstlerische Auseinandersetzung mit der Abschaffung der Demokratie im Kontext der individuellen Familiengeschichte.
Eine bis heute immer wieder gestellte Frage über den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg ist jene, wie rechtsextreme Kräfte so kurzfristig erstarken konnten und eine derartige Macht über die Bevölkerung gewinnen konnten.
Im offiziellen Diskurs sind die Täterschaft der Nationalsozialisten und die unterstützende Haltung des Großteils der Bevölkerung unbestritten. Was aber brachte die Menschen dazu, die Nationalsozialisten zu unterstützen oder zuzulassen, dass die Republik zu einem totalitären Staat umgebaut wurde?
Das Parteiprogramm der NSDAP sprach dabei klare Worte: Ausschluss der „rassischen“ Juden aus dem Staatsbürgerrecht, Einschränkung der Presse- und Religionsfreiheit sowie Kampf für ein „Großdeutschland“. Theoretisch sollten die Menschen also gewusst haben, was im Staat passierte, praktisch gab es nach dem Krieg eine Nation von Nicht-Wissenden, die sich langsam von einer Täter- zu einer Opfergesellschaft wandelte.
Dies zeigt sich auch in der Wahrnehmung der eigenen Familiengeschichten. Laut einer Studie der Universität Bielefeld in Kooperation der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, die im Februar 2018 veröffentlicht wurde, gaben zwei Drittel der Befragten an, unter ihren Vorfahren seien keine »Täter des Zweiten Weltkrieges« gewesen.
Es gibt also eine Kluft zwischen familiärer Erinnerung und der gesellschaftlichen Erinnerungskultur bezüglich der Zeit des Nationalsozialismus‘.
Mit künstlerischen Mitteln das Tabu brechen
Erinnerungen die mit der eigenen Familiengeschichte verbunden sind, haben einen besonders hohen Stellenwert, und sind folglich auch besonders geeignet, Menschen zum Hinschauen und Handeln zu ermuntern. Die eigene Betroffenheit sorgt für ein erhöhtes Interesse und kann sowohl zu einer Verdrängung des Themas als auch zu einer Überhöhung des selbigen führen.
Die künstlerische Auseinandersetzung bietet eine Stufe der Abstraktion, die es ermöglicht den Tabubruch zu leisten, die eigene Familie der (Mit-)Täterschaft zu bezichtigen und trotzdem eine Loyalität zu bewahren. Mit dem Medium Kunst kann eine schützende Distanz zum Thema geschaffen werden, ohne die emotionale Brisanz aufzuheben.
9 Künstler:innen sind der Einladung gefolgt und zeigen ihre Arbeiten in der Ausstellung.
Teilnehmende Künstler:innen: Renate Basten, Julia Görke, Nora Hespers, Hitus, Paula Mittrowan, Herr Penschuck,, Friederike Rückert, Théo Thoumine, Meike Wessel
Kuratiert wurde die Ausstellung von Anja Manleitner, Verein Mahnmal Kilian, 7 Generation
Die Ausstellung „War mein Opa Nazi?“ lief in Kiel fast zwei Jahre sehr erfolgreich. Jetzt wird sie vom 5.3.- 28.5.2022 im ehemaligen Polizeigefängnis in der Klapperfeldstraße zu sehen sein.