Zur Einordnung des am vergangenen Wochenendes stattgefundenen Netzwerktages der „Deutschen Stimme“ (NPD) veröffentlichen wir eine Einschätzung von Recherche Nord zu der Veranstaltung in Altenstadt und einen Artikel (Belltower News) über die Hintergründe des Treffens, eine mögliche Umbenennung der Partei und ein damit erwünschter „Imagewechsel“ der NPD.
Die Teilnehmenden erschienen bereits in den frühen Morgenstunden. Ab 9:00 Uhr morgens begann der Aufbau der Veranstaltung im örtlichen Gemeindehaus der hessischen Kleinstadt. Bewacht wurde die Veranstaltung von einem eigenen Sicherheitsdienst – dessen Mitglieder sich aus den Strukturen der NPD Brandenburg und von der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“ (JN) und dessen regionalen Ablegers, dem „JN-Stützpunkt Südbrandenburg“ rekrutierten. Als Mitorganisator der Veranstaltung war auch Patrick Wieschke, der derzeitige Organisationsleiter der neonazistischen Partei auf Bundesebene und Landesvorsitzender der NPD in Thüringen in Altenstadt zugegen.
Der Netzwerktag der NPD-Publikation „Deutsche Stimme“ (DS) stand im Zusammenhang mit einem Strategiewandel der neonazistischen Partei in dessen Zusammenhang auch die geplanten Umbenennung der NPD in „Die Heimat“ steht. Die Partei versucht mit dieser Strategie neue Bündnisse zu knüpfen – insbesondere zu Einzelpersonen und Gruppierungen die bislang vor einer Zusammenarbeit mit der NPD zurpückschreckten. Die „drei Buchstaben“ seien inzwischen eine Belastung geworden, welche dem politischen Erfolg im Wege stehen würden, heißt es inzwischen gebetsmühlenartig aus Parteikreisen. Mit den „drei Buchstaben“ ist der alte Parteiname der NPD gemeint. In Altenstadt vor Ort war auch der stellvertretende Bundesvorsitzende der NPD Sebastian Schmidtke. Schmidtke, der neben der Parteiarbeit vor allem als Youtuber und Versandhändler für Survival-Ausrüstung in Erscheinung tritt, gilt als Verfechter der geplanten Umbennung, der diese auch gegen parteiinternen Widerstand durchzusetzen trachtet. In seinem kommerziell ausgerichteten Versandhandel sind bereits jetzt Kleidungsstücke mit dem Verweis auf die neue Namensgebung der neonazistsichen Partei zu finden.
An der Veranstaltung in Altenstadt nahmen nach Angaben der „Deutschen Stimme“ etwa 80 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet teil. Die überwiegende Mehrheit der Teilnehmenden kam dabei, wie hier Claus Cremer, seines Zeichens Landesvorsitzender der NPD in Nordrhein-Westfalen aus den Strukturen der NPD. Cremer ist darüber hinaus im NPD-Bundesvorstand zuständig für den Aufgabenbereich „Internationale Beziehungen“. Der Strategiewandel und die geplante Umbenennung geht einher mit einem veränderten Erscheinungsbild. Die Partei versucht sich damit ein moderner wirkendes Antlitz zu verschaffen. Die beiden vorangegangenen DS-Netzwerktage fanden zuvor in Thüringen und Brandenburg statt. Die VEranstaltungen zeichnen sich vor allem durch die Podiumsdiskussionen aus, in denen über die zukünftige Ausrichtung der NPD und deren Zusammenarbeit mit anderen Parteien und Netzwerkorganisationen debattiert wird.
Ebenfalls vor Ort war der ehemalige Bundesvorsitzende der neonazistischen Splitterpartei „Die Rechte“, Sascha Krolzig (hier rechts im Bild). Krolzig hat der Partei inzwischen der Rücken gekehrt und ist zur NPD übergetreten. Derzeit leitet er als Vorsitzender die Geschicke der Partei in Dortmund welche bereits jetzt unter der Bezeichnung „Die Heimat“ in Erscheinung tritt. Krolzig war in Altenstadt vor allem als fliegender Händler unterwegs. Der Betreiber des neonazistischen „Sturmzeichen-Verlag & Versandhandls“ ist darüber hinaus Herausgeber der neonazistischen publikation „NS-Heute“. So führte Krolzig einen umfangreiches Sortiment einschlägiger Literatur mit sich, welches auf dem Netzwerktag zum Verkauf angeboten wurde. Nicht alle der im Vorfeld angekündigten Podiumsteilnehmer*innen erschienen an diesem Tag in Altenstadt. Neben Nicole Schneider sagte auch der Neonazi Patrick Schröder, in seinem Fall aufgrund einer Corona-Erkrankung, seine Teilnahme im Vorfeld ab.
Artikel zuerst erschienen bei Belltower News
Im hessischen Altenstadt fand am 13. Mai 2023 der dritte „Netzwerktag“ des NPD-Parteiorgans „Deutsche Stimme“ statt. Erschienen war Parteiprominenz der Rechtsextremen, aber auch Vertreter*innen von AfD und der sogenannten „neuen“ Rechten.
Die angeblich „neue“ Rechte legt – zumindest nach außen – großen Wert auf Distanz zur vermeintlich „alten“ Rechten. „Identitäre Bewegung“, AfD oder die Vordenker*innen der Szene in rechtsextremen Verlagen: Niemand will mit klassischen Neonazis assoziiert werden, die NPD steht für den parteipolitischen Teil der alten „Rechten“, für Neonazis, Antisemitismus, Rassismus und verstaubte Ideologien. Doch eigentlich sind die Verbindungen viel enger, als AfD und der Rest der angeblich „neuen“ Rechten gern behauptet.
Am vergangenen Samstag wurde das in Altenstadt in Hessen deutlich. Die NPD-Zeitung „Deutsche Stimme“ hatte zum dritten Netzwerktag eingeladen. Beobachter*innen berichten von etwa 60 Teilnehmer*innen, die meisten aus der Neonaziszene. Kein Wunder, als Gäste angekündigt waren unter anderem Frank Franz, Vorsitzender der Partei und Sebastian Schmidtke, ebenfalls Vorstandsmitglied, Frank Krämer, Rechtsrocker und Neonazi-Youtuber und Nicole Schneiders, eine der Anwältinnen des verurteilten NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben. Schneiders sagt jedoch kurzfristig ab.
Zu Gast war aber auch Carsten Härle, der frühere hessische Landtagskandidat und Fraktionsvorsitzende der AfD in der Heusenstammer Stadtverordnetenversammlung, verurteilt wegen Volksverhetzung, seine Partei versucht ihn auszuschließen. Härles Name taucht mehrfach im Gutachten des Verfassungsschutzes auf, in dem die Behörde die Verfassungsfeindlichkeit der Partei untersucht. „Die Äußerungen Härles zur deutschen Geschichte überschreiten die Grenze zum rechtsextremistischen Revisionismus mehrmals“, heißt es dort unter anderem. Via Facebook hatte der Kommunalpolitiker etwa die Holocaustleugner*innen Ursula Haverbeck und Horst Mahler als „Märtyrer“ bezeichnet. Der Verfassungsschutz bescheinigt dem AfD-Politiker ein „geschlossenes rechtsextremistisches Weltbild“.
Nicht mehr in der AfD ist dagegen Dennis Augustin, ehemaliger Vorsitzender des AfD-Landesverbbandes Mecklenburg-Vorpommern und Kreistagsmitglied in Ludwigslust-Parchim. Augustin hatte laut Kontoauszügen, die exif vorliegen, Geld an Daniel Fiß gezahlt, ehemaliger stellvertretender Bundesvorsitzende der Identitären Bewegung (IB) – auch wenn zahlreiche Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten zum Umfeld der IB zählen und die Gruppierung in der Jugendorganisation der Partei (JA) beliebt ist, gilt eigentlich ein Unvereinbarkeitsbeschluss. Nachdem bekannt wurde, dass Augustin 1989 an einem NPD-internen Ausbildungslager teilgenommen hatte, wurde seine AfD-Mitgliedschaft 2019 aufgehoben. Mittlerweile bildet Augustin zusammen mit zwei weiteren Ex-AfD-Mitgliedern eine eigene Fraktion im Kreistag.
An einer Diskussionsrunde auf dem Netzwerktag nahmen neben NPD-Kader Schmidtke auch Kai Naggert, Mitgründer des Rechtsaußen-Labes NDS („Neuer deutscher Standard“) und „Sillo“ teil, ein Fitnesscoach, der auf Naggerts Label auftritt. Das Label wird auch durch Dominik Raupbach vertreten, der unter dem Namen „Kavalier“ als Liedermacher auftritt. Raupbach, genau wie Naggert und andere Label-Kolleg*innen kommen aus dem Umfeld der „Identitäre Bewegung“, einer rechtsextremen Gruppierung, die laut Eigendarstellung „alte weltanschauliche Irrwege“ – gemeint ist offene Neonaziideologie – hinter sich gelassen hat. Wie gut das funktioniert, zeigt zum Beispiel „Alva NDS“, angeblich Naggerts Partnerin und Rapperin des Labels. Sie trägt eine Halskette mit der Schwarzen Sonne, einem international verbreiteten Erkennungszeichen von Neonazis. Auch wenn das Label NDS vor einigen Jahren noch erfolgreicher war – gegründet wurde es unter anderem von Chris Ares, bürgerlich Christoph Aljoscha Zloch, der nach einer Chartplatzierungen von der Bildfläche verschwunden ist – erreichen auch der verblieben Labelrest noch einige meist jugendliche Fans. Naggert folgen auf Instagram 10.000 Menschen, Raupbach bringt es auf 3.500 Follower und „Alva NDS“ auf 2.500.
Die Vernetzungstaktik der NPD kommt Rechtsaußen offenbar sehr gut an. Die Neonazi-Partei ist offenbar weder der AfD noch der IB zu weit rechts. Kein Wunder, dass auch Martin Kohlmann von der Neonazi-Kleinstpartei „Freie Sachsen“ und Sascha Krolzig, früher „Die Rechte“, heute NPD, vor Ort waren. Aber auch Akteur*innen, die schon längst von der Bildfläche verschwunden schienen. In der Runde mit der NDS-Resterampe saß neben dem umtriebigen Neonazi-Unternehmer Frank Kraemer auch Melanie Dittmer. Die Aktivistin war in den 1990er Jahren in westdeutschen Neonazistrukturen organisiert. Überregional bekannt wurde Dittmer vor allem durch das rassistische Bündnis DÜGIDA (Düsseldorfer PEGIDA), an deren Spitze sie 2014 und 2015 stand. Seit Jahren trat Dittmer nicht mehr öffentlich in Erscheinung.
Das erklärte Ziel von Frank Franz, Vorsitzender der NPD, dass er auf allen Kanälen verbreitet, heißt mit Blick auf den Netzwerktag: „Kontaktschuld zerschlagen!“ Anders formuliert könnte es auch heißen: Rechtsextremismus normalisieren. Die NPD will raus aus der Schmuddelecke und gleichberechtigte Gesprächspartnerin sein. Die AfD kann zwar mittlerweile die Wähler*innen der Rechtsaußenpartei für sich reklamieren, doch die NPD hat im rechtsextremen Spektrum weiterhin Potential. Verbindungen zwischen alter und vermeintlich „neuer“ Rechte finden trotzdem bisher oft unter einem Deckmantel statt. Zu offensichtlich mit den Neonazikadern zu kuscheln, ist trotz enger personeller und ideologischer Verflechtungen nicht gern gesehen. Mit Veranstaltungen wie dem Netzwerktag macht sich die NPD attraktiver und schafft es vor allem, Neonazi-Ideologie wieder ein Stück weiter in Richtung Mitte zu tragen.