Erschienen in der Hessenschau
Am Langener Waldsee wollen Aktivisten verhindern, dass Bäume für den Abbau von Kies und Sand gefällt werden. Schon lange gibt es Streit um den Wald, der ursprünglich unter besonderem Schutz stand.
Nach einem jahrelangen Rechtsstreit um Rodungen für den Sand- und Kiesabbau am Langener Waldsee schien es, als sei die Zukunft des Waldstücks im Kreis Offenbach endgültig besiegelt. Doch obwohl aktuell keine Bäume gefällt werden sollen, hat sich am Wochenende neuer Protest gegen die Ausdehnung des Tagebaus im Wald formiert: Rund 20 Aktivistinnen und Aktivisten erklärten den „Banny“ für besetzt.
Was es mit dem sogenannten Langener Bannwald auf sich hat, warum die Sache eigentlich als erledigt galt, worum es den Besetzerinnen und Besetzern jetzt geht – und wie es weitergeht:
Worum geht es bei der aktuellen Besetzung am Langener Waldsee?
Die Gruppe Wald Statt Asphalt will nach eigenen Angaben verhindern, dass am Langener Waldsee weiter Bäume für den Kies- und Sandabbau gerodet werden. „Es kann nicht sein, dass in Zeiten des Waldsterbens und einer sich immer weiter verschärfenden Klimakrise wertvolle und intakte Waldstücke wie der Langener Bannwald gerodet werden“, erklärte die Gruppe.
Bereits Anfang des Jahres gab es an dem Kieswerk eine anonyme Sabotageaktion, zu der Wald Statt Asphalt eine Mitteilung veröffentlichte – allerdings mit dem Zusatz, den Text anonym zugespielt bekommen zu haben.
Was ist in dem Waldgebiet am Kieswerk geplant?
Das Unternehmen Sehring baut in dem Bereich bei Langen seit Jahrzehnten Sand und Kies ab, woraus der Langener Waldsee als einer der größten Baggerseen im Rhein-Main-Gebiet entstand.
Um den Tagebau auszuweiten, bekam das Unternehmen 2013 die Genehmigung zur abschnittsweisen Rodung von rund 64 Hektar Wald durch das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt. Etwa 30 Hektar davon sind laut der Behörde bereits gerodet.
Alle zwei Jahre muss das Regierungspräsidium zusätzlich zur grundsätzlichen Genehmigung eine Zulassung für die Durchführung von Rodungen erteilen. Im aktuellen Plan bis August 2025 seien keine Rodungen geplant und daher auch nicht zugelassen, teilte das RP mit.
Was bedeutet die Einstufung als Bannwald?
Nach dem Hessischen Waldgesetz ist Bannwald die höchste Schutzkategorie für Wälder. Wald kann von den zuständigen Forstbehörden zu Bannwald erklärt werden, wenn er „im Hinblick auf seine Schutz-, Klimaschutz- und Erholungsfunktion in besonderem Maße schützenswert ist“, heißt es dazu im Gesetz.
Die Einstufung als Bannwald kann aber aufgehoben werden. Das passierte in der Vergangenheit unter anderem für den Bau des Frankfurter Flughafens, aber auch für die Ausweitung des Kiesabbaus mit den betroffenen Waldstücken in Langen.
Seit einer Novelle des Hessischen Waldgesetzes 2022 sind die Ausnahmen, mit denen eine Aufhebung begründet werden kann, enger gefasst als noch 2013, als das Unternehmen Sehring seine Genehmigung bekam.
Was ist die rechtliche Grundlage für die Rodungen?
Zunächst entschied die Langener Stadtverordnetenversammlung, dass die Firma Sehring in dem städtischem Wald Kies und Sand abbauen darf.
Da es sich um Bannwald handelte, musste das Regierungspräsidium Darmstadt diese Einstufung aufheben. Die Behörde segnete die Pläne der Firma Sehring 2013 größtenteils ab und genehmigte eine Ausweitung des Tagebaus auf rund 64 Hektar. Das Unternehmen hatte für die sogenannte Südosterweiterung ursprünglich 82 Hektar beantragt.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) klagte gegen die Aufhebung des Bannwald-Status‘ in mehreren Instanzen. 2022 entschied das Bundesverwaltungsgericht Leipzig entgültig, dass die Genehmigung und die Zulassungen für die Firma rechtmäßig sind.
Mehr als neun Jahre lang hat der BUND Hessen gegen die Erweiterung des Sand- und Kiesabbaus am Langener Waldsee gekämpft. Jetzt hat der Umweltschutzverband den Rechtsstreit endgültig verloren.
Was sagt das Unternehmen zur Protestaktion?
Stefan Sehring, der Geschäftsführer der Firma Sehring, verurteilte die aktuelle Protestaktion im Wald scharf. Er bezeichnete die Aktivisten als „Antidemokraten, die Gesetze und Rechtsgrundlagen mit Füßen treten“. Die Verursacher von Schäden, die durch die Protestaktion entstünden, werde das Unternehmen „mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgen“.
Weiter schrieb Sehring: „Jeder Unternehmer in Deutschland sollte sich zukünftig überlegen, ob unter solchen Bedingungen Investitionen in der Bundesrepublik Deutschland noch sinnhaft sind, insbesondere in der Rohstoffbranche.“
Wie geht es am Langener Waldsee weiter?
Die Besetzer-Gruppe Wald Statt Asphalt teilte mit, sie habe „Strukturen für einlangfristiges Projekt zum Schutz des Waldes aufgebaut“. Was das konkret bedeute, erklärten die Aktivisten nicht. „Wir werden nicht freiwillig gehen“, sagte ein Sprecher der Gruppe.
Markus Schaible, Sprecher der Stadt Langen, forderte die Aktivistinnen und Aktivisten auf, „den Wald sofort zu verlassen und nicht weiter zu beschädigen“. Das Ordnungsamt sei in „ständiger Absprache mit der Polizei über weitere Maßnahmen“. Ob es dabei auch um eine Räumung gehe, sagte der Stadtsprecher nicht.
Die Polizei berichtete, bislang seien keine Straftaten festgestellt worden. Die Aktion bewege sich im Bereich der Ordnungswidrigkeiten, so dass es für die Polizei noch „keine akuten Handlungszwänge“ gebe.
Wie reagieren Kritiker des Kiesabbaus?
Der Vorsitzende des BUND Hessen, Thomas Norgall, hält die neue Protestaktion gegen die Rodungen für wenig aussichtsreich. Er verstehe nicht, was man sich nach dem abgeschlossenen Rechtsstreit noch erhoffe, sagte er. Gleichzeitig distanzierte er sich von der Aktion der Besetzer: „Das ist nicht unser Stil.“
Mehr Zustimmung für die Protestaktion gab es von der Bundesvorsitzenden der Linken, Janine Wissler. „Die Zerstörung des Langener Bannwalds für den Kiesabbau ist ein ökologisches Verbrechen“, teilte sie mit. Sie besuchte eine Mahnwache der Klimaaktivistinnen und -aktivisten am Montag vor Ort.
Auch der Landesvorsitzende der Linken in Hessen, Jakob Migenda, bekundete seine Unterstützung und kritisierte den Abbau von Kies für die Bauindustrie, der zum „globalen Anfeuern der Klimakrise“ beitrage.
Welche Reaktionen gibt es noch auf die Aktion?
Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende im Hessischen Landtag, Stefan Naas, reagierte auf die Waldbesetzung – allerdings mit Unverständnis. Die Aktivistinnen und Aktivisten hätten „den Blick für die Realität verloren“, sagte Naas. Der Rechtsstreit sei ausgefochten und die Entscheidung des Gerichts zu akzeptieren, außerdem würden Sand und Kies als Rohstoff für den Wohnungsbau in Hessen dringend gebraucht, betonte er.