Wir dokumentieren hier einen neuen Recherche-Artikel von Rhein-Main Rechtsaußen.
Das Bündnis zwischen Teilen der Friedensbewegung und dem Querdenken-Netzwerk festigt sich
Die Friedensbewegung ist in der Krise: überaltert, zerstritten und ohne politische Durchschlagskraft. Ein Teil von ihr setzt nun auf das Bündnis mit dem Querdenken-Netzwerk und der rechten Verschwörungsszene. Mit ihnen will man eine »neue Friedensbewegung« aufbauen und träumt bereits von einer Massenbewegung. Tragende Rollen spielen dabei die Kampagne Stopp Air Base Ramstein, die Initiative Frieden-links und die Friedens- und Zukunftswerkstatt aus Frankfurt.
Wiesbaden, 31. August 2024: Wenn Trennendes überwunden wird
Unter dem Motto: »Krieg beginnt hier! Verhandlungen statt Eskalation!« demonstrierten am 31. August 2024 knapp 200 Personen am US-Militärstandort Wiesbaden / Mainz-Kastel. Dazu hatten 20 OrgWir dokumentieren hier einen neuen Recherche-Artikel von Rhein-Main Rechtsaußen.anisationen aufgerufen, darunter das Bündnis Sahra Wagenknecht Wiesbaden, Die Linke Wiesbaden, der Bundesverband der Migrantinnen, die VVN-BdA Frankfurt und die Students for Palestine. Veranstalter war die Friedens- und Zukunftswerkstatt aus Frankfurt.
Unter den Teilnehmenden waren etliche Personen, die sich in der Vergangenheit an Aufzügen der rechten Verschwörungsszene beteiligt hatten. Angehörige der rechten Politsekte Bürgerrechtsbewegung Solidarität (BüSo) verteilten unbehelligt ihre Zeitschrift, in der sie Sympathien für Donald Trump und Victor Orbán zum Ausdruck bringen.
Die Eröffnungsrede der Veranstaltung hielt Willi van Ooyen, Politiker der Partei Die Linke und Vorstandsmitglied der Friedens- und Zukunftswerkstatt. Hartmut Bohrer, Stadtverordneter von Die Linke in Wiesbaden, forderte, dass man »Trennendes überwinden« müsse, um die Friedensbewegung voran zu bringen. Michael Müller von den Naturfreunden sprach das drängende Problem der Klimakrise an und erhielt dafür nur spärlichen Applaus. Auch der Linkspartei-Studierendenverband SDS beteiligte sich mit einer Rede.
Schließlich übergab Willi van Ooyen das Mikrofon an die Frankfurterin Regina Stöber-Yurdakul. Als Vertreterin einer »Aktionsgruppe Waffen-Embargo« stellte sie eine Kampagne gegen das Logistikunternehmen Maersk vor, welches Waffenlieferungen nach Israel durchführe und dadurch »seine Mitschuld am Völkermord an den Palästinensern« trage. In dem Flugblatt, das sie auf der Kundgebung verteilte, heißt es: »Maersk ist eines der profitabelsten Unternehmen der Welt, dessen Geld vom Blut von 40.000 palästinensischen Märtyrern getränkt ist.« Stöber-Yurdakul verschwieg, dass sie auch Sprecherin des Grüppchens Widerstand 4.0 ist, das seit 2020 in Frankfurt Kundgebungen durchführt, um angebliche Wahrheiten über »Klimaschwindel«, »Great Reset« und »Gender-Ideologie« zu verkünden.
Überraschend waren der Auftritt von Stöber-Yurdakul und das Erscheinen der BüSo nicht. Schon am 8. November 2023 bei der Veranstaltung »Krieg ohne Ende? – Möglichkeiten für Frieden in Israel und Palästina« im Frankfurter Gewerkschaftshaus hatte Stöber-Yurdakul eine Rede gehalten und die BüSo ihre Zeitschrift verteilt – ohne dass sich jemand bemüht hätte, dies zu unterbinden. Auch diese Veranstaltung hatte die Friedens- und Zukunftswerkstatt ausgerichtet.
Manche Anwesenden in Mainz-Kastel konnten ihre Enttäuschung über die geringe Beteiligung nicht verbergen, auch dürfte das Durchschnittsalter der Teilnehmenden deutlich über 50 Jahre gelegen haben. Tatsächlich ist der Teil der Friedensbewegung, der hier zusammenkam, für viele Antifaschist*innen, Antimilitarist*innen und Klimaaktivist*innen seit vielen Jahren kein politischer Partner mehr. Auch etliche Gruppen, die sich selbst der Friedensbewegung zurechnen, haben sich abgewendet. Die Vorwürfe reichen von »Rechtsoffenheit« bis zu gezielter Querfront-Strategie. In der Kritik steht insbesondere die Kampagne Stopp Air Base Ramstein, mit der die Friedens- und Zukunftswerkstatt eng verbunden ist.
Die Zäsur der Friedensbewegung
Noch immer herrscht vielfach die irrige Annahme, Pazifismus sei eine per se linke Einstellung. Tatsächlich ist die Friedensbewegung seit jeher politisch breit aufgestellt und schloss nationalistische Positionen nie aus. Wohl gab es dort viele, die die »internationale Solidarität« proklamierten und sich als links und antiimperialistisch verstanden. Anderen Friedensbewegten ging es primär darum, Schaden vom »deutschen Volk« abzuwenden, das – so die häufige Argumentation – durch die Weltkriege so viel habe erleiden müssen. Die Besatzung Deutschlands empfand man als nationale Demütigung und die Parole »Besatzer raus« erklang in linken wie rechten Liedern und Demonstrationsblöcken. Eine Position, die von der BRD die Herauslösung aus der Westbindung und die Priorisierung nationaler Eigeninteressen anstelle internationaler Kooperation fordert (auch »Nationalneutralismus« genannt) gehört seit 1945 zu den ideologischen Grundpfeilern der deutschen extremen Rechten.
Dass man sich in der westdeutschen Friedensbewegung zuvorderst gegen die NATO wendete, erscheint logisch, doch waren die Grenzen zwischen Antiimperialismus und Antiamerikanismus stets fließend. Ein ideologisches Bindeglied zwischen den Spektren war und ist der Souveränismus: Die Ansicht, dass Deutschland ein besetztes Land und ein Vasall der USA sei und seine Souveränität zurückerlangen müsse. Deutsche Politiker*innen sind in diesem Denken keine eigenständig handelnden Personen, sondern Marionetten fremder, feindlich gesinnter Mächte. Das »deutsche Volk« sieht man demzufolge als Leidtragende der Konflikte, die »uns« von diesen angeblich aufgezwungen werden.
Im Jahr 2014 erlebte die vor sich hindämmernde Friedensbewegung eine Zäsur. Auf den Sturz der prorussischen Regierung in der Ukraine (»Euromaidan«) folgten die Annexion der Krim durch Russland und militärische Auseinandersetzungen in der Ostukraine. Die Gefahr eines Krieges kaum 1000 Kilometer von Deutschland entfernt war auf einmal real. Ab Ende 2014 fanden deutschlandweit wöchentlich »Montagsmahnwachen« bzw. »Friedensmahnwachen« statt und man wähnte sich in einem »Friedenswinter«. In diesem kam es zum Schulterschluss von Teilen der Linken und Aktiven der Friedensbewegung mit ReichsbürgerReichsbürger bilden ein heterogenes Spektrum von AktivistInnen und Gruppen, die den Fortbestand des Deutschen Reiches propagieren. Je nach Gruppierung wird dabei auf das Deutsche Reich in unterschiedliche territorialer Ausdehnung Bezug genommen oder es werden eigene »Königreiche« ausgerufen. Dabei verfließen die Kreise der Reichsbürger mit denen der SelbstverwalterInnen. Reichsbürger behaupten u.a., dass Deutschland kein souveräner Staat sei, sondern ein Konstrukt der…Innen, AnhängerInnen der Truther-Bewegung, EsoterikerInnen und rechten alternativen Medien. So durfte auf den »Montagsmahnwachen« in Frankfurt jede*r am offenen Mikrofon beliebige Verschwörungsmythen ausbreiten und von der spirituellen Weltheilung fantasieren. Als Stargast reiste damals der antisemitische Verschwörungsideologe Ken Jebsen aus Berlin an.
Zwar spiegelten diese Versammlungen nicht die Gesamtheit der Friedensbewegung wider und viele Friedensaktivist*innen blieben diesen fern. Doch setzten die Netzwerke der Friedensbewegung dem nichts Wirkungsvolles entgegen. Sie konnten (oder wollten) nicht verhindern, dass diese von Verschwörungsdenken getriebene Masse das Label »Friedensbewegung« für sich vereinnahmte. Es war das Ende der »alten« Friedensbewegung.
Die Kampagne Stopp Air Base Ramstein
Ein Sammelpunkt von Personen, die im »Friedenswinter« 2014/2015 zusammengefunden hatten, ist die Kampagne Stopp Air Base Ramstein. Seit ihrer Gründung im Jahr 2015 ist sie eine Schnittstelle von Friedensinitiativen und der politischen Rechten.
An die Kampagne ist der Verein Aktiv für den Frieden – Stopp Ramstein e.V. gekoppelt der seinen Sitz und sein Büro in Berlin hat. Er wird von den Berlinern Reiner Braun und Pascal Luig repräsentiert, die bis 2022 Vorstandsmitglieder des Vereins waren. Reiner Braun ist ein altgedienter Funktionär in friedenspolitischen Organisationen, der ungeachtet aller Kritik Akteur*innen des »Friedenswinters« in die Friedensbewegung integrierte. Er sprach am 29. Juni 2024 neben Diether Dehm von der Partei Die Linke auf einem Aufzug der rechten Verschwörungsszene in Frankfurt. Pascal Luig leitet den Verein als Geschäftsführer. Er war von 2015 bis 2021 wissenschaftlicher Mitarbeiter von Diether Dehm, der zu dieser Zeit noch Mitglied des Bundestags war. Kassenwärtin des Vereins war bis Sommer 2022 Inge Höger aus Herford, eine Politikerin der Partei Die Linke, die Bekanntheit durch antisemitische Vorfälle erlangte. So hatte sie etwa auf einer »Konferenz der Palästinenser in Europa« 2011 in Wuppertal eine Rede gehalten und sich dabei einen Schal umlegen lassen, der die Landkarte des Nahen Ostens ohne Israel zeigte.
Schon bald nach Gründung wurde deutlich, dass Stopp Air Base Ramstein auf die »nationale Karte« setzen würde anstatt ein internationalistisches Profil zu entwickeln. So trägt eine Presseerklärung des Koordinierungskreises der Kampagne vom März 2017 den Titel »Schaden vom deutschen Volk abwenden«. In dieser geht es inhaltlich unter anderem um die Umweltbelastung durch die Air Base und um Drohneneinsätze, die von dort gesteuert werden. Die Leidtragenden der Drohnenangriffe des US-Militärs sind dabei sicher nicht im »deutschen Volk« zu finden.
Schon bald rückten die ersten Gruppen von der Kampagne Stopp Air Base Ramstein ab. Das Netzwerk Krieg beginnt hier begründete 2017 seinen Austritt mit einer »Rechtsoffenheit (oder rechtsoffene Wirkung), was Themen, Zielgruppen und Kooperationen sowie vor allem einzelne Redner anbelangt.« Als Beispiel führte es eine Rede des Verschwörungsideologen Daniele Ganser an, die dieser am 8. September 2017 im Rahmen der Kampagne Stopp Air Base Ramstein in einer Kirche in Kaiserslautern gehalten hatte. Dort hatte Ganser gesagt:
»Ich darf das als Schweizer sagen. Ich sehe das so von außen, was hier läuft. Deutschland wird immer niedergedrückt mit dem Stichwort ›Hitler – Nationalsozialismus‹. Das ist eine psychologische Kriegsführung, die sie schon seit vielen Jahren erleiden. Jeden Abend um 10:00 Uhr: Hitler Waffensystem so, die Schergen so, alles, immer, das läuft immer. Und das ist ein Trick, um sie runterzubügeln. Und dann sage ich, man müsste eigentlich diese Verbindung ›Deutschland – Hitler‹, die müsste man kappen und man müsste machen ›Deutschland – Goethe‹«.
Das Publikum hatte dies mit tosenden Applaus und »Bravo«-Rufen quittiert. Krieg beginnt hier analysiert: »Ganser bedient mit seinen Aussagen den Schuldkult-Narrativ der Neuen und Alten Rechten und erfuhr bis heute keinen eindeutigen Widerspruch der Stopp-Ramstein-Kampagne.«
Am Tag nach Gansers Rede, den 9. September 2017, nahmen mehrere tausend Menschen in Ramstein an einer Menschenkette an der Air Base teil. Auf der Abschlusskundgebung trat als Hauptredner Ken Jebsen auf. Der Moderator Klaus Hartmann von den Freidenkern, auch er Mitglied im Koordinierungskreis Stopp Air Base Ramstein, kündigte Jebsen als eine Person an, die seit vielen Jahren »Volksaufklärung im besten Sinne und massenwirksam« betreiben würde. In seiner Rede, die immer wieder von Applaus unterbrochen wurde, bediente Jebsen den klassischen antisemitischen Mythos, wonach sich eine globale, heimatlose Elite gegen »die Völker« verschworen habe und diese aus purem Macht- und Geldstreben gegeneinander aufhetze und in Kriege treibe. Er sagte:
»Es ist simpel. Krieg ist ein Elitenprojekt und diese Rüstungsindustrie relativ überschaubar. Die damit arbeiten, arbeiten eben sehr vernetzt und kennen sich in der großen Friedhofsindustrie. Das ist die Friedhofsindustrie, eine kleine Gruppe, die international arbeitet, der Krieg ist ein international angelegtes Elitenprojekt.«
Von dort ging es direkt zum Thema Nationalsozialismus, beziehungsweise zu Vergleichen mit dem NS. »Wäre das, was wir heute haben, der feuchte Traum der NSDAP gewesen, wenn es schon möglich gewesen wäre? Ja, aber sicher«, sagte Jebsen und bezog sich damit auf die Air Base Ramstein. Seiner Meinung nach sei Auschwitz nur möglich gewesen, weil die Medien Ignoranz hergestellt hätten. Das Wort »Antisemitismus« fiel ihm dazu nicht ein. Dann schwenkte er wieder ins Hier und Jetzt: »Wir haben einen großen Feind in diesem Land, das sind die Massenmedien, finanziert durch eure GEZ-Gebühren, die produzieren Ignoranz…« Der Rest des Satzes ging im Gejohle unter. Die Bühne teilte sich Jebsen an diesem Tag mit Redner*innen unter anderem von attac und den Grünen. Die distanzierten sich erst im Nachhinein von Jebsens Rede.
Im Jahr 2020 dann formierte sich über die Corona-Proteste eine Bewegung, die sich als Wahrheitsbewegung jenseits der Links-Rechts-Kategorien verstand. Ihr inhaltlicher Kern war der Glaube an Verschwörungsmythen, die als allumfassendes Erklärungsmuster dienten und jede progressive Analyse und Debatte verdrängten. Die nun entstehende rechte Verschwörungsszene war die Weiterentwicklung der Bündnisse, die im »Friedenswinter« 2014/2015 entstanden waren. Sie dominiert seither die Stopp Air Base Ramstein-Kampagne. Weitere Antifaschist*innen, die es dort noch ausgehalten hatten, zogen sich nun zurück. Peter Jüriens aus Bochum, ein politisches Schwergewicht der Friedensbewegung, begründete dies 2020 mit
»galoppierender Unfähigkeit oder Unwilligkeit des Berliner Büros und des Koordinationskreises der Kampagne #StoppRamstein, die Distanz zu Rechtsextremen zu halten, diverser Unwahrheiten und der Hintertreibung der antifaschistischen Abwehr der Kampagne.«Facebook-Post von Peter Jüriens am 2. August 2020
Die Friedens- und Zukunftswerkstatt aus Frankfurt
Dennoch gibt es bis heute Initiativen, die sich zwar als links und antifaschistisch verstehen aber dennoch weiterhin bei Stopp Air Base Ramstein aktiv sind. So gestaltet die Friedens- und Zukunftswerkstatt seit Jahren das Bildungsprogramm auf dem alljährlichen Friedenscamp der Kampagne – bestehend aus Vorträgen, Diskussionsrunden, Workshops und Ausflügen – maßgeblich mit.
Die Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V. wurde 1999 gegründet und hat ihren Sitz und organisatorischen Kern in Frankfurt am Main. In der Friedensbewegung ist sie gut vernetzt. Sie ist verflochten mit dem Bundesausschuss Friedensratschlag, der das zweimonatlich erscheinende Magazin FriedensJournal herausgibt sowie mit der Informationsstelle Ostermarsch, die bundesweit die Ostermärsche der Friedensbewegung koordiniert. Alle diese Initiativen haben ihre Anschrift bzw. ihr Impressum im Frankfurter Gewerkschaftshaus in der Wilhelm-Leuschner-Straße.
Die zentralen Personen der Friedens- und Zukunftswerkstatt sind die Frankfurter Willi van Ooyen und Karl-Heinz Peil. Zusammen mit Roswitha Harra aus Frankfurt stellen sie den Vorstand des Vereins. Willi van Ooyen ist Sprecher des Ostermarschbüros und des Bundesausschuss Friedensratschlag. Er saß als Abgeordneter der Partei Die Linke bis 2017 im Hessischen Landtag, ist sozialpolitisch sehr aktiv und gilt als ein zugänglicher und solidarisch handelnder Mensch. Karl-Heinz Peil ist neben van Ooyen das Gesicht des Bundesausschuss Friedensratschlag, verantwortlicher Redakteur des FriedensJournals und aktiv im Koordinierungskreis Stopp Air Base Ramstein.
Wie verschmolzen die politischen Milieus in dieser Kampagne sind und wie wenig Berührungsängste auch Peil mit VerschwörungsideologInnen hat, wird beim Blick auf das Bildungsprogramm der Friedenscamps in den vergangenen Jahren deutlich.
So sprachen im Jahr 2022 auf einer Podiumsveranstaltung zum Thema »Coronakrise und Impfdebatte« Jan Veil (Frankfurt, Freie Linke) und Frank Großenbach (Frankfurt, DieBasis und Anwälte für Aufklärung), Ralf Kron (aus dem Kreis der Ärzte für Aufklärung) und der Pathologe Prof. Dr. Arne Burkhardt. Auf dem Programm stand ursprünglich auch Uwe Genz aus Dreieich, auch er aus dem Kreis der Partei DieBasis, der dann doch nicht am Podium teilnahm. Der Tenor der Veranstaltung lässt sich kurz zusammenfassen: Das Coronavirus sei harmlos, die Corona-Schutzimpfungen hingegen seien lebensgefährlich und eigentlich gar keine Impfungen sondern illegale Gentherapien.
Eine weitere Diskussionsveranstaltung auf dem Friedenscamp 2022 hatte zum Thema »Demokratieabbau und individuelle Grundrechte / Konsens und Dissens: ›Coronaleugner‹ und ›Putinversteher‹ | Brauchen wir eine übergreifende soziale Bewegung? | Wie lassen sich Ab- und Ausgrenzungsdebatten vermeiden? | Wie lässt sich Medienkompetenz stärken?« Als Podiumsteilnehmer waren unter anderem angekündigt: Reiner Braun, Ralph Boes (Unsere Verfassung), Hendrik Sodenkamp (Demokratischer Widerstand) und Jimmy Gerum (Leuchtturm ARD). Als Moderatoren standen Karl-Heinz Peil und Jan Veil auf dem Programm. Der Blogger Claus Stille (clausstille56) schrieb dazu:
»An diesem Podium sollen noch weitere Vertreter der ›alten‹ Friedensbewegung teilnehmen, um die sich Karl-Heinz Peil bemüht. Beide Podien sind – gerade im Umfeld einer primär friedensbewegten Veranstaltungswoche/ Initiative – von größter Wichtigkeit, nicht zuletzt, da sie das zunehmend totalitäre Kontaktschuld-Narrativ bzw. dessen rigide und verleumderische Handhabung – zumindest punktuell – zu überwinden bzw. zu durchbrechen versuchen.«https://clausstille.blog/2022/06/21/kampagne-stopp-air-base-ramstein-2022/
Das »Friedenscamp 2024«
Das Friedenscamp im Jahr 2024 fand auf einer Wiese bei Steinwenden, nur wenige Kilometer von der Air Base entfernt, statt. Unter den vielleicht 500 Teilnehmenden, die zur Abendveranstaltung am 21. Juni 2024 gekommen waren, dominierten Kleidungsmotive und Buttons, die man von den Treffen der rechten Verschwörungsszene kennt: »Opas gegen Grün«, »FCK ARD«, »100% ungespritzt« (meint: ungeimpft). Auf dem Platz stand ein Infomobil der Partei DieBasis, die OrganisatorInnen der verschwörungsideologischen Aufzüge am Hambacher Schloss bei Neustadt an der Weinstraße hatten ihr eigenes Infozelt errichtet. Rechte Streamer und Kamerateams filmten die Bühnenreden und interviewten BesucherInnen und RednerInnen. So der Leipziger AfD-Abgeordnete Sebastian Weber (Weichreite TV) und ein Team von Kla.TV (Klagemauer TV), ein Medienprojekt der Rechtsaußen-Sekte Organische Christus-Generation. Die Eröffnungsrede im Namen der Veranstaltenden hielt Pascal Luig, Hauptredner war wieder Daniele Ganser. Für die Musik sorgten die Liedermacherin Morgaine sowie die Rapper Kilez More und Äon. Alle drei sind bekannte Namen in der rechten Verschwörungsszene, die für ihre Auftritte aus Österreich angereist waren. Kilez More hatte sich einen Namen gemacht durch Songs wie »Die kritische Masse« (»wie das sie uns von oben herab mit den Chemtrails vergiften«) und »Klimawandel (Klimalüge, Klimaschwindel)« (»Der Klimawandel wurde nicht vom Menschen gemacht Nein! […] Mit der Klimahysterie, schon wieder ziehen sie alle an demselben Strang und Weltregierung ist das Ziel«). Äon kommt ursprünglich aus Frankfurt am Main, zog jedoch vor einigen Jahren nach Wien.
Eine Ausstellung auf dem Gelände sollte »an die Kriege der jüngsten Geschichte« erinnern, »die in Europa geführt wurden und bis heute werden«. Auf der Erklärtafel heißt es:
»Durch die Zugehörigkeit zur NATO ist vom deutschen Boden Krieg ausgegangen – sogar in Ländern in Europa nach Jugoslawien (1999) und in die Ukraine (2014 bis dato). Deutschland riskiert heute die Vernichtung eigener Städte, genauso wie es schon einmal war.«
Die Aufsteller zeigen Fotos von zerstörten Orten in Jugoslawien 1999 und im ukrainischen Donbass sowie Fotos der zerbombten Innenstädte in Dortmund, Bocholt und Dresden infolge der alliierten Luftangriffe 1944 und 1945. So wird der Kampf der Alliierten gegen den Vernichtungs- und Eroberungskrieg Deutschlands während des Nationalsozialismus in eine Kontinuitätslinie mit den Kriegen in Jugoslawien 1999 und der Ukraine gestellt. Zugleich wird den Alliierten vorgeworfen, einen Vernichtungskrieg gegen deutsche Städte geführt zu haben. Geschichtsrevisionismus übelster Sorte.
Höhepunkt des Camps ist jedes Jahr eine Demonstration, die 2024 in Kaiserslautern stattfand. Etliche bekannte Personen der rechten Verschwörungsszene des Rhein-Main-Gebiets nahmen teil, u.a. Wilhelm Schulze-Barantin von den Freidenkern, Achim Weinacker von Querdenken69, der AfD-Anhänger Paul Hildebrand sowie die ReichsbürgerInnen Wolfgang Burkard, Bruno Ramge und Ines Wirth. Die Klartext-Bürgerzeitung hatte am Rande der Demonstration einen eigenen Infotisch aufgebaut und Klartext-Macher Christoph Barth sprach in jedes sich ihm bietende Mikrofon. Ergün Küm aus Stuttgart erzählte im Interview mit Weichreite TV dass die Wahlen in Deutschland deshalb geheim seien, »weil man eben seine politische Meinung nicht äußern darf.« (!). Die AfD empfindet Küm als »viel zu soft«, er sagt, dass er die NPD wählt.
Auf der Bühne sprach unter anderem der Blogger Manaf Hassan, ein Propagandist des russischen Putin- und des syrischen Assad-Regimes, der dem Bündnis Sahra Wagenknecht zugehört. Am Ende seiner Rede klagte er: »Ich frag mich an solchen Tagen immer, wo all die Klimaaktivisten sind. Kriege sind Umweltkiller Nummer eins. Diese Frage wird wohl niemand beantworten können.« Dafür erhielt er donnernden Applaus. Die Frage beantwortete sich schon keine zwei Minuten später quasi von selbst. Denn dann stand Kilez More auf der Bühne, der mit Songs über »Chemtrails« und »Klimaschwindel« bekannt wurde. Er alleine ist schon Garant dafür, dass sich auch in der Zukunft keine Klimaaktivist*innen zu Stopp Air Base Ramstein verlaufen werden. Nach einer herzlichen Umarmung von Pascal Luig rappte Kilez More mit seinem Song »Friedensbewegung« los: »Wenn du die NATO nicht liebst und willst, dass Ramstein nun schließt, kommen Angriffe wie ›Du Antisemit!‹ […] Wir rufen ›Peace!‹ und wir zieh’n auf die Straße gegen Krieg, sind aktiv, wir sind die Friedensbewegung«. Fast alle Teilnehmenden sangen mit.
Für die Leitung und Organisation der »Friedenswerkstatt im Friedenscamp 2024« war wieder Karl-Heinz Peil zuständig. Er selbst bot mehrere Veranstaltungen an, unter anderem zum Thema »Mediennutzung in Zeiten von Kriegspropaganda«. In der Vorankündigung dieses Workshops bewarb er die Nachdenkseiten, Apolut, Overton-Magazin, Manova und Weltnetz.tv als wichtige unabhängige Medien. Für Manova, bzw. für dessen Vorgängerin Rubikon hatte Peil bis 2020 mehrfach geschrieben. Apolut, die Plattform von Ken Jebsen, hatte er erst im Juni 2024 einen Beitrag von Peil mit dem Titel »Ramstein und Kaiserslautern: zentrale Orte der Militarisierung und Kriegsführung« auf ihre Seite gestellt.
Auf dem Veranstaltungsprogramm der Friedenswerkstatt auf dem Camp standen unter anderem Vorträge von der DieBasis-Politikerin Mona Aranea, von Ralph Boes und von »Kal / Superman«, der gleich zwei Workshops anbot. Bei ihm handelt es sich um Kal A. Voyatzis, der seit Jahren bundesweit auf verschwörungsideologischen Versammlungen im Superman-Kostüm auftritt. Bekannt wurde er dadurch, dass er in seinen Reden auf Corona-Protesten protestierende Antifaschist*innen mit Nazis gleichsetzte. Voyatzis sprach auch auf der Kundgebung von Deutschland steht auf – Neustart Demokratie am 25. Mai 2024 in Frankfurt. Zudem war er Gast auf der 100. Kundgebung von Leuchtturm ARD am 6. Juni 2024 vor dem Gebäude des Hessischen Rundfunks (HR) in Frankfurt. In einer komödiantischen Inszenierung begehrte er, gekleidet als Superman, zusammen mit der Reichsbürgerin Ingrid Reich Einlass auf das Gelände des HR, um die Programmverantwortlichen dazu zu bewegen, die Wahrheit (was meint: die eigene exklusive Sichtweise) zu berichten.
Auf dem Programm der »Friedenswerkstatt im Friedenscamp 2024« standen auch eine »Kräuterwanderung« mit »Kräuterfee Angela« sowie Ausflüge ins esoterische Nirwana wie »Mantra-Meditation für deinen inneren Frieden« und der Vortrag »Warum Weltfrieden ohne Spiritualität nicht möglich ist« mit »Dada + Amritesha«.
Wo »Rechtsoffen« als rechte Erfindung gilt
Willi van Ooyen, das linke Urgestein aus Frankfurt, windet sich schon seit Jahren, um seine Friedensbewegung zusammenzuhalten. Sie ist sein Lebenswerk. Er spricht sich mit deutlichen Worten gegen Nazis, Faschismus und Antisemitismus aus. Er schreitet medienwirksam voran, wenn es darum geht, Jürgen Elsässer von der Demonstration »Aufstand für den Frieden« zu drängen, die am 25. Februar 2023 auf Initiative von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer in Berlin stattfand. Doch ihn scheint es wenig zu kümmern, dass viele verschwörungsgläubige Menschen, AfD-AnhängerInnen und knallharte Antisemit*innen diese Demonstrationen in signifikanter Anzahl besuchen.
Auch Karl-Heinz Peil versteht sich ohne Wenn und Aber als Antifaschist. Er sieht im Antifaschismus die verbindende Klammer der Friedensbewegung und er weiß um die Gefährlichkeit der AfD. Die Partei habe – so schreibt er im FriedensJournal März, April 2023 – ein »rassistisches Weltbild […], womit nicht nur gegen Migranten in Deutschland gehetzt wird, sondern eine Abschottung gegen Flüchtlinge gefordert wird, die größtenteils aus Kriegsregionen unter westlicher Beteiligung stammen.« Zudem sei der preußische Militarismus, für den die AfD stehe, unvereinbar mit Friedenspolitik. Gleichwohl beklagt er, dass der Begriff »rechts« heutzutage »für die Eingrenzung des politischen Debattenraumes instrumentalisiert« werde.
Peil erkennt offensichtlich nichts Problematisches in der Partei DieBasis, mit deren VertreterInnen er eng kooperiert, sowie in apolut und im Overton-Magazin, wo er publiziert. Am 31. Juli 2024 erschien im Overton-Magazin ein Artikel mit dem Titel »Links in der Friedensbewegung«, verfasst von Peil und Reiner Braun. Sie schreiben in Bezug auf die AfD: »Mit Protagonisten dieser Partei gibt es daher kaum Berührungspunkte für die Friedensbewegung – mit AfD-Wählern aber sehr wohl.« Und weiter:
»Wenn die Hauptaufgabe der Friedensbewegung darin besteht, Menschen zu überzeugen und zu öffentlichem Protest gegen die eskalierenden Kriegsvorbereitungen zu motivieren, dann müssen besonders all jene Menschen angesprochen werden, die die Gesamtzusammenhänge noch nicht erkannt haben. Auch die, die aus falsch verstandener Friedenssehnsucht und emotional durchaus nachvollziehbaren Gründen AfD wählen.«
Nun wird die AfD von den allermeisten ihrer AnhängerInnen nicht wegen einer »Friedenssehnsucht« gewählt, sondern weil die Partei offen rassistisch, nationalistisch und gesellschaftsfeindlich ist. Weil sie das Motto »Unser Land zuerst!« ausgibt und es sie nicht kümmert, wenn abertausende Menschen in der Ukraine, im Nahen Osten und im Mittelmeer sterben und dass viele Millionen Menschen infolge der Klimazerstörung ihre Lebensgrundlage verlieren. Welche Berührungspunkte kann es mit AnhängerInnen dieser Partei geben?
Karl-Heinz Peil ist eine treibende Kraft der Initiative Frieden-links, die sich auch Frieden Links, Forum Friedenlinks und »Linksblock in der Friedensbewegung« nennt. Dort machen auch Pascal Luig, Willi van Ooyen und Reiner Braun mit. Wie nah Reiner Braun der rechten Verschwörungsszene steht, zeigte sich in den vergangenen Monaten. Am 19. Mai 2024 reiste er angeblich spontan zu einem rechten Aufzug am Hambacher Schloss in Neustadt an der Weinstraße und hielt dort eine Rede. Darin wies er die Schuld am Krieg gegen die Ukraine einseitig den USA und der NATO zu. Am 29. Juni 2024 sprach er auf einer von der Klartext-Bürgerzeitung organisierten »Friedensdemonstration« in Frankfurt. Christoph Barth stellte ihn als »unser Reiner« vor und war sichtlich erfreut darüber, einen Prominenten der Friedensbewegung präsentieren zu können, was er natürlich als Aufwertung seiner Gruppe empfindet.
In einer Positionsschrift versucht Frieden-links in 14 Punkten zu erklären »Warum die Friedensbewegung nicht rechtsoffen ist«. Darin heißt es unter anderem:
»Wir wollen Organisationen und Parteien nach ihrer Programmatik und nicht nach kritikwürdigen Auftritten einzelner Protagonisten beurteilen. Willkommen sind alle, die ehrlichen Herzens für Frieden eintreten.«
Wie kann dies als Beleg für fehlende Rechtsoffenheit dienen? Fordern nicht auch extreme Rechte »ehrlichen Herzens«, den Ukraine-Krieg zu beenden und die US-amerikanischen Militäreinrichtungen in Deutschland zu schließen? Und wer vermag zu prüfen und zu entscheiden, wer »ehrliches Herzens« dabei ist?
Das Thesenpapier von Frieden-links dient vor allem dazu, Kritik abzuwehren. Jede Kritik – selbst die, die von friedenspolitischen Initiativen kommt – wird als Diffamierung und Verleumdung diskreditiert und fliegt wie ein Bumerang zurück. Dies gipfelt in der Behauptung:
»Begriffe wie ›rechtsoffen‹ (auch ›Querdenker‹ als Schimpfwort oder der leichtfertige politische Todesstoß ›Antisemitismus‹) spiegeln nicht linke Denkungsart. Es sind Erfindungen von rechts, um die Bewegung zu spalten.«Warum die Friedensbewegung nicht „rechtsoffen“ ist, Thesenpapier der Initiative Frieden-links (4.4.2023)
Es ist ein probates Mittel der Abwehr von Kritik, diese als eine von außen gesteuerte Meinungsmache darzustellen und Kritiker*innen zu beschuldigen, bewusst oder unbewusst das schmutzige Geschäft der Gegenseite zu erledigen. Alle Kritik ist dann nichtig und die Kritiker*innen sind bloßgestellt. Und der Streit ist am toten Punkt angelangt.
Im Bündnis mit DieBasis und Querdenken
Im Thesenpapier »Warum die Friedensbewegung nicht rechtsoffen ist« von Frieden-links steht:
»Friedenspolitische Grundsätze sind für uns: Antimilitarismus, Absage an jede Form des Nationalismus, internationale Solidarität und ein Antifaschismus, der die historischen Umstände, die 1933 zur Machtübergabe an die Nazis geführt haben, zugrunde legt und in ihren heutigen Erscheinungen dechiffriert.«
Das Dechiffrieren klappt jedoch rein gar nicht. So findet sich auf der Homepage von Frieden-links ein Beitrag von Mona Aranea über »Rechtsentwicklung und ›Kampf gegen rechts‹«. Es ist eine Zusammenstellung von Folien aus ihrem gleichnamigen Vortrag, den sie am 20. Juni 2024 bei der Friedenswerkstatt auf dem Camp von Stopp Air Base Ramstein gehalten hatte. Als Beispiele rechter Politik nennt sie Waffenlieferungen an Saudi-Arabien und die Forderung der CDU, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Was ihrer Meinung nach sonst noch rechts ist, zählt sie auf der Folie »Rechtsentwicklung in Deutschland: von oben« auf:
»Abbau von Grundrechten, Einschränkung der Meinungsfreiheit, Steuerentlastungen für (Super)reiche und cum-ex Skandal, Aufrüstung verdreifacht, Kriegsvorbereitung (Arbeiter vs. Arbeiter), Deindustrialisierung (Angriff auf Mittelstand), Klimapolitik (Hausbesitzer und Mieter als Verlierer), Transatlantische Nibelungentreue Das globale Großkapitals sagt DANKE«.
Ihr Vortrag über »Rechtsentwicklung und ›Kampf gegen rechts‹« endet mit dem Fazit:
»›Kampf für Frieden‹ statt ›Kampf gegen Rechts‹ […] NATO-Kritik und Abrüstung als Kern von ›Stopp Ramstein‹ bedeutet: Keine rechte Lagersymbolik aber Platz für rechte ›Abweichler‹ lassen, die Frieden wollen.«
Aranea bringt das Kunststück fertig, in ihrer Definition von »rechts« nicht ein einziges Mal Rassismus und Antisemitismus zu erwähnen. Was sie schreibt, lässt sich bestenfalls als grober politischer Unfug bezeichnen. Doch wird dieser von einer Initiative präsentiert, für die Willi van Ooyen seinen Namen hergibt.
Dr. Mona Aranea wird vorgestellt als »Arbeitssoziologin, Mönchengladbach, B.A. Sozialwissenschaften (HHU Düsseldorf), M.A. Politische Ökonomie (Uni Kassel), PhD Arbeitssoziologie (Uni Oviedo, Spanien), Pressesprecherin Friedensbündnis NRW«. Das suggeriert Wissenschaftlichkeit und Seriosität. Man erfährt nicht, dass sie Sprecherin der Gruppe »MG-Demo« war, die Corona-Proteste in Mönchengladbach organisierte, dass sie als Rednerin für das Netzwerk Europeans United auftrat und dass sie bei der Bundestagswahl 2021 und der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen 2022 für die Partei DieBasis kandidierte. Die Partei steht bis heute geschlossen hinter ihrem Mitglied Sucharit Bhakdi, einem Mikrobiologen, der 2021 die Impfmaßnahmen in Israel kritisiert und dabei behauptet hatte, das »Volk der Juden« habe von den Nazis das »Erzböse« gelernt und »umgesetzt«. Als Kandidatin von DieBasis gab Aranea 2022 das Wahlversprechen:
»Wir organisieren den Widerstand gegen die wissenschaftsferne Pandemiepolitik, den demokratiefeindlichen Globalismus und den menschenfeindlichen Transhumanismus.«WDR: Kandidat:innen-Check zur Landtagswahl 2022
Am 3. August 2024 mobilisierte das Querdenken-Netzwerk 12.000 Menschen zu einer »Friedensdemonstration« nach Berlin. Dort trat unter anderem die Berliner Publizistin Christiane Reymann von Frieden-links auf. Den Demonstrant*innen sagte sie:
»Wir haben ja Spaltung in der Friedensbewegung, wir haben Spaltung in der Demokratiebewegung und wenn wir ein gemeinsames Ziel haben, wenn wir gemeinsam etwas tun, dann können wir uns besser kennenlernen, dann können wir Vorbehalte überwinden, dann können wir uns in die Lage versetzen, die Teilnehmerzahlen zu verdoppeln, zu verdreifachen, zu vertausendfachen.«
An der Veranstaltung nahmen – wie zu erwarten war – in großer Mehrheit Personen aus dem Spektrum der rechten Verschwörungsszene teil: Corona-LeugnerInnen, GegnerInnen von Impfungen und von »Wokeness«, Fans von Donald Trump und AnhängerInnen des QAnon-Mythos. Die AfD hatte entlang der Route Infostände aufgebaut. Für Stimmung sorgte auch hier eine Trommelgruppe um die ReichsbürgerInnen Wolfgang Burkard und Marika Hartmann.
Die »neue Friedensbewegung«
In einem »Gespräch« im FriedensJournal von September/Oktober 2024 bekennen sich Christiane Reymann und Karl-Heinz Peil zum Bündnis mit der rechten Verschwörungsszene. Die Ausgabe trägt den programmatischen Titel »Zeitenwende für die Friedensbewegung?«. Vor allem Reymann, die nach eigener Aussage dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nahesteht, ist vom neuen Partner beeindruckt: »Die gemeinsame Erfahrung von Widerstand gegen die Coronapolitik ist bis heute ein starkes Band.« Die beiden sehen in diesem Bündnis eine »neue Friedensbewegung«. Der Kritik daran begegnen sie demonstrativ gelassen. Ihrer Meinung nach gebe es eine lange Traditionslinie von Diffamierungen, der die Friedensbewegung ausgesetzt sei. Diese reiche von den Unterstellungen einer kommunistischen Unterwanderung in früheren Jahren bis zur angeblichen Diffamierung mit Begriffen wie »rechtslastig« oder »rechtsoffen« in der heutigen Zeit. Dies hätte man »schon vor langen Jahren abgearbeitet«. Da interessiert auch keine Kritik mehr aus den Reihen der VVN-BdA. So schreibt Florian Gutsche im Januar 2024 im VVN-BdA-Magazin antifa zu diesem Bündnis:
»Die fehlende Abgrenzung von Akteur*innen aus diesem Spektrum wird im übrigen auch einer der Gründe für das massive Überalterungsproblem der Friedensbewegung sein, denn Aktivist*innen aus der Klimabewegung oder den Gewerkschaften haben zu Recht keinen Bock, ihre Positionen und Glaubwürdigkeit mit einer solchen Bündnispolitik zu untergraben.«
Aktuell sieht es so aus, dass sich der Pakt von Frieden-links, dem BSW, der Querdenken-Organisation und anderen Gruppen der rechten Verschwörungsszene verfestigt. Von 25. bis 27. Oktober 2024 soll im thüringischen Liebstedt ein Kongress »Frieden und Dialog« stattfinden, für den bekannte Personen der rechten Verschwörungsszene und der Partei DieBasis neben Vertreter*innen der Partei Die Linke, des BSW und Frieden-links angekündigt sind. Auf dem Programm stehen ein »Friedensgottesdienst«, Bratwurstversorgung durch die örtliche Feuerwehr und Abendunterhaltung mit Dieter Dehm. Beim Programmpunkt »Die notwendigen nächsten Schritte für den Frieden« sind Beiträge von Reiner Braun, Christiane Reymann und Michael Ballweg vorgesehen. Ballweg ist der Anführer der Querdenken-Organisation. Laut einer »Urkunde« der Reichsbürgerorganisation Königreich Deutschland (KRD) war er 2021 als »Staatsangehöriger« des KRD registriert. Das alles stört Frieden-links offensichtlich nicht. Für sie ist Ballweg der Retter in der Not, denn er kann die Masse mobilisieren, die man braucht, um das Wegbrechen linker Partner*innen zu kompensieren.
Nach der Veranstaltung mit Braun, Reymann und Ballweg steht Edgar Schumann (Realname: Eckhard Schumann) auf dem Programm. Er soll zum Thema »Friedlicher Protest – Erfahrungen und Perspektiven« referieren. Schumann ist der Hauptorganisator der seit 2021 bestehenden »Bautzener Montagsmahnwache«, die aus den Corona-Protesten entstanden war. Auf »seiner« Mahnwache treten immer wieder extreme Rechte auf, mehrfach sprach dort auch Martin Kohlmann, der Vorsitzende der neonazistischen Freien Sachsen. Bei der Kreistagswahl im Juni 2024 kandidierte Schumann im Landkreis Bautzen auf der Liste Bündnis Oberlausitz / Freie Sachsen, eine Liste rechts der AfD, zu der sich AkteurInnen der »Bautzener Montagsmahnwache«, Reichsbürger und die Freien Sachsen zusammengeschlossen hatten.
Themen wie Klimazerstörung und extreme Rechte stehen bei »Frieden und Dialog« nicht zur Diskussion – ganz so, als hätten sie mit Friedenspolitik nichts zu tun. Sie würden die Harmonie der »neuen Friedensbewegung« wohl stören.
Es trennt sich, was nicht zusammengehört
Aufrüstung und Militarisierung der Gesellschaft, die fortschreitende Klimakatastrophe, der Aufstieg der extremen Rechten und die Schaffung sozialer Gerechtigkeit: Dies sind die »großen Kämpfe«, die derzeit geführt werden (müssen), nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. Dies alles steht unmittelbar miteinander in Verbindung. Die Klimazerstörung verschärft den Kampf um Ressourcen und zwingt immer mehr Menschen zur Flucht. Dies wird zu weiteren Kriegen führen, zwischen den Staaten, zwischen gesellschaftlichen Gruppen und gegen Flüchtende. In Thüringen ist die AfD des Faschisten Björn Höcke die stärkste parlamentarische Kraft, in anderen Bundesländern sieht es nur wenig besser aus. Die extreme Rechte profitiert von den sozialen Verwerfungen und Verteilungskämpfen und forciert den Zerfall der Gesellschaft.
Viele Personen und Gruppen erkennen diese Zusammenhänge und versuchen, die verschiedenen Ebenen in einem gemeinsamen Kampf zu bündeln. Die Friedens- und Zukunftswerkstatt, die Initiative Frieden-links – und die Kampagne Stopp Air Base Ramstein sowieso – gehören nicht dazu. Sie verharren in einem anachronistischen Lagerdenken und haben sich frei nach dem Motto »Der Feind meines Feindes ist mein Freund« für den Pakt mit gesellschaftsfeindlichen Kräften entschieden. Das Bündnis Sahra Wagenknecht stärkt ihnen den Rücken und verspricht ihnen Einfluss. Mit dieser Bewegung ist weder Frieden noch Zukunft zu machen.
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Redaktioneller Hinweis: Eine Anfrage von Rhein-Main Rechtsaußen an Willi van Ooyen vom 4. September zu Aussagen von Frieden-links und möglichen Abgrenzungsbeschlüssen gegenüber Regina Stöber-Yurdakul und BüSo ließ dieser unbeantwortet.