Ein Rückblick von Aufklärung statt Verschwörungsideologien. Auf dem Blog von ASVI finden sich zusätzlich noch nette Fotos
Update über die Corona-Rechten in Frankfurt im März 2022 bis einschließlich 4. April 2022
Was sich schon im Februar angedeutet hatte, setzte sich im März fort: Die Anzahl der Teilnehmenden der Auftritte der Corona-Rechten in Frankfurt geht zurück. Auf den „Spaziergängen” in den Stadtteilen nehmen kaum mehr als 40 Personen teil, die Aufzüge an der Messe (Dienstag) und Bornheim (Donnerstag) wurden ganz eingestellt. Zum „Montagsspaziergang” in der City kommen noch um die 100 Personen, dort ist stets auch eine Anlage aufgebaut und es werden längere, teils ermüdende Reden gehalten. Auch in Orten um Frankfurt herum finden weiterhin „Spaziergänge” statt. In Königstein, Bad Homburg, Bad Soden und Oberursel mobilisierten diese im März zwischen 80 und 200 Personen.
Die Anzahl der Teilnehmenden der Samstag-Demonstrationen in der Frankfurter City lag in den letzten Wochen zwischen 1.000 und 1.500. Am 2. April waren es noch knapp 1.000, obwohl die samstägliche Demonstration in Freiburg im Breisgau, das seit zwei Jahren ein Hotspot der Corona-Rechten ist, abgesagt worden war und daraufhin aus ganz Südwestdeutschland nach Frankfurt mobilisiert wurde.
Es war nicht zu erwarten gewesen, dass sich mit dem ersehnten „Freedom-Day” am 20. März und dem damit verbundenen Wegfall vieler Beschränkungen der „Corona-Protest” schnell auflösen würde. Ein harter Kern hält unvermindert an den Stadtteil-Aufzügen und Samstag-Demonstrationen fest. Und es erklingt kaum eine Rede, ohne dass eindringliche Durchhalte-Parolen ins Publikum gesendet werden.
Prorussische Positionen im Ukraine-Krieg
Der Krieg gegen die Ukraine spielt in den Reden auf den Frankfurter „Corona-Protesten” kaum eine Rolle und erschöpft sich in allgemeinen Floskeln, mit denen man sich als Friedensbewegung aufzustellen versucht. Die Aufrufe, russische und ukrainische Fahnen zu zeigen, fruchteten nicht und sind seit Wochen verstummt. Parteinahme und Empathie für die Menschen in der Ukraine sind nicht zu vernehmen, stattdessen immer wieder Bekenntnisse zu Russland und Putin. So werden beispielsweise Russland-Fahnen mit dem Staatswappen gezeigt und Flugblätter verteilt, die den „Wirtschaftskrieg des Westen gegen Putin” geißeln und behaupten, dass der „Krieg in der Ukraine” nur eine Fassade sei, „hinter der ein ganz anderer Krieg geführt” werde.
In Chatgruppen der Corona-Rechten machen derzeit Verschwörungserzählungen die Runde, die den Krieg in der Ukraine in den QAnon-Mythos integrieren. Demnach sei Putin in die Ukraine eingerückt, da diese das „Epizentrum der satanischen Operationen der Kabale” sei, was meint eines vom Westen gesteuerten Ring von Pädokriminellen. Dies wird mit dem ersten Impeachmentverfahren gegen Donald Trump verknüpft. Denn im Jahr 2019 hatte Trump versucht, die ukrainische Regierung dazu zu drängen, Korruptions-Ermittlungen gegen Joe Biden und dessen Sohn aufzunehmen, um Biden damit im Präsidentschaftswahlkampf zu schaden.
Inzwischen wittern manche sogar den Ursprung des Coronavirus in der Ukraine. Als vermeintlicher Beleg hierfür wird russische Propaganda zu angeblichen geheimen US-amerikanischen Biolaboren in der Ukraine herangezogen.
Weißkittel, Sargträger*innen und ein „Anwalt für Aufklärung”
Neu ist die Inszenierung der Sargträger*innen, die an der Spitze der Samstag-Demonstrationen laufen. An den Särgen sind Tafeln angebracht, die behaupten, dass bestimmte Krankheiten in Zusammenhang mit Covid-Impfungen in exorbitanter Weise zugenommen haben. Die Zahlen sind wie immer der eigenen Internet-Blase entnommen. Den Sargträger*innen ging am 26. März eine Gruppe voran, die als Mediziner*innen ausstaffiert war und ein Transparent „Ärzte für freien Impfentscheidung” trug. Kritische Betrachter*innen wissen: Jede*r kann einen weißen Kittel tragen und sich ein Stethoskop umhängen. Doch für viele Menschen verkörpern Personen in medizinischer Berufskleidung Wissen, Kompetenz und Glaubwürdigkeit. Sie werden allein durch das Erscheinungsbild als „Weißkittel” als Autoritäten wahrgenommen. So dürften sich die Teilnehmenden des „Corona-Protests” in ihren Behauptungen und Verschwörungserzählungen bestärkt fühlen, wenn ihren Demonstrationen scheinbar seriöse Mediziner*innen vorangehen.
Eine ähnliche Wirkung haben die Auftritte des Rechtsanwalts Frank Großenbach, der als Vertreter der Initiative Anwälte für Aufklärung im März auf „Corona-Protesten” in Frankfurt mehrfach das Mikrophon ergriff. Als einer „vom Fach” bestätigt er die Corona-Rechten in ihrer Überzeugung, stets recht zu haben und im Recht zu sein. Großenbach ist ein Aktivist der Partei DieBasis, er wohnt in Bockenheim und hat seine Kanzlei auf der Zeil. Großenbach trat im November 2021 mit einem offenen Brief an Anetta Kahane, der Vorsitzenden der Amadeu Antonio Stiftung in Erscheinung. Darin verwies er darauf, dass ihm bei den „Corona-Protesten” noch keine „Rechtsextremisten, Rassisten und Antisemiten” begegnet seien und schrieb: „es wurden weder Parolen „gegrölt“ noch Transparente mit sich geführt, die auf solche Gesinnungen hätten schließen lassen”. Großenbach ist das typische Beispiel einer Person, die nur sieht, was sie sehen will und offensichtlich ihre ganz eigene Definition davon hat, was Antisemitismus ist und was nicht. So wurde auf der Samstag-Demonstration am 12. März 2022, bei deren Auftakt in der Taunusanlage Großenbach eine Rede hielt, ein Transparent mitgeführt (siehe Abbildung), auf dem „Bilderberger”, „Rothschild”, „Goldman Sachs” und „Freimaurer” für Kriege, Lobbyismus, „Totale Kontrolle” und die Neue Weltordnung (NWO) verantwortlich gemacht werden. „Bilderberger”, “Freimaurer” und die jüdischen Familien Rothschild und Goldman-Sachs sind bekannte Chiffren und Sinnbilder einer ausgedachten jüdischen Weltverschwörung.
Neues aus dem Kreis der Aktiven
Die Gruppe Studenten stehen auf trat auf den Samstag-Demonstrationen im März sehr selbstbewusst auf. Am 26. März war es ein ganzer Block, der sich hinter einem entsprechenden Transparent zusammen fand. Träger des Transparents waren unter anderem Felix Straubinger und Katharina Göbel. Die Frankfurterin Katharina Göbel gehörte noch vor einiger Zeit zu einer Gruppe junger Frauen, die sich „JA-Mädels” nannten und für die AfD und deren Jugendorganisation Junge Alternative aktiv waren. Straubinger war in der Vergangenheit als Aktivist der neofaschistischen Identitären Bewegung aufgefallen. Die Samstag-Demo am 2. April schwänzte Straubinger hingegen und ging stattdessen zum parallel stattfindenden Bundesligaspiel von Eintracht Frankfurt.
Im Kreis der Organisator*innen hat sich indes nur wenig geändert.
In unserem letzten Update sind wir auf den 19-jährigen Marvin Störzle eingegangen, der seit Januar diesen Jahres als Anmelder und Redner bei etlichen „Stadtteil-Spaziergängen auftrat. Zu Störzle erreichten uns gleich mehrere Zuschriften. Denn Störzle ist bereits in etlichen Organisationen als Querulant und Intrigant bekannt. Er wohnte bis Dezember 2021 in einer Einrichtung betreuten Wohnens in Okarben (Wetteraukreis), war Mitglied der CDU und bis 2021 ein großer Fan von Volker Bouffier. Er verließ die CDU und versuchte danach in der Wetterauer SPD unterzukommen, wo er nach wenigen Wochen in hohem Bogen rausflog, als er als Urheber von Intrigen, Mobbing und Stalking gegen Parteimitglieder ausgemacht wurde. Nachdem er an deren private Adressen und Telefonnummern gekommen war, erhielten diese unbestellte Waren oder wurden mit anonymen nächtlichen Anrufen belästigt. Nach vorliegenden Informationen trat Störzle noch im Jahr 2021 der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) bei, doch auch die will er inzwischen wieder verlassen haben.
Zudem ist Störzle in der Vergangenheit immer wieder als notorischer Lügner aufgefallen – auch bei den „Corona-Protesten”. Seine Aussage, er habe eine Ausbildung bei der Frankfurter Justiz gemacht, stellte sich mittlerweile als unwahr heraus. Zudem erzählte Störzle auf „Stadtteil-Spaziergängen” die rührselige Geschichte seiner kleinen Nichte, die als einziges nicht geimpftes Kind in ihrer Schulklasse gemobbt würde. Die Zuhörenden hatten darauf mit großer Empörung reagiert. Auch diese Geschichte ist offensichtlich reine Fantasie. Seit mehreren Wochen ist Störzle nicht mehr bei „Corona-Protesten” gesehen worden. Der Grund dürfte sein, dass ihm vorgeworfen wird, für „Spaltung und Probleme” gesorgt zu haben. In einem Statement aus dem Kreis der Organisator*innen der Samstag-Demonstrationen heisst es, Störzle habe „bewusst versucht der Bewegung zu schaden”. Er soll Teilnehmende der „Corona-Proteste” angeschrieben haben und von diesen Gelder zur Unterstützung der Proteste eingeworben haben. Diese Gelder soll Störzle jedoch selbst eingesteckt haben. Die Betrogenen aus dem Organisationskreis kündigen an: „Wir wollen jeden Cent zurückholen den er abgezogen hat.” Man darf darauf gespannt sein. Somit findet das kurze Kapitel des Marvin Störzle bei den Corona-Rechten sein Ende.
Noch nicht zu Ende sind hingegen die Auftritte von Ingrid Reich.
Die Neu-Anspacherin hat ein neues Thema für sich entdeckt, dass sie nunmehr in ihre Verschwörungserzählungen einpasst: Abtreibung. Nachdem die Weltgesundheitsorganisation WHO Anfang März neue Leitlinien für sichere Schwangerschaftsabbrüche veröffentlichte, klagte Reich in einer Rede am Bockenheimer Depot am 16. März 2022, dass die WHO ihre Mitgliedsländer „angewiesen” habe, Abtreibungen zu legalisieren und zwar „bis zum Tag der Geburt und sogar darüber hinaus” (sic!).
An diesem Beispiel lässt sich erneut nachvollziehen, wie aus einem Körnchen Wahrheit hanebüchener Humbug erwächst. Denn die Leitlinien der WHO, die keine Anweisungen sondern Empfehlungen sind, sehen seit langem vor, dass ein Abbruch der Schwangerschaft unter strengen Indikationen bis kurz vor der Geburt vorgenommen werden kann – wenn beispielsweise eine akute Lebensgefahr der Schwangeren oder eine sehr kurze Lebenserwartung des Fötus vorliegt. Einige Länder folgen diesen Leitlinien nicht, in anderen sind die Restriktionen so hoch, dass derartige Eingriffe praktisch kaum stattfinden können. Als Resultat dessen sterben jährlich zehntausende Frauen in der Schwangerschaft, bei nicht sicheren Schwangerschaftsabbrüchen oder bei der Geburt. Ziel der WHO ist es, politische Barrieren abzubauen, die diese Eingriffe unmöglich machen.
Ingrid Reich ging in ihrer Bockenheimer Rede noch weiter: Die nun angeblich massenhaft geplanten und durchgeführten Abtreibungen dienten dazu „unsere Familien zu zerstören”. Die WHO sei ein Instrument des Satans im Plan, die Weltbevölkerung zu reduzieren, einem „Transhumanismus” den Weg zu bereiten und darüber die NWO (steht für Neue Weltordnung) zu schaffen. Dass diese Rede von zirka der Hälfte der 34 Anwesenden nicht beklatscht wurde, nährt die Hoffnung darauf, dass Teile des anwesenden Publikums ihren Restverstand noch nicht ganz verloren haben. Es zeigt aber auch, dass die andere (klatschende) Hälfte offensichtlich vollkommen in eine Wahnwelt abgedriftet ist.