Zuerst erschienen bei Endstation rechts. Der Verein hat sich am 17. September nach der Veröffentlichung zu Wort gemeldet und die beiden Fußballer aus dem Team und von weiteren Veranstaltungen ausgeschlossen. Dies ist eine angemessene und begrüßenswerte Reaktion und zeugt von der Notwendigkeit antifaschistischer Recherche und Veröffentlichungen.
Im Internet präsentiert sich ein Fußballteam aus Heppenheim als harmloser Spaßverein. Sie geben sich betont witzig und biertrinkend – doch bei genauerem Blick zeigt sich, dass Neonazis im Team für die Kicker offenbar kein Problem darstellen.
Der erste Auftritt der Fußballmannschaft aus Heppenheim, deren Logo als auch Trikots wohl an den Drittligaverein Dynamo Dresden angelehnt sind, fand bei einem Hobbyturnier am 18. Mai statt. Veranstaltet wurde der Wettkampf vom Kreisligist SV Kirschhausen e.V. Auf Fotos auf dem Instagram-Account des Teams ist klar zu erkennen, dass zwei bekannte Neonazis, Luca K. und Leon S., zu dem Zeitpunkt offenbar bereits fester Bestandteil des Teams waren.
Auf Nachfrage bestätigte die Gruppe, die in keinem offiziellen Ligabetrieb aktiv zu sein scheinen, dass die beiden Rechtsextremen seit Anfang Mai im Team dabei wären. Besonders brisant daran ist, dass der Gegner aus dem ersten Spiel, der SV Kirschhausen, sich 2020 der Initiative „Fairplay Hessen“, die sich klar gegen Diskriminierung und Rassismus positioniert, angeschlossen hat. Hintergrund: Anscheinend gab es 2020 rassistische Vorfälle im Verein.
Aktivitäten bei Neonazi-Partei „Neue Stärke“
Am 22. Juli nahmen die Freizeitkicker aus Heppenheim bei einem weiteren Turnier, organisiert von „Super Kickers Mannheim“, teil. Auch hier war mindestens Luca K. Teil des Teams.
Auf einem Mannschaftsfoto posieren Luca K. und Leon S. mit dem Rest des Teams. Foto: Screenshot
Der Neonazi fiel zuerst Ende November 2021 bei Corona-Protesten in Frankfurt auf. Gemeinsam mit Leon S. sowie Arthur B. unterstützten sie die dortige IB-Struktur „Aktives Hessen“ auf der Demonstration. Der Schulterschluss mit den Identitären war jedoch nicht von langer Dauer, Anfang 2022 schlossen sich alle drei der neonazistischen Kleinstpartei „Neue Stärke“ an. Im Zuge dessen nahmen sie bundesweit an Neonazi-Aufmärschen teil, wie zum Beispiel am 1. Mai 2022 in Erfurt oder auch am 16. Juli 2022 in Mainz. Gekennzeichnet war ihr Auftreten von dem Versuch sich möglichst martialisch nach außen zu inszenieren. Nachdem die „Neue Stärke“ in der zweiten Hälfte des Jahres ein Stück weit auseinanderbrach, wurde es ruhiger um Luca K. Nur Leon S. ist weiterhin öffentlich in Erscheinung getreten.
Szene-Treffpunkt in Thüringen
So nahm S. in Speyer an der Beisetzung des verstorbenen Neonazis Christian Hehl teil, an der Trommel gab er den Takt vor. An dem Treffen nahmen rund 300 Personen der extremen Rechten teil, darunter Hammerskins, Hooligans und Rocker.
Zwei Tage nach der ersten Turnierteilnahme des Teams besuchte Leon S. am 20. Mai ein Rechtsrock-Konzert in der Eisenacher NPD-Zentrale „Flieder Volkshaus“. In dem Gebäude trainierte auch die aktuell wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen vor Gericht stehende militante Neonazi-Gruppe „Knockout 51“. Ihnen wird vorgeworfen, „national befreite“ Zonen in Eisenach errichten zu wollen und trainierten für den Kampf gegen politische Gegner*innen – laut Bundesanwaltschaft mit Tötungsabsicht.
Zahlreiche Kontakte in rechte Szene
Dass Leon S. keine Berührungsängste mit rechtsterroristischen Strukturen hat, zeigt sein Besuch in Dortmund-Dorstfeld. Gemeinsam mit einer Delegation aus Rheinland-Pfalz reiste er zu Lagerverkauf des neonazistischen Kampfsportlabels „Kampf der Nibelungen“. Auch vor Ort: Marko Gottschalk, Sänger der Rechtsrock-Band „Oidoxie“, der immer wieder Sympathien für das in Deutschland verbotene „Blood&Honour“-Netzwerk nachgesagt werden.
Auf einem kürzlich von S. veröffentlichten Bild posiert er zudem mit dem Neonazi Arthur B. und weiteren Personen – zu sehen sind NS-Devotionalien wie in etwa Flaggen mit der Schwarzen Sonne. Eine Person trägt eine schwarze Zipfelmütze sowie ein Oberteil mit einem Logo des „Ku-Klux-Klan“, die einen „Rassenkrieg“ propagieren. Bei Arthur B. fand Ende letzten Jahres eine Hausdurchsuchung satt. Er steht im Verdacht, sich mit anderen jungen ehemaligen „Neue Stärke“ Neonazis bewaffnen zu wollen. Ihnen wird die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat vorgeworfen. Neben der Hausdurchsuchung bei B. wurden auch Wohnungen in Mannheim durchsucht – dem damaligen Wohnort von Leon S.
Rechte Einstellungen geduldet?
Dass die beiden Rechtsextremen nicht nur Randfiguren der sich selbst als „Spaßfußballer“ bezeichnenden Fußballmannschaft sind, zeigen die vielen Veröffentlichungen von Fotos und Videos, auf welchen die beiden exponiert Raum einnehmen. Besonders bei vermeintlich unpolitischen Freizeitevents liegt die Gefahr, menschenverachtende Ideologie unterschwellig zu verbreiten. Anwesende mit Ansätzen eines latent rechten Weltbilds erfahren Zuspruch und Bestätigung. Antidemokratische Einstellungen werden nach und nach normalisiert.
„Neonazis im Team oder Verein zu dulden bedeutet immer, auch ihre Einstellungen zu dulden. Doch neonazistische Ideologie ist nicht normal, sondern zutiefst menschenverachtend“, so der Rechtsextremismus-Experte Robert Claus dazu. Sport dürfe kein Mittel für sie sein, „ihre Netzwerke auszubauen und womöglich gegnerische Spieler zu bedrohen.“
„Politische Einstellung nicht von Bedeutung“
Bei dem heute 21-jährigen Leon S. muss attestiert werden, dass er über ein geschlossenes neonazistisches Weltbild verfügt. Bereits im Juli 2019 nahm er in Kassel an einer Demo der Neonazi-Partei „Die Rechte“ teil. Diese fand kurz nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke statt. Damals war Seeger noch jugendlich, zeigte allerdings keine Berührungsängste zum gewaltvollen neonazistischen Milieu.
„Nationalität, Religionszugehörigkeit oder politische Einstellung ist bei uns nicht von Bedeutung“, heißt es in einer Stellungnahme der Fußballmannschaft auf eine Anfrage von ENDSTATION RECHTS. Von den rechtsextremen Aktivitäten der beiden Männer habe man nichts gewusst und wolle diese nun darauf ansprechen. Im Anschluss soll eine Entscheidung getroffen werden, ob sie Teil des Teams bleiben können.
Klare Kante gefordert
Die nächste geplante Turnierteilnahme findet am heutigen Freitag statt, welches vom Kreisoberligisten SC Olympia Lorch 1907 e.V. organisiert wird. Auch hier ist Leon S. prominent auf einem Foto zu erkennen.
Nachdem das Engagement der beiden Rechtsextremen bei der Neonazi-Minipartei „Neue Stärke“ nicht sonderlich von Erfolg gekrönt war, haben sie nun offenbar ein neues Agitationsfeld gefunden – und können unterschwellig ihre Ideologie bei Freizeitfußballturnieren verbreiten. Mindestens im Fall von Leon S. und dessen Verbindungen in die militante Neonaziszene ist dies nicht zu unterschätzen und eine Gefahr für alle Teilnehmenden, welche nicht ins völkische Weltbild passen. Zivilgesellschaft muss hier reagieren, wofür auch Robert Claus plädiert: „Vereine müssen hier eine klare Kante ziehen und die Spieler ausschließen.“