Gefunden auf Indymedia
Am Montag den 29.07.2024 kam Martin Sellner in Begleitung von Paul Klemm (Mitarbeiter von Compact TV) im Rahmen seiner Lesereise nach Marburg. Der nachfolgende Ablauf der Planung der Veranstaltung beruht zunächst auf internen Ausführungen von Martin Sellner selbst und ist dementsprechend einzuordnen: Demnach war die Veranstaltung ursprünglich in einer der drei Niederlassungen der Deutschen Burschenschaft in Marburg geplant. Allerdings war der gesellschaftliche Druck auf die Burschenschaften wohl zu massiv, weshalb der Veranstaltungsort gekündigt wurde.
Stattdessen wurde durch einen Strohmann ein Hotel oder Tagungszentrum als Ausweichort angemietet. Da das Orgateam davon ausging, dass auch dieser Ort abspringen würde, wurde parallel weiter nach einem Ausweichort gesucht – und für alle Fälle eine Kundgebung oder Demo vorbereitet, auf der Sellner dann auftreten sollte. Parallel plante Sellner von Wien aus eine Aktion am Erwin-Piscator-Haus (EPH), wo die bürgerliche Gegendemonstration stattfand.
Eine Aktivistin, (Carolina Mehrkens kommt als einzige Identitäre aus Marburg infrage), hat den Platz vor Ort gescoutet. Außerdem wurde ein Kastenwagen gemietet und ein Ersatzauto inklusive Nils Wilhelm als Fahrer besorgt. Wilhelm ist Mitglied der Burschenschaft Germania Kassel und der Marburger Burschenschaft Rheinfranken und wurde 2011 vor einer klandestinen Nazidemo in Gießen von der Polizei kontrolliert. Nur wenige Tage nach der Veranstaltung mit Sellner nahm eram Tag der Heimatreue 2024 der Partei „Der Dritte Weg“ in Hilchenbach teil. Auch am 20.04.2024 reiste er mit Kadern der Partei aus Nordhessen zu einem Liederabend der Partei „Der Dritte Weg“ nach Hilchenbach.
Für die geplante Aktion reisten zwei Personen von Revolte Rheinland an, außerdem kam Sebastian Weber (Weichreite) aus Leipzig nach Marburg, um die Aktion zu filmen. Er sollte am EPH die Menge filmen und als „Journalist“ getarnt beobachten. Sellner mit seinem Fahrer Nils Wilhelm sowie der Kastenwagen mit der Aktionsgruppe, zu der Carolina Merkehns, Johannes Konstantin Poensgen und eine weitere Person gehörten, sollten in einer nahe gelegenen Parkgarage warten. Auf ein Zeichen von Weber wäre Sellner mit einem Megaphon in die Menge gegangen, um sie zu provozieren und abzulenken. Zeitgleich hätte sich die Aktionsgruppe Zugang zum Dach des EPHs verschafft, um dort ein rassistisches Banner zu hissen.
Die Aktion wurde, so Sellner, lediglich aus Angst vor körperlichen Auseinandersetzungen mit „Antifa-Fotographen“ bzw. den daraus resultierenden Bildern, in letzter Sekunde abgebrochen. Dass bei großen Kundgebungen am EPH regelmäßig Journalist*innen vom Dach aus dokumentieren, ist kein Geheimnis, jedoch waren Mehrkens und co offensichtlich unfähig, dies vorab in Erfahrung zu bringen. Schließlich wurde das Banner für die in diesen Augenblicken über die Stadtautobahn anreisenden BesucherInnen der Sellner-Lesung an einer Fußgängerbrücke befestigt, wo es allerdings keine 10 Minuten hing.
Sellners Fehlplanung, die von ihm als beschwerlicher Weg zum Erfolg dargestellt wurde, konnte schließlich nur durch den ‚gottgesannten‘ Dorfnazi Manuel Mann zu einer fragwürdigen Lösung gebracht werden. Sellners Hilferuf: „vielleicht kommt noch ein Wink von oben und die Veranstaltung kann doch stattfinden“ hat dieser anscheinend als Aufforderung verstanden und einen Veranstaltungsort in Gladenbach (siehe Foto) organisiert. Wie in diesem Artikel von StadtLandVolk aufgezeigt wurde, organisierte Mann unter anderem 2011 jene Nazidemo, auf der Nils Wilhelm kontrolliert wurde. Wegen der undurchsichtigen Rolle Manns bei dieser Demo, wurden im Nachgang zum wiederholten Mal Spitzelvorwürfe gegen ihn laut. Es ist ein klarer antifaschistischer Erfolg, dass die Organisation der Veranstaltung ein wahrlicher Kraftakt für die Faschos war. Mehrfach stand sie kurz vor der Absage und mindestens eine DB Naziburschenschaft ist unter dem öffentlichen Druck eingebrochen. Die Veranstaltung konnte nicht wie geplant um 18 Uhr in der Kernstadt stattfinden, sondern um 21 Uhr in einer Kleinstadt im Landkreis und wäre ohne den als staatlichen Spitzel verrufenen Dorfnazi Manuel Mann nicht möglich gewesen.
Aus Sicherheitsgründen wurde ein Vortreffpunkt auf 18:30 am Messeplatz Marburg organisiert. Durch die Blockaden von Antifaschist_innen wurde das Erreichen dieses Treffpunkt sowie das Abfahren der bereits Anwesenden über 30 Minuten verzögert. Diese friedliche Sitzblockade wurde von Schlägerbullen geräumt, um den Faschos die Abreise von ihrem Treffpunkt zu ermöglichen. Das wirft die Frage auf, ob die Veranstaltung ohne die staatliche Unterstützung überhaupt möglich gewesen wäre.
Über drei Schleusungspunkte wurden die BesucherInnen nach Gladenbach gelotst. Spätestens dort stießen Tobias Diehl (Burschenschaft Alemannia Gießen und Junge Alternative Hessen) und Philipp Schmuck (Normannia Leipzig zu Marburg) dazu. Beide waren in die Organistation der Veranstaltung eingebunden.
Philipp Schmuck war bereits 2015 in die Organisation eine JN Camps eingebunden. Einige Tage später ließ Martin Sellner auf Telegram verlauten, dass das Auto eines „Mitorganisators“ aufgefunden wurde: Mit Farbe besprüht, die Reifen zerstochen und der Auspuff mit Bauschaum verstopft. Das Automodell und dessen ursprüngliche Farbe entsprechen dem Fahrzeug von Philipp Schmuck. (Siehe Foto Auto). Es gab noch einenen weiteren unbekannten Mitorganisator (siehe Bild).
BesucherInnen:
Nick Schmittberger (geb. 09.05.1998)
Beisitzer im Vorstand des AfD Kreisverbandes Marburg-Biedenkopf. Er nahm bereits an der Veranstaltung der Naziburschenschaft Germania Marburg 2022 mit Marcus Follin und Max Reinhard teil. Er studiert Politikwissenschaften im fünften Semester in Marburg und war zeitweise Mitglied der Marburger Burschenschaft Alemannia. Anfang September 2024 war Nick Schmittberger gemeinsam mit der Delegation der AfD Marburg Biedenkopf bei Landesparteitag der AfD Hessen in Hofheim anwesend.
Behrouz Sajjad
Trat 2021 für die Liberale Hochschugruppe Marburg bei den Universitätswahlen auf Listenplatz 6 für das Studierendenparlament an. 2021 besuchte er ebenfalls den Vortrag auf dem Haus der Naziburschenschaft Normannia Leipzig zu Marburg von Alexander Schleyer, der mit den Identitären eine Propagandamission im Mittelmeer durchgeführt hatte. 2023 ließ er sich noch mit Christian Linder im Cineplex fotografieren und machte Wahlwerbung für die FDP. Außerdem ist er in der Ausleihbar und der Lutherischen Pfarrkirche aktiv.
Kevin Scheuner (geb. 05.10.1988)
Ist Nachrücker im Betriebsrat des Verein zur Förderung der Inklusion behinderter Menschen e.V. Marburg für die Liste Kommunikation, Zusammenarbeit und Arbeitsrecht gewesen. Aktuell scheint er arbeitslos zu sein.
Eckart Holzgrefe (geb. 02.05.1964)
Geb. am 2. Mai 1964, in Bergen (LK Celle), Studium der Rechtswissenschaften in Marburg, Tätigkeit als Rechtsanwalt, Alter Herr der Burschenschaft Alemannia und Mitglied des VfL 1860 Marburg, Abteilung Sportfechten, sowie Mitglied der Sektion München des DAV und Angehöriger der Landsmannschaft Schlesien
Thomas Espey (mit Handy), Gründer „Herborn steht auf“
Wolfram Junker und Annette Junker
Evelina Mavrina, Kassel
Christopher Tamm, AfD Prignitz, dort Kommunalpolitiker
In Gladenbach versammelte sich der Flickenteppich der extremen Rechten von der Jungen Alternative und der AfD, über Identitäre und ehemalige Freie Kamaradschaftsangehörige, bis hin zu Personen, die auch aus Kontexten der Jungen Nationalisten der NPD (heute die Heimat) sowie der Partei Der Dritte Weg, Burschenschaften und vom sogenannten Mittelhessenkorso bekannt sind.
Auch wenn Sellners Besuch in Marburg auf großen Widerstand traf, konnte er sich öffentlichkeitswirksam ins gemachte politmediale Nest, welches ihm Björn Wiskers (Oberhessische Presse), Blaulicht Marburg und Konsorten in den Wochen vor seinem Auftritt bereiteten, setzen. Sie teilten seine Instastories und platzierten seine propagandistischen Aufrufe in der Lokalpresse. Auch in der Berichterstattung über die Veranstaltung ließen sich diese Pressevertreter vor den Karren der Faschos spannen, indem sie ihre Begriffe übernahmen und ihre Propaganda über den Ablauf des Tagesunhinterfragt wiedergaben. Jedoch wurden auch von verlautbarten Gegner*innen des rechten Zusammenkommens, wie dem Oberbürgermeister Thomas Spieß, die Schlagworte der Faschos wiederholt und dadurch im Diskurs gefestigt. Deshalb gehört leider zur Wahrheit: die Pressestrategie von Sellner hat funktioniert. Im letzteren Fall sicherlich aus unüberlegtem Handeln, in anderen Fällen jedoch aus sicherem politischen Kalkül. Für Presseschaffende wie Björn Wiskers oder Blaulicht Marburg steht der politische Feind links. Durch eine solche Pressearbeitwirdauch in Marburg an einem inhaltlichen Schulterschluss zwischen Faschos und Konservativen gearbeitet.
Die Bilanz des Tages ist im Gesamtbild klar positiv. Sellner konnte seine Veranstaltung nur unter schweren Hürden und in einem kläglichen Rahmen abhalten. Antifaschistischer Protest hat den ursprünglichen Plan verunmöglicht und den Ausweichplan in seiner Durchführung behindert. Sein Ziel, Personen zu schützen, die nicht erkannt werden wollten, hat er ebenso wenig erfüllt. Eine antifaschistische Bilddokumentation des Veranstaltung, ermöglichte eine Identifikation fast aller anwesenden BesucherInnen. Darüber hinaus sollte den Faschos aus der Region klar sein: Im Zweifel fällt es auf sie zurück, wenn Einzelne von ihnen versuchen, die von Sellner und anderen Rechten propagierte Politik in der Region umzusetzen!