An dieser Stelle dokumentieren wir einen Redebeitrag der Prozessbeobachtungsgruppe, der zu Beginn des Reicsbürger Prozesses in Frankfurt-Sossenheim auf der antifaschistischen Kundgebung gehalten wurde.

Liebe Genossinnen, seit vielen Jahren finden in Frankfurt, Hessen und bundesweit Prozesse gegen RechtsterroristInnen statt. Sei es der Prozess um den Mörder von Walter Lübcke und den Mordversuch an Ahmed I., der Prozess gegen den Rechtsterroristen Franco Albrecht oder das Verfahren gegen Alexander M. im „NSU 2.0“-Verfahren mitsamt Verstrickungen ins erste Polizeirevier an der Konstablerwache. Heute startet hier in Sossenheim ein weiterer Mammutprozess gegen mutmaßliche Mitglieder einer Rechtsterrorgruppierung. Damit häufen sich Meldungen über Skurrilitäten oder Narrative wie die sogenannter „Rollator-Terroristen“. Mit dem starken Fokus auf solche Absurditäten, wird die Gefahr und Schlagkraft von Reichsbürgern massiv unterschätzt. Die Überbetonung von Skurrilitäten übersieht das Potential, welches in Form von Plänen, Waffen und Bereitschaft in der Reichsbürgerszene im Allgemeinen aber auch bei der Patriotischen Union dezidiert vorhanden war und ist. Die Öffentlichkeit und viele Medien hängen sich an dem vermeintlichen Rädelsführer der Gruppe, Heinrich Reuß, auf und lassen damit die weiteren über sechzig Beschuldigten außer Acht. In Frankfurt soll der so bezeichnete Rat der Gruppe „Patriotische Union“ vor Gericht stehen, dazu zählen laut derzeitigem Anklagestand neun Personen. Im April startete bereits der Prozess gegen weitere Beschuldigte, welche einem militärischem Arm der Umstürzler zugeordnet werden.

Als Antifaschistinnen ist es unsere Aufgabe, das ganze Netzwerk in den Blick zu nehmen, Zusammenhänge zu erkennen, herauszuarbeiten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Außerdem sind die Betroffenen rechten Terrors und solidarische Begleiterinnen und Beobachterinnen diejenigen, die falsche Narrative in der Öffentlichkeit gerade rücken können und müssen. Hört Betroffenen rechter Gewalt zu, unterstützt sie, macht gemeinsam mit ihnen ihre Forderungen laut!
Nicht erst seit dem Auffliegen des NSU ist klar, dass wir uns in Sachen Rechtsterrorismus nicht auf den Staat verlassen können. Wir müssen eine kritische Gegenöffentlichkeit schaffen. Rechter Terror ist tödlicher denn je, Hessen bleibt ein unerschütterliches Beispiel dafür. Wollen wir diesen Tendenzen etwas entgegensetzen, ist es umso wichtiger Nazis und Rechtsterroristen genaustens auf die Finger zu schauen. Mit einer kritischen Beobachtung soll ebenfalls der Normalisierung rechten Terrors und der dazugehörigen Prozess entgegenwirkt werden. Es darf zu keiner Gewöhnung oder Normalisierung rechten Terrors und dessen Aufarbeitung kommen. Sei ein Prozess und deren Beteiligte noch so absurd und skurril, Rechtsterroristen bleiben gefährlich und gehören bekämpft. Lasst uns weiterhin den Finger in die Wunde legen, Nazis konsequent; egal ob auf der Straße oder anderswo bekämpfen!