In der Nacht auf den 24. April bemerkten Bewohner*innen des AK44 wie zwei Verbindungsstudenten auf dem Gelände einbrachen. Einer der beiden Personen hantierte an einem Auto und goß eine nach Brandbeschleuniger riechende Flüssigkeit darüber. Durch ein in der Situation angefertigtes Foto konnte eine der beiden Personen als Mitglied der benachbarten Burschenschaft Germania identifiziert werden. Die Person trug eine Schärpe.
Das Kultur- und Wohnprojekt AK44 veröffentlichte eine Pressemitteilung zu dem Vorfall. Er ist als dezidierter Angriff gegen Linke und deren Strukturen zu werten.
Dokumentierter Artikel der Gießner Allgemeinen
Zwei Männer sollen versucht haben, auf dem Gelände des linken Wohn- und Kulturprojekts AK 44 in Gießen einen Brand zu legen. Die Polizei ermittelt.
Gießen – Flüssigkeit ausgeschüttet – mit dieser sachlichen Überschrift hat die Polizei am Montag (24. April) einen Vorfall öffentlich gemacht, der sich am Tag zuvor im Alten Wetzlarer Weg in Gießen zugetragen haben soll. Gegen 23.55 Uhr sollen am Sonntag zwei Männer auf dem Gelände des linken Kultur- und Wohnprojekts AK 44 versucht haben, »eine Flüssigkeit« über den Reifen eines Kleinbusses auszuschütten. Die Polizei ermittelt werden versuchter Brandstiftung.
Im Zuge der Ermittlungen, heißt es weiter, sei ein 22 Jahre alter Tatverdächtiger festgenommen und später wieder auf freien Fuß gesetzt worden. Nun hat sich das AK 44 mit einer Pressemitteilung zu Wort gemeldet: Demnach seien Mitglieder der benachbarten Burschenschaft Germania für die Tat verantwortlich. Die Polizei wollte zu diesen Vorwürfen keine Stellung nehmen. »Wir haben die Ermittlungen aufgenommen, werden aber über den jetzigen Stand keine Auskunft geben«, sagt Polizeisprecher Jörg Reinemer. »Ein politisches Motiv ist nicht auszuschließen.«
Brandstiftung auf AK-44-Gelände in Gießen – Verdächtige fotografiert
In der Presseerklärung, die das AK 44 am Dienstag verschickt hat, wird der Vorfall folgendermaßen geschildert. Demnach hätten an jenem Abend zwei Bewohner des Wohnprojekts bemerkt, »dass zwei Verbindungsstudenten aus der Nachbarschaft« auf das Gelände eingebrochen seien. Einer sei dabei beobachtet worden, »wie er sich an den parkenden Autos zu schaffen machte«. Während die Polizei von den Reifen eines Kleinbusses spricht, nennt das AK 44 drei betroffene Autos, über die »eine nach Brandbeschleuniger riechende Flüssigkeit gegossen« worden sei. Weil die Bewohner rechtzeitig eingegriffen hätten, sei »Schlimmeres verhindert« worden.
Laut Presseerklärung des linken Kulturzentrums sei eine der zwei Männer fotografiert worden. Es handele sich »eindeutig« um ein Mitglied der benachbarten Burschenschaft Germania: »Die Person war mit einer dunklen Jacke bekleidet, trug ein weißes Oberteil und eine dreifarbige Schärpe.« Die Person sei über den Zaun in Richtung der benachbarten Landsmannschaft Darmstadtia geflohen. Daraufhin sei es zwischen den beiden Verbindungen zu »panischen« Szenen gekommen.
Gezielter Angriff? Brandstiftung auf linkes Wohnprojekt in Gießen
»Als linkes Wohnprojekt und Kulturzentrum stufen wir den Vorfall als gezielten Angriff auf unser Leben und unsere Strukturen ein«, teilt das AK 44 mit. »Das Schütten von brennbaren Flüssigkeiten auf Fahrzeuge mit dem Ziel, diese anzuzünden, stellt eine versuchte Brandstiftung dar. Den Tätern droht daher eine Haftstrafe«, wird der Marburger Fachanwalt für Strafrecht, Dr. Jannik Rienhoff zitiert, der die Bewohner vertritt.
»Wir sind froh, dass kein schwerer Schaden entstanden ist und niemand verletzt wurde«, schreibt das AK 44 weiter. »Aber es war knapp, und fast hätte es wieder in einem hessischen Wohnprojekt gebrannt, da die Autos direkt am Wohnhaus parken und die Bewohner*innen bei einem Brand in Gefahr geraten wären.«
Brandstiftung auf AK-44-Gelände: Germania-Burschenschaften unter Verdacht
Laut AK 44 zeige der Vorfall, »dass Verbindungen und explizit Burschenschaften nicht nur den ideologischen Nährboden für Menschenhass und rechte Ideologien bieten, sondern auch tatkräftige Brandstifter hervorbringen«. Überraschend sei dies indes nicht. Die Germania, heißt es in der Presseerklärung, sei »in einem Spannungsfeld zwischen Konservatismus und extremer Rechter zu verorten«. Einige Germania-Burschenschaften werden aktuell vom Verfassungsschutz beobachtet; auf die Gießener Germania mit ihrem Wahlspruch »Gott, Freiheit, Ehre, Vaterland. Leben und Streben dem Vaterlande.« trifft das aber nicht zu.
2010 ist sie aus dem als extrem rechts geltenden Dachverband Deutsche Burschenschaft ausgetreten. Für öffentliche Aufmerksamkeit hatten im vergangenen Jahr von Demonstrationen begleitete Auftritte des umstrittenen Ex-Verfassungsschutzchefs Hans-Georg Maaßen und des nationalkonservativen Publizisten Roland Tichy bei der Germania gesorgt.
Brandstiftung auf AK-44-Gelände in Gießen: „Reaktionäres Gesellschaftsbild“
Laut AK 44 hätten »die meisten Burschenschaften« ein »reaktionäres Gesellschaftsbild«. Es sei klar, dass alternative Lebensentwürfe, die im Infoladen gelebt würden und die LGBTQ*-Fahne auf dem Dach »eine permanente Provokation für die Burschenschafter darstellen«. Eine Anfrage dieser Zeitung zu den Vorwürfen ließ die Gießener Burschenschaft Germania bis Redaktionsschluss unbeantwortet.