Am 3. April hat der 32-jähriger Nazi Francesco Marcotrigiano im hessischen Wetzlar-Blasbach einem 17-jährigen Mädchen auf einem Feldweg gezielt aufgelauert. Marcotrigiano schoss erst auf die Jugendliche und dann auf sich selbst, sie verstarb kurz darauf im Krankenhaus, er vier Tage nach dem Femizid. Erst zwei Tage nach dem Tod des Täters wurde am 9. April bekannt, dass Marcotrigiano bereits wegen eines Nazibrandanschlags mehr als fünf Jahre in Jugendhaft saß. In diversen Nazishops nutzte Marcotrigiano als Mailnamen „peoplehater92“.
Die Lotta #43 vom Frühjahr 2011 überschrieb ihren Artikel zum „Prozess gegen vier Aktivisten der »Anti-Antifa Wetzlar«“ mit „Ein Brandanschlag ohne politischen Hintergrund?“:
„Nach 13 Verhandlungstagen ist vor dem Landgericht Limburg (Hessen) der Prozess gegen vier junge Neonazis aus dem Umfeld der Anti-Antifa Wetzlar und der Autonomen Nationalisten Wetzlar zu Ende gegangen. Zwar urteilte das Gericht auf versuchten Mord in fünf Fällen, ließ jedoch den extrem rechten Hintergrund der Tat weitestgehend außer Acht. Der antifaschistisch engagierte Pastoralreferent. dem der Anschlag galt, sieht sich indes mit Anfeindungen aus Wetzlars konservativem Lager konfrontiert. In der Nacht zum 5. März 2010 hatten vier 17- bis 23-jährige Rechte einen Molotowcocktail gegen die hölzerne Eingangstür eines Wohnhauses in der Wetzlarer Innenstadt geworfen. Die vier Menschen, die zur Tatzeit in dem Haus schliefen, blieben körperlich unversehrt, wurden teils jedoch psychisch stark in Mitleidenschaft gezogen. Dem in dem Haus vermuteten Pastoralreferenten, der sich im Bündnis gegen Nazis Wetzlar engagiert, sollte mit dem Brandanschlag ein ,Denkzettel‘ verpasst werden, wie die Täter vor Gericht aussagten. Weil er Videos über die Aktivitäten der extremen Rechten gedreht und diese auf Youtube eingestellt hatte, geriet er ins Visier der Anti-Antifa-Aktivisten. Zwei der Täter sahen in ihm gar den Kopf oder zumindest einen wichtigen Protagonisten der verhassten Antifa aus dem nahegelegenen Gießen. Weitestgehend gefasst nahmen nun die vier Angeklagten am 2. Februar 2011 die Verkundung der Urteile auf. Nur der erst 17-jährige Haupttäter Francesco Marcotrigiano, der durch den Ex-NPD-Funktionär Dirk Waldschmidt anwaltlich vertreten wurde, quittierte sein Urteil von fünf Jahren und neun Monaten mit einem selbstgefälligen Grinsen. Die Angeklagten Oliver Würz, der mittlerweile im Aussteigerprogramm IKARUS untergekommen ist, und Philipp Anderle erhielten je fünf Jahre Haft. Giancarlo Ferrucci, der die Anderen erst vier Wochen vor der Tat kennengelernt hatte, fuhr zwar den Fluchtwagen, legte aber bei seiner Verhaftung ein umfangreiches Geständnis ab und erhielt deshalb milde drei Jahre und neun Monate Haft. Eingereichte Revisionsanträge der erstgenannten Drei werden derzeit vom Bundesgerichtshof überprüft. […]
Die Entpolitisierung von Naziattentaten ist keineswegs neu, aber sie wird weiterhin verübt. Wie bei den Attentaten von Alexander Scheuermann in Mannheim, Daniel Szalla in Solingen und Werner Podehl in München-Pasing wird nun auch bei dem von Francesco Marcotrigiano in Wetzlar nachträglich ein Nazihintergrund des Attentäters bekannt, der (laut HR) wie üblich ignoriert wird:
„Nach Angaben der Staatsanwaltschaft führten die beiden vor mehreren Monaten eine kurze, heimliche Liebesbeziehung, die dann von der 17-Jährigen beendet wurde. Laut Staatsanwaltschaft sei die Trennung nicht einvernehmlich gewesen, der Mann habe das offenbar nicht akzeptieren wollen. Am 17. März habe die Jugendliche dann schließlich Anzeige wegen wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung erstattet. Dabei sei sie auch über die Möglichkeit eines Gewaltschutzantrags beim Amtsgericht informiert worden. Bei Francesco M. habe die Polizei zudem eine Gefährderansprache durchgeführt. Nach Informationen der Bild soll der Mann das Mädchen vor der Tat monatelang belästigt und gestalkt haben.“ Aber: Während der Brandanschlag 2010 klar dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet wurde, gibt es laut Staatsanwaltschaft nach derzeitigem Ermittlungsstand keine Hinweise darauf, dass auch die aktuelle Tat einen derartigen Hintergrund hatte.“
Frankfurter Rundschau
Der 32-Jährige frühere Neonazi, der eine Jugendliche in Wetzlar getötet hat, hatte von der Polizei bereits eine Gefährderansprache erhalten.
Wetzlar – Der 32-jährige frühere Neonazi, der vor einer Woche im mittelhessischen Wetzlar eine 17-Jährige erschossen hat, hatte vor der Tat bereits eine sogenannte Gefährderansprache durch die Polizei erhalten. Wie ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Wetzlar der Frankfurter Rundschau bestätigte, hatte die Jugendliche den Mann Mitte März wegen Körperverletzung und versuchter Nötigung bei der Polizei angezeigt.
Daraufhin habe die Polizei den Mann zu Hause aufgesucht und ihn präventiv darauf hingewiesen, dass man ihn im Blick habe, sagte der Sprecher. Die 17-Jährige sei unterdessen von den Beamt:innen auf die Möglichkeit hingewiesen worden, eine einstweilige Anordnung nach dem Gewaltschutzgesetz zu erwirken.
Früherer Neonazi tötete 17-Jährige in Wetzlar: kein Antrag auf ein Annäherungsverbot
Ein solches Näherungsverbot verbietet es potenziellen Tätern gerichtlich, sich ihrem Opfer zu nähern. Diesen Schritt hatte die 17-Jährige allerdings wohl nicht mehr unternommen: Eine Sprecherin des zuständigen Amtsgerichts Wetzlar sagte der Frankfurter Rundschau, ein entsprechender Antrag der Jugendlichen sei nicht eingegangen.
Am Donnerstag voriger Woche hatte der 32-Jährige der Jugendlichen frühmorgens auf einem Feldweg im dörflich gelegenen Wetzlarer Stadtteil Blasbach aufgelauert und mit einer Schusswaffe, die er illegal besaß, unmittelbar das Feuer eröffnet.
Femizid in Wetzlar: Der Täter wollte wohl die Trennung nicht akzeptieren
Die Jugendliche wurde noch per Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen, wo sie verstarb. Nach der Tat hatte der 32-Jährige seine Waffe gegen sich selbst gerichtet; er wurde noch notoperiert, erlag aber am Montag seinen Verletzungen.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 32-Jährige nicht akzeptieren wollte, dass die Jugendliche sich von ihm getrennt hatte. Den Ermittlungen zufolge hatten beide eine kurzzeitige Liebesbeziehung unterhalten, die aber die 17-Jährige schon Monate vor der Tat beendet hatte.
17-Jährige erschossen: Tat in Wetzlar trägt Züge eines Femizids
Die Tat trägt damit auch Züge eines Femizids, also der Ermordung einer Frau durch einen machtbesessenen oder gekränkten aktuellen oder ehemaligen Partner.