Über eine Vordenkerin von Karl Marx, die sich früh für eine Arbeiterunion, gegen Prostitution und für Frauenrechte einsetzte. Heute kaum mehr bekannt, war sie damals eine von vielen Zeitgenoss*innen geschätzte Frau oder auch ein „überzeugter Apostel des Matriarchats“.
»Meine Großmutter war eine merkwürdige Frau. Sie nannte sich Flora Tristan. Sie erfand eine Vielzahl sozialistischer Geschichten, unter anderem die Arbeiterunion. Wahrscheinlich konnte sie nicht kochen. Ein sozialistischer anarchistischer Blaustrumpf!«
Paul Gauguin über seine Großmutter Flora Tristan
Im Dietz Verlag erschien 2013 eine Zusammenstellung von Texten geschrieben von und über Flora Tristan (Hrsg.: Florence Hervé). Eingeleitet mit einer Biographie Tristans startet dieser kleine Band. Die Tochter eines adeligen Peruaners und einer Französin, wurde 1803 in Paris geboren. Es wird beschrieben, dass sie glückliche Jahre in einem herrschaftlichem Haus verbrachte – bis ihr Vater starb als sie gerade einmal vier Jahre alt war. Da ihre Eltern keine Ehe eingegangen waren, gingen alle Rechte am väterlichen Erbe verloren. Ihre Mutter und Flora zogen in eine kleine Wohnung am Pariser Stadtrand und lebten fortan in Armut. Diese Erfahrung scheint später prägend für die Sozialistin zu werden. Nach einer Lehre als Koloristin heiratet sie mit 17 Jahren ihren Arbeitgeber. Diese Beziehung ist gewaltvoll: Chazal, ihr Mann, ist spielsüchtig. Er hat Schulden und verlangt, dass Flora sich prostituieren soll. Sie löst sich von ihm obwohl zu dem Zeitpunkt Scheidungen in Frankreich verboten waren. Erneut leidet Tristan unter Armut und Isolation als alleinerziehende Mutter. Zwischenzeitlich lebt sie in England und reist von Stadt zu Stadt, um so ihrem Ex-Mann zu entkommen. Dieser hat es auf Flora, die sich – für ihre Zeit unüblich – von ihm emanzipiert, abgesehen. Er schießt 1838 auf offener Straße auf sie, woraufhin sie tagelang in Lebensgefahr schwebt.
Flora Tristan war eine sehr facettenreiche und charakterstarke Frau. Sie war als Journalistin, Rednerin, Kulturvermittlerin, Reisende und Politikerin tätig. Politisch verstand sie sich als Feministin, Sozialistin und Internationalistin. In dem Buch werden einerseits Berichte von ihren Reisen nach Peru wie auch ihre Broschüren über die von ihr vorgeschlagene „Gesellschaft für fremde Frauen“ und die „Arbeiterunion“ vorgestellt.
Ihr Schriften und Ideen druckte Tristan auf eigene Kosten, die sie sammelte oder selbst auslegte, und verteilte diese, um mit ihren Leserschaft ins Gespräch zu kommen. Sie reichte im Jahr 1837 eine Petition für Scheidung an die Pariser Abgeordneten Kammer ein, setzte sich zudem auch gegen die Todesstrafe ein. Hier zeigt sich Tristans humanistisches Denken; sie engagierte sich dagegen, dass ihr früherer Ehemann im Gefängnis mit dem Tode bestraft werde, obwohl sie ihn aufgrund seiner Taten gehasst haben wird.
Das Buch ist einerseits eine Hommage an die beeindruckende Pionierin Flora Tristan. Andererseits wird auch in verschiedenen Texten die Widersprüchlichkeit ihrer Person aufgezeigt: so war sie zwar aufrichtig und leidenschaftlich, wird sie jedoch auch als selbstaufopfernd und sich selbst als Messias verstehend beschrieben. Gerade deshalb ist die kurze aber spannende Textsammlung allen empfohlen, die sich mit frühen sozialistischen und feministischen Ideen einer interessanten Frau auseinandersetzen mögen!