Für den 13. Mai sind gleich zwei extrem rechte Veranstaltungen im Rhein-Main-Gebiet angekündigt: Die NPD-Zeitschrift Deutsche Stimme organisiert bereits zum dritten Mal den „DS-Netzwerktag“. Nachdem dieser 2022 zum ersten Mal im Flieder Volkshaus in Eisenach ausgetragen wurde, kommt das Nazi-Event nun erstmals nach Essen: Es soll im „Gemeinschaftshaus Waldsiedlung“ in Altenstadt-Waldsiedlung (Wetteraukreis) stattfinden. Dies deutet darauf hin, dass die hessische NPD, deren personeller Kern inzwischen auf einstellige Größe geschrumpft ist, in die Organisation eingebunden ist, vor allem in Gestalt von Stefan Jagsch (wohnhaft in Altenstadt-Waldsiedlung, Lerchenweg 23) und Daniel Lachmann (wohnhaft im nahegelegnen Büdingen-Wolf, Sandhofstr. 24). Beide waren auch schon beim ersten „Deutsche-Stimme-Netzwerktag“ am 10. September 2022 in Eisenach zugegen.
Für das neonazistische Vernetzungstreffen sind bislang angekündigt: „Frank Kraemer“ („Dritter Blickwinkel“, Stahlgewitter), Kai Naggert (Rapper Proto/NDS), Melanie Dittmer, „Sillo“/NDS (Sportler, Trainer), Sebastian Schmidtke (NPD, LebensART), Nicole Schneiders (Rechtsanwältin, Verteidigerin von Ralf Wohlleben im NSU-Prozess), Frank Franz (NPD-Bundesvorsitzender), Martin Kohlmann (Vorsitzender Freie Sachsen), Patrick Schröder (FSN-TV, NPD), Peter Schreiber (NPD, Chefredakteur Deutsche Stimme).
In der Frankfurter Rundschau erschien ein Artikel dazu von Hanning Voigts, den wir weiter unten dokumenieren.
AfD-naher Frauenkongress geplant
Ebenfalls für den 13. Mai lädt die EU-Fraktion/Partei „Idenität & Demokratie“, in der auch die AfD Mitglied ist, zu einem „Europäischen Frauenkongress“ ins „Rhein-Main-Gebiet“. Als Vortragende angekündigt sind bislang Nicole Höchst (AfD-Landtagsabgeordnete) und Annick Ponthier von der belgischen Partei Vlaams Belang. Möglicher Veranstaltungsort könnte das Zentrum Rheinhessen sein, das sich in einem Gewerbegebiet außerhalb des Mainzer Stadtteils Hechtsheim (Athener Allee) befindet.
Auch zum ersten Mai extrem rechte Veranstaltungen
Bereits zuvor finden zum 1. Mai rechte Veranstaltungen in der Region statt: Die rheinhessische Neonazi-Resterampe trommel für den 1. Mai zum „Nationalen Tag der Arbei“ unter dem Motto „Nationalismus statt Kapitalismus“ in Ingelheim.. Veranstalter ist die Kameradschaft Rheinhessen sowie der Landesverband Südwest der Partei Die Rechte, was einmal mehr beweist, das das Label Neue Stärke Partei in der Region inzwischen tatsächlich mausetot ist. Ob sich zur Demo eine zweistellige Anzahl an Teilnehmenden einfindet, bleibt gespann abzuwarten. Es wird Gegenprotest geben: Ab 13:30 Uhr mobilisiert Rheinhessen gegen Rechts zum Sebastian-Münster-Platz in Ingelheim.
Die AfD lädt am Abend des 1. Mai zum „Blauen Maiauftakt“ nach Bad Homburg. Angekündigt sind hier Robert Lambrou (AfD-Landessprecher, Fraktionsvorsitzender im Landtag), Guido Reil (AfD-Europaabgeordneter), Christine Anderson (AfD-Europaabgeordnete), Irmhild Boßdorf (AfD Rhein-Sieg), Alexander Jungbluth (AfD Mainz-Bingen). Am Wochenende 5.-7. Mai findet zudem ein AfD-Landesparteitag im „Haus der Begegnung“ in Königstein statt.
Im Folgenden dokumentieren wir den Artikel der Frankfurter Rundschau von Hanning Voigts (21.4.2023) zum DS-Netzwerktag in Altenstadt:
Hessen: Rechtes Kadertreffen in Altenstadt – Lokalpolitik machtlos
Erstellt: 21.04.2023, 09:49 Uhr
Von: Hanning Voigts
Die NPD-Parteizeitung „Deutsche Stimme“ lädt zu einer Strategiekonferenz ins mittelhessische Altenstadt ein. Die Lokalpolitik ist wenig begeistert.
Altenstadt – Es soll ein Vernetzungstreffen der ganz besonderen Art werden. Am 13. Mai wollen rechtsextreme Kader aus ganz Deutschland ins beschauliche Altenstadt in der Wetterau reisen, um am dritten „Netzwerktag“ der „Deutschen Stimme“ teilzunehmen, der Parteizeitung der rechtsextremen NPD. Der NPD-Bundesvorsitzende Frank Franz und sein Stellvertreter Sebastian Schmidtke werden erwartet, die rechte Szeneanwältin Nicole Schneiders, der bundesweit bekannte Neonazistreamer Patrick Schröder, die Neonaziaktivistin Melanie Dittmer und Martin Kohlmann von den rechtsextremen „Freien Sachsen“, die aus den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen hervorgegangen sind. Man wolle „über Partei- und Organisationsgrenzen hinweg“ über die Schaffung einer „heimattreuen Gegenkultur“ diskutieren, kündigt Peter Schreiber begeistert an, der Chefredakteur der „Deutschen Stimme“.
Hessen: „Politische Kräfte dieser Art brauchen wir hier nicht“
Norbert Syguda, SPD-Bürgermeister von Altenstadt, ist von der bevorstehenden NPD-Veranstaltung in seiner Stadt alles andere als begeistert. „Politische Kräfte dieser Art, die brauchen wir hier nicht“, sagte Syguda der Frankfurter Rundschau. Dass die „Deutsche Stimme“ mit ihrer Konferenz ausgerechnet nach Altenstadt kommen wolle, ärgere ihn, so Syguda. „Wir rücken als Altenstadt natürlich immer in den Fokus als der Ort, wo solche Veranstaltungen stattfinden.“ Dabei sei Altenstadt eine hessische Kommune wie alle anderen, nur dass hier mit Jagsch eben ein relevanter NPD-Politiker lebe. „Wir sind nicht undemokratischer oder rechtsradikaler als andere Kommunen“, betonte Syguda.
Für die Kommune Altenstadt bedeutet der „Netzwerktag“ vor allem eins: zusätzlichen Stress. Es brauche ein Sicherheitskonzept in Abstimmung mit der Polizei, das Gemeinschaftshaus müsse abgesperrt und der Verkehr vor Ort geregelt werden, erläuterte Syguda. Für solche „Sonderveranstaltungen“ und die Arbeit, die sie mit sich brächten, habe man eigentlich gar nicht genug Personal. Außerdem müsse man mit antifaschistischen Protesten vor Ort rechnen, die ebenfalls begleitet werden müssten.
Hessen: Die Zivilgesellschaft wird zum Protest mobilisieren
Seit einiger Zeit gibt es in Altenstadt eine parteiübergreifende „Initiative für Vielfalt und Demokratie in Altenstadt“, die sich selbst anlässlich eines NPD-Treffens in der Stadt gegründet hat. Der Verein setzt sich für Demokratie und Zivilcourage und gegen Rassismus und Antisemitismus ein und dürfte es sich kaum nehmen lassen, vor Ort ein Zeichen gegen die rechten Ideolog:innen zu setzen. Außerdem gibt es in der Wetterau auch andere aktive zivilgesellschaftliche Kräfte, die am 13. Mai nach Altenstadt mobilisieren könnten.
Bürgermeister Syguda hat nach eigenen Angaben geprüft, ob es eine Möglichkeit geben könnte, das Treffen ganz zu verhindern. Er habe sich letztlich aber dazu entschieden, es nicht auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen, sagte der Sozialdemokrat. Als Partei habe die NPD gute Chancen, die Vermietung eines öffentlichen Gebäudes gerichtlich zu erzwingen. Syguda ist mit dieser Einschätzung nicht alleine: Viele Kommunen ächzen seit dem letzten gescheiterten NPD-Verbotsverfahren von 2017, dass sie die NPD etwa bei der Anmietung kommunaler Säle wie andere Parteien behandeln müssen.
Hessen: Die NPD ist verfassungsfeindlich, aber nicht verboten
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hatte entschieden, dass die NPD verfassungswidrig sei und eine Wesensverwandtschaft mit dem historischen Nationalsozialismus aufweise, aber politisch mittlerweile so unbedeutend sei, dass sie keine ernsthafte Gefahr für die demokratische Ordnung in der Bundesrepublik darstelle. Deshalb wurde die NPD nicht verboten und genießt trotz abnehmender Bedeutung bis heute alle Privilegien einer Partei.
Für die Hessen-NPD ist das Treffen Mitte Mai ein kleiner politischer Lichtblick. Der seit Jahren sieche Landesverband spielt politisch schon lange keine Rolle mehr, zur hessischen Landtagswahl am 8. Oktober will die NPD nicht einmal mehr antreten. Sie hat in Hessen nur noch ein paar kommunale Mandate und etwa ein Dutzend aktiver Kader, neben Stefan Jagsch sind das etwa Daniel Lachmann aus Büdingen und Thassilo Hantusch aus Wetzlar. In Altenstadt wollen sie dann aber wenigstens für einen Tag wieder jemand in der rechtsextremen Szene sein und sich als Gastgeber in der Anwesenheit prominenter Szenegrößen sonnen.
Hessen: Die extreme Rechte diskutiert ihre Strategien
Inhaltlich soll es auf dem „Netzwerktag“ um eine strömungsübergreifende Diskussion über die Zukunft der extremen Rechten gehen. Die beiden geplanten Diskussionsrunden stehen unter den Überschriften „Zwischen Tradition und Moderne – Wie schaffen wir eine Gegenkultur?“ und „Viele Wege führen nach Rom – Wie retten wir die Heimat?“. Die „Deutsche Stimme“ versucht, die NPD damit an andere rechte Akteur:innen anzubinden und sie im rechtsextremen Lager wieder attraktiver zu machen.
Denn seit den Wahlerfolgen der in Teilen rechtsextremen AfD spielt die NPD, die vor zehn Jahren immerhin noch in Fraktionsstärke in den Landtagen von Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen vertreten war, bundesweit kaum noch eine Rolle. Viele Wähler:innen hat sie an die AfD verloren, die militante Neonaziszene orientiert sich eher an radikaleren Parteien wie dem klassisch nationalsozialistisch orientierten „Dritten Weg“. Seit langem gibt es Debatten in der NPD, ob man sich offiziell in „Die Heimat“ umbenennen sollte. Doch dieser Vorstoß der Bundesspitze war zuletzt im Mai 2022 knapp gescheitert. Der entsprechende Bundesparteitag fand damals in Mittelhessen statt: in Altenstadt. (Hanning Voigts)