Es ist der 06. Januar 2023. Es ist der siebte Jahrestag des rechten und rassistischen Messerangriffs auf Ahmed I. 2016 wurde er von hinten mit einem Messer angegriffen, niedergestochen und schwer verletzt. Sein mutmaßlicher Angreifer, Stephan E. wurde für den Mord am Politiker Dr. Walter Lübcke rechtskräftig verurteilt – der Mordversuch an Ahmed I. aber konnte ihm laut Gericht nicht nachgewiesen werden. Ein entsprechender Revisionsantrag Ahmeds wurde im vergangenen Spätsommer abgelehnt. Heute sagt er:
„Es ist immer noch schlimm für mich Tag für Tag. Ich vertraue keinem mehr – keinem Politiker und keiner Behörde. Und ich möchte vergessen. Was ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe und was mit mir passiert ist, ist nicht normal. Der Angriff 2016 auf mich ist nicht normal. Wie ich behandelt wurde von der Polizei und vor Gericht ist wirklich nicht normal. Der Täter lag auf der Hand, aber ich habe keine Gerechtigkeit bekommen. Wenn du Ausländer bist, dann kannst du es vergessen. Ich danke den Menschen, die mir geholfen haben und die solidarisch mit mir waren und mit mir gekämpft haben. Danke an diese Menschen.“
Ahmed I.
Aus der Beratung Betroffener von rechter, rechtsterroristischer, rassistischer und antisemitischer Gewalt wissen wir: Diese Gewalttaten sind stets als Botschaftstaten zu lesen. Sie alle sind ganz konkrete und eindrückliche Beispiele dafür, wie Menschen signalisiert werden soll, dass sie sich nicht sicher fühlen können, dass sie weder toleriert noch akzeptiert werden.
Dass solche Gewalttaten konsequent verfolgt und aufgedeckt werden, sollte Teil eines demokratischen, funktionierenden Ermittlungs- und Strafverfolgungssystems sein. Dazu gehört sowohl im Kontext von Ermittlungen als auch vor Gericht die konsequente Umsetzung von geltenden Richtlinien zu Opferschutz und Rassismusbekämpfung, die konsequente Durchsetzung und Überprüfung von Dienstvorschriften in Behörden und Maßnahmen wie jenen, die schon seit den NSU-Untersuchungsausschüssen bekannt sind. Reflexivität gegenüber den Folgen potenziell traumatisierender Erlebnisse und Rassismuserfahrungen sind ebenso unabdingbar wie ein sensibler und würdevoller Umgang mit Betroffenen. Dass sie ernst genommen und gehört werden und ihre Erfahrungen sowie ihr Wissen dokumentiert und einbezogen werden.
Sekundäre Viktimisierung, Täter:innen-Opfer-Umkehr und Bagatellisierung sind nach wie vor und viel zu oft bittere Realität in der Erfahrung von Betroffenen und der Beratungspraxis von response.
Wichtig bleibt auch Aufklärungsarbeit. Die Arbeit des aktuell laufenden Untersuchungsausschusses wird sich an neuen Erkenntnissen und Aufklärung sowie an Schlussfolgerungen und konkreten, prüfbaren Maßnahmen, die daraus abgeleitet werden, messen lassen. Wichtig bleibt eine engagierte gesellschaftliche Unterstützungshaltung für Betroffene von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und die Ausübung konkreter Solidarität.
Ahmed musste lange dafür kämpfen, überhaupt als Betroffener von rechtsextremer und rassistischer Gewalt wahrgenommen zu werden. Er musste lange darauf warten, überhaupt gesehen und gehört zu werden. Wie die vergangenen sieben Jahre für ihn verlaufen sind, ist ausführlich in der nachfolgenden Chronik nachzulesen. Hier gelangt ihr zum PDF der Chronik.