Pressemitteilung des Ermittlungsausschuss Aschaffenburg.

Die letzten rechten Aufmärsche sind inzwischen einige Monate her, für viele Aktivist*innen, die diese Raumnahme von Rechten nicht einfach hinnehmen wollten und die sich diesen entgegengestellt haben, sind die Auswirkungen aber immer noch in Form von Repressionen schmerzhaft zu spüren. Aktuell sind viele von ihnen mit Strafverfahren konfrontiert. Von den ersten überzogenen Strafvorwürfen der Behörden hat sich zwar vieles inzwischen in Luft aufgelöst. Übriggeblieben ist aber leider in vielen Fällen immer noch der Vorwurf des Verstoßes gegen das Vermummungsverbot, in erster Linie durch das Tragen von FFP2- oder sonstigen Gesundheitsmasken. Dafür werden gerade Geldstrafen verhängt, die die Betroffenen hart treffen – viele sind noch sehr jung, viele sehen sich das erste Mal mit Repression konfrontiert und fühlen sich ausgeliefert und viele sind auch schon ohne Geldstrafe, Verteidigungs- und Verfahrenskosten in finanziell schwieriger Situation. Dabei ist es doch sicherlich auch den Betroffenen zu verdanken, dass Aschaffenburg nicht endgültig zur Propagandabühne von Rechtsextremen, Neonazis, Querdenker*innen etc. geworden zu sein scheint.

Dass das nicht passieren soll, darüber waren sich doch angeblich alle in Stadtverwaltung und bürgerlicher Zivilgesellschaft ach so einig… Dann sollte es wohl aber zumindest der Mühe wert sein, nicht einfach blind das verinnerlichte „Schema F“ anzuwenden, innerhalb dessen reflexhaft Rechts und Links gleichgesetzt bzw. im Zweifel Linke härter bestraft werden. Dann sollte sich eigentlich die Frage aufdrängen, wie es sein kann, dass etwas wie das Tragen einer Gesundheitsmaske, das gerade eben noch gesellschaftlich erwünscht oder sogar verpflichtend war, nun plötzlich eine Straftat sein soll. Für diese Kehrtwende gab es keinen „Stichtag“ und keine Bekanntmachung, wodurch erkennbar gewesen wäre, was ab wann als verboten gelten soll und worauf mensch sich somit hätte einstellen können. So etwas kann es auch nicht gegeben haben, weil es nämlich tatsächlich eine individuelle Entscheidung ist, wie sich jeder vor Ansteckungsrisiken schützen möchte. Erst recht muss diese Freiheit in Situationen bestehen, in denen regelmäßig mehr Dichte und Nähe zu erwarten sind, wie eben bei Versammlungen. Wenn mensch sich die Mühe machen würde genauer hinzusehen, dann wäre außerdem klar, welche persönlichen Risiken es bedeutet, sich offen und identifizierbar gegen einen mit Getrommel und Parolen aufgeheizten rechten Mob zu positionieren – zumal wenn sich in diesem Mob regelmäßig Vertreter*innen rechtsextremer Organisationen sowie bekannte Neonazis
befinden. Wer will, kann sehr einfach im Netz die Videos finden, in denen die rechten Akteur*innen ihre Aufmärsche in Wort und Bild abfeiern und dabei immer wieder auch Gegendemonstrantinnen sehr deutlich ins Visier nehmen.

Die Folge sind Bedrohungen, die Nennung der Anschrift von linken Aktivist*innen bei rechten öffentlichen Versammlungen und das Abladen von Misthaufen vor den Türen von Personen, die sich gegen Rechts engagieren. Und es gab nunmehr als mutmaßlich weitere Eskalation am 6. Mai 2024 einen Anschlag auf die Räume des Stern e.V., dem linken Zentrum in Aschaffenburg und Feindbild rechter Stimmungsmacher*innen.

Wenn Genoss*innen sich also schützen und für Rechte unerkannt bleiben wollen, dann ist das absolut nachvollziehbar und leider zum Selbstschutz auch offensichtlich notwendig. Die Strafbarkeit wegen Vermummung hat genau bestimmte gesetzliche Voraussetzungen. Wenn diese nicht erfüllt sind, dann kann es auch keine Strafe geben. Eine dieser Voraussetzungen ist es, dass die Aufmachung darauf gerichtet sein muss, die Feststellung der Identität durch Polizei und Ordnungsbehörden zu verhindern. Schon vor der Corona-Pandemie wurde das auch von Gerichten zu Recht verneint, wenn die vermummende Aufmachung einem anderen Zweck, nämlich z.B. dem Schutz vor politischen Gegner*innen diente. Nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie kommt hier nun noch ein weiterer ebenfalls straffreier Zweck hinzu.

In Anbetracht der erschreckend schnell fortschreitenden Faschisierung der Gesellschaft und der immer mehr ansteigenden Zahl rechter Gewalttaten ist es höchste Zeit endlich die zur Konstruierung einer Strafbarkeit benutzte (Fehl-)Einschätzung aufzugeben, dass schon allein eine Vermummung eine Gefahr darstellen würde. Die eigentliche Gefahr geht von den Rechten aus, vor denen sich die Gegendemonstrantinnen versuchen zu schützen. Wir stehen an der Seite der von den Repressionen betroffenen Genossinnen und fordern die Einstellung der gegen sie geführten Strafverfahren.

Solidarisch im Kampf gegen Rechts!
Solidarisch mit den von Repression betroffenen Genoss*innen!