Nach dem Mordanschlag von Wächtersbach 2019 wurde eine Kundgebung organisiert. Hier war auf einem Transparent zu lesen „Kein Platz für Rassismus“. Als Absichtserklärung durchaus positiv, als Ist-Zustand fatal.
Es ist nicht nur eine Kneipe in Wächtesbach, wo zu den Böhsen Onkelz das ein oder andere Ressentiment geteilt wurde, oder die Kneipe in Biebergemünd, in der offen Mordphantasien ausgesprochen wurden. Es gibt sie vielerorts; Kneipen, Kirmesbänke, Gartenpartys oder einfach der Pausenraum im Betrieb. Die Orte, in denen Rassismus offen ausgesprochen werden kann gibt es überall. Und es sind überdies nicht nur Orte abseits der sogenannten Mehrheitsgesellschaft. Nazis und Rassist*innen leben nicht in einem abgelegenen Teil der Gesellschaft. Sie leben unter uns, mit uns. Sie sitzen in der Kirche neben uns, stehen im Supermarkt vor uns, sind im gleichen Verein aktiv, ihre Kinder gehen in die gleichen Schulen oder sind bei Familienfesten. Es sind die Orte und Momente wo das Aktivwerden gegen solche Weltbilder konkret werden muss. Hier muss interveniert und widersprochen werden; hier muss die Absichtserklärung „Kein Platz für Rassismus“ ganz konkret werden.
Weiter noch: meist liegt die Fehlanahme vor, dass Rassismus lediglich bei Rechten zu finden ist. Rassismus ist aber nicht immer Teil eines rechten Weltbildes, sondern kann auch bei jenen auftreten, die mit einem „Refugees Welcome“-Shirt daherkommen. Denn Rassismus fängt bei einer Unterteilung an, dem „Wir“ und dem „Die“. Nicht nur die Abwertung, sondern auch das „ich helfe doch nur“, weil „die“ es nicht alleine schaffen. Es ist eine Überhöhung, die nicht immer auf einer offenen Feindseligkeit aufbauen muss, sondern bereits bei der Sortierung anfängt, wer von hier und wer fremd ist.
Ist also ernsthaft daran gelegen, einen Ort oder einen Raum zu schaffen in dem Rassismus keinen Platz hat, reicht es nicht aus, sich lediglich gegen rechte oder offenkundige Rassist*innen zu wenden, reicht es nicht aus sich mit wohlklingenden Floskeln zu positionieren. Die Auseinandersetzung mit Rassismus und die Bekämpfung, fängt mit der eigenen Reflexion an und mit der Intervention, auch – und vor allem – im eigenen sozialen Umfeld.
Auch ist es essentiell, Rassismus nicht nur als eine Verfehlung einzelner Menschen, sondern vielmehr als eine Machtstruktur in der Gesellschaft begreifen. Was bei der Suche nach einem Arbeitsplatz oder einer Wohnung für Betroffene ganz real ist, ebenso wie bei Debatten um schneller Abschiebungen oder die Einschränkung auf Sachleistungen für geflüchtete Menschen.
Wer also dem Anspruch gerecht werden will, dass es kein Platz für Rassismus geben soll, kann es nicht dabei belassen Schilder hochzuhalten, sondern muss Strategien entwickeln, wie zu intervenieren ist, wenn bekannt ist, dass der Nachbar Rassist ist oder in der Kneipe eine rechte Kultur gepflegt wird. Auch die Reflexion des eigenen Denkens, der eigenen Vorurteile, des Bevormunden, des vermeintlichen Helfens muss Teil der Auseinandersetzung mit Rassismus sein.