Neue Recherche von Aufklärung statt Verschwörungsideologien
Dieser erste Teil unserer Artikelserie „Geschäfte mit der Angst“ beschäftigt sich mit dem betrügerischen Geschäftsmodell der Reichsbürger-Organisation „Königreich Deutschland“ und mit selbsternannten Gesundheitsexpert*innen, die dem „Königreich“ angehören oder nahe stehen.
Germanische Rohkost-Küche
Der Frankfurter David Ekwe-Ebobisse ist ein Verfechter von Rohkost und veganem Lebensstil. Er vermarktet sich als „Mr. Raw“ und „Dr. Raw“, nennt sich Gesundheitsexperte, Ernährungsberater, Fitness-Trainer, Life Coach, Potentialentfaltungscoach oder einfach nur Heiler. Er ist Videoblogger und betreibt einen Naturkost-Versand, der neben veganen „Superfoods“ noch allerlei Tinnef anbietet, mit denen sich Esoteriker*innen ein gutes Lebensgefühl (teuer) erkaufen, wie zum Beispiel „afrikanische Wundercreme“ oder „Vita-Chips zum Schutz vor elektromagnetischer Strahlung“. Für seine Kundschaft erstellt er „Ernährungs- und Trainingspläne“, führt bei ihnen „Bio-Scans“ durch und bietet Kurse und „Personal Trainings“ zu Themen von Ernährung und Gesundheit an. Er macht Geschäfte selbst mit der Hoffnung und Verzweiflung von schwerkranken Menschen, denen er vorgaukelt, dass Gemüsesäfte aus seinem Sortiment Krebs heilen könnten. Auch hat er im Eigenverlag drei Bücher herausgegeben, in denen er nicht weniger präsentiert als eine „Weltgesundheitsformel“ für ein „harmonisches und ganzheitlich gesundes Leben“. In seinen zahlreichen Videos, einzusehen auf YouTube, erweist er sich als narzisstischer Selbstdarsteller und Hochstapler, der geradezu beseelt ist von seinem ergoogelten Pseudo-Wissen und sich voller Überheblichkeit über andere Meinungen und Lebensentwürfe stellt.
Von 2016 bis 2017 war Ekwe-Ebobisse stellvertretender Bundesvorsitzender der V-Partei³ (Partei für Veränderung, Vegetarier und Veganer), die seit ihrer Gründung 2016 von vielen Veganer*innen und Tierschützer*innen wegen esoterischer Inhalte abgelehnt wird. Doch selbst für diese Partei wurde Mr. Raw im Jahr 2017 untragbar. In einem Youtube-Video hatte er gesagt: „50 Millionen [Küken] davon werden zerschreddert, ja, oder vergast! Und da sind wir wieder beim Holocaust-Vergleich. Und das Traurige daran ist, dass es Tieren noch schlimmer geht als im Holocaust, weil sie ja nie frei gelebt haben. Sie werden ja extra darauf hingezüchtet, getötet und aufgegessen zu werden. Etwas barbarischeres kann ich mir nicht vorstellen. Da ging es den N*****, den Juden und all den Behinderten und Krüppeln zur Zeit der NS-Zeit noch viel besser. Seid mir nicht böse, es ging ihnen besser!“ Er verließ die V-Partei³ und kam damit einem Rausschmiss zuvor.
Ob Ekwe-Ebobisse zu den wirtschaftlichen Gewinnern in der Pandemie-Zeit gehört, muss bezweifelt werden. Ab 2016 führte er zusammen mit seiner Lebenspartnerin Elisa Barrui das vergane Restaurant Rohkosteria (anfangs unter dem Namen Greenfoody) in der Berger Str. 70 im Frankfurter Nordend, das er Ende 2020 dicht machte. Er behauptet, er habe viele tausend Euro Strafe zahlen müssen, da ihn die Behörden verfolgt und schikaniert hätten – offensichtlich hatte er konsequent gegen Corona-Auflagen verstoßen und damit das Ordnungsamt gegen sich aufgebracht.
In völkisch-rassistischer Argumentation beschwört er die Überlegenheit dessen, was er für ur-deutsch hält. Es soll unter anderem das Brot sein, was die germanische Kraft schwächt. 2016 sagte er in einem Video mit dem Titel „Gluten – der unterschätzte Serienkiller“: „Würden wir uns auf unsere archaischen Wurzeln besinnen, auf die Wildkräuter, auf Gekeimtes, gekeimtes Getreide, auf Rohkost, dann würden wir auch wieder der Kraft der Germanen haben. […] Das kann ja wohl nicht sein, dass wir unsere alte, deutsche, germanische Kochkultur vollkommen vergessen haben und uns unterwandern lassen von den Italienern, die damals mit dem römisch-italienischen Mischung aus Mehl und Getreide uns wirklich immer noch schwächen, ja?“ (sic!)
Ekwe-Ebobisse sagt: „Ich bin ein gesunder Mensch. Ich möchte in einer Welt mit gesunden Menschen leben.“ Er inszeniert einen rigorosen Gesundheits- und Körperkult. Zur Ästhetisierung des kerngesunden und gehärteten Männer-Körpers (dem Corona freilich nichts anhaben kann), stellt er sich auf seinen Internet- und Social Media-Seiten selbst in Pose. Doch sind für ihn Krankheit und schlechte Ernährung keine Frage sozialer Verhältnisse, sondern Folge individuellen Versagens. Ein Impfgegner ist er sowieso.
In seinen Video-Monologen greift er esoterische und christliche Motive auf wie Spiritualität, kosmische Energie, Neues Bewusstsein, Jesus Christus, Nächstenliebe, Schöpfungsgesetze. All diese Elemente verwebt er zu einer Erzählung von Apokalypse, Erlösung und Neubeginn. Er glaubt: „Wir befinden uns in der letzten Zeit, die in der Bibel als Drangsalszeit beschrieben wird.“ Doch sei eine „Bewusstseinselite“ dazu bestimmt, diese Endzeit zu überleben und ein „neues goldenes Zeitalter“ zu schaffen. Als Angehöriger dieser Elite, der die Wahrheit kenne und furchtlos ausspreche, werde er von einem Staat verfolgt, der „von Satanisten regiert“ sei. Sein Selbsterhöhung gipfelt darin, dass er sich als „Staatsfeind Nr.1“ stilisiert. Auch nahm er in den letzten Jahren immer mehr Verschwörungserzählungen auf. Er glaubt an Chemtrails und an den QAnon-Mythos. Für ihn sei „Blut trinken“ und „Zirbeldrüsen auspressen, um Adrenochrom herauszuholen“ dasselbe, wie Fleisch zu essen.
Der Reichsbürger und seine Freund*innen
Spätestens im Jahr 2020 schloss sich David Ekwe-Ebobisse der Reichsbürger-Gruppe Königreich Deutschland (KRD) an. In mehreren Videos, die er seitdem veröffentlichte, verbindet er Werbung für seinen Versand mit Werbung für das KRD. Was ihn zum KRD führte, ist unter anderem die Verbitterung darüber, dass „der Staat“ ihn zwang, sein Restaurant zu schließen. Im KRD sieht er die Möglichkeit, die „BRD“ zu verlassen, ohne umziehen zu müssen. Der neue Staat biete unternehmerische Freiheit ohne Steuern, Bürokratie, Abmahnvereine, GEZ-Gebühren, Maskenpflicht und „Impfzwang“. Ende 2020 war seine Realitätsverweigerung so weit fortgeschritten, dass er verkündete, die Rohkosteria in ein bis zwei Monaten wieder zu eröffnen, sobald er sie dem KRD angeschlossen habe. Dann müsse er sich nicht mehr an Corona-Auflagen halten, womit er sich einen „krassen Wettbewerbsvorteil“ verschaffe. Es blieb ein Wunschtraum. Stattdessen fand im Februar 2021 der Räumungsverkauf in der Rohkosteria statt. An ihrer Stelle ist heute ein Burger-Laden.
Bemerkenswert sind die Reaktionen auf Videos, die Ekwe-Ebobisse verbreitet. Zum Beispiel auf das Video „Mr. Raw flieht aus Deutschland“, das er am 2. April 2021 auf seiner Facebookseite veröffentlichte und in dem er ganz offen für die Reichsbürger-Idee und das Königreich Deutschland wirbt. Die Geschäftsführerin des Kundalini Yoga Zentrums im Frankfurter Nordend setzt dazu einen „Like“. Der Leiter eines Frankfurter Coaching-Unternehmens, der sich „Lernkulturcoach für Potentialentfaltung in Bildungseinrichtungen“ nennt, bekundet sein Verständnis für den Übertritt ins Königreich Deutschland. Ein Michael Ewertz ist gar so begeistert, dass er schreibt: „Sehr gut, ich mach mit!“. Michael Ewertz führt das Unternehmen Sun Surya Yoga mit Sitz Mörfelden-Walldorf. Er wirbt für „Spaziergänge“ der Corona-Rechten und verbreitet Videos der Verschwörungsideologen Ken Jebsen und Andreas Popp sowie von Markus Krall von der rechten Atlas-Initiative. Darüber hinaus tritt der Yoga-Lehrer für Weltfrieden und für die Legalisierung von Cannabis ein.
Das Netzwerk des Königreich Deutschland
Das 2012 gegründete Königreich Deutschland (KRD) ist eine der umtriebigsten Gruppen in den Spektren von rechter Esoterik und sogenannten Reichsbürgern. Das KRD gleicht einer Sekte um ihren Gründer Peter Fitzek, der sich als „Oberster Souverän“ des neuen Staates und zudem als „göttliches Wesen“ versteht. Das Netzwerk des KRD verfügt über etliche Vereine und Unternehmen, eine „Gemeinwohlkasse“, eine Scheinkrankenkasse, eine Stiftung sowie über Immobilien, die als Treffpunkte dienen und in denen Veranstaltungen und Seminare durchgeführt werden. Es gab sogar mal eine „Königliche Reichsbank“. Sie wurde allerdings von den Behörden geschlossen und abgewickelt. Der Sitz der Gruppe und der langjährige Wohnort von Fitzek ist in Wittenberg in Sachsen-Anhalt. Bekanntheit erlangte das KRD durch Prozesse gegen Fitzek, bei denen er zu Haftstrafen verurteilt wurde: z.B. wegen wiederholten Fahrens ohne Führerschein (er hatte sich selbst seine Fahrerlaubnis ausgestellt) und illegaler Versicherungs-, Kredit- und Bankgeschäfte.
Das Königreich Deutschland vermittelt die Illusion von Freiheit, Ausstieg und Neubeginn. Es nennt sich selbst „eine Vereinigung freiheitsliebender und gemeinwohlorientierter Menschen“ auf der Grundlage einer „Basisdemokratie in Verbindung mit einer Räterepublik und einem repräsentativen König“ und „einer Verfassung nach den Naturgesetzen“. Es verspricht nicht weniger als den radikalen „Systemausstieg“ und gibt vor, „praktische Lösungen für alle aktuellen systemischen, menschlichen und gesellschaftlichen Probleme“ zu haben. Dazu wirbt es mit einem „zins- und schuldfreien Geldwesen“, einem autarken Wirtschaftskreislauf, einer eigenen Währung, mit Konten, auf die die Finanzaufsicht keinen Zugriff habe sowie mit einem „ganzheitlichen“ Gesundheits- und Bildungswesen. (siehe Webseite des Königreichs Deutschland)
Zur Struktur des KRD zählen auch im weiteren Rhein-Main-Gebiet mehrere Vereine und Unternehmen. So zum Beispiel FairTeilen e.V., ein 2014 gegründeter Verein mit Sitz in Aschaffenburg, der sich als gemeinnütziger Hilfsverein für benachteiligte Kinder ausgibt und nur durch seine Anschrift in Wittenberg seine Zugehörigkeit zum KRD erkennen lässt. 2021 informierte der hessische Inlandsgeheimdienst (Verfassungsschutz) darüber, dass der Verein versucht habe, in einer hessischen Kommune eine Immobilie zu erwerben, angeblich um ein „ökologisches Gemeinwohldorf“ zu gründen. Oder die Firma EMX bzw. EMX Exchange, die von Jens Becker geleitet wird. EMX Exchange versteht sich als „Dienstleister für Kryptotechnologie im Königreich Deutschland“. Das Unternehmen ist im Wesentlichen ein Internet-Shop, über den man KRD-Seminare, „Kryptoschulungen“ und pseudomedizinische Behandlungen buchen kann. Dort gibt es auch Gutscheine für Schneeketten, Feuerlöscher, Blumen und Elektro-Bikes zu erwerben. Zu erreichen ist EMX Exchange über ein Frankfurter Postfach und eine Wiesbadener Telefonnummer. Jens Becker ist die führende Person der Regionalstelle Rhein-Main-Neckar des KRD. Seit 2008 steht er nach eigener Auskunft an der Seite von Fitzek. Er wohnte damals in Hofheim (Taunus). Er ist QAnon-Anhänger und glaubt, dass über Corona-Masken Nanobots, also Miniroboter, eingeatmet werden, die die Menschen fremdsteuern. Er erzählt, dass er die Masken, die er tragen muss, deswegen vorher mit Bleichmitteln behandelt. Laut eigenen Angaben arbeitet er für ein Unternehmen mit Sitz in Utrecht (Niederlanden), das sich Innovationszentrum und E-Learning Anbieter nennt, aber vor allem eine Werbeplattform für diverse Coaching-Seminare ist.
Germanische Neue Medizin und Antisemitismus
Auf einer Regionalversammlung Rhein-Main des KRD im Jahr 2020 erzählte Becker, was man in seinen Kreisen von der Corona-Pandemie hält: „Wir glauben nicht an Corona und wenn es Corona gibt, dann sind wir selbst schuld.“ Wie stark das KRD von extrem rechter Ideologie geprägt ist, lässt sich alleine an der „Gesundheitspolitik“ erkennen, die dort propagiert wird. So sind Fitzek und andere Personen des KRD Anhänger*innen der Germanischen Neuen Medizin (GNM).
Ein regionales Beispiel ist Julia von Niebelschütz, die das Unternehmen Healing Resonance in Taunusstein leitet, das dem KRD angeschlossen ist. Sie bietet Coaching und gesundheitliche Beratung auf Grundlage der GNM an. Von Niebelschütz arbeitet auch mit Methoden des Psychotraumatologen Franz Ruppert, der Krankheiten wie Krebs oder Diabetes als „Konstruktion der Schulmedizin“ bezeichnet. Zudem behauptet Ruppert, dass die Corona-Pandemie nach einem Masterplan „von langer Hand vorbereitet” gewesen sei und die Todeszahlen durch Corona „Schwindel erregend hochgerechnet werden“.
In der GNM wird in klassisch esoterischer Manier davon ausgegangen, dass Krankheiten von inneren Konflikten ausgelöst werden. Folglich würden sich sogar Krebserkrankungen nach der Konfliktlösung von selbst heilen, wobei Chemotherapien den Heilungsprozessen oft schaden würden. Medial bekannt wurde die GNM durch einen Fall im Jahr 2009. Ein Elternpaar aus Norddeutschland, das einer neonazistischen Siedlungsgemeinschaft angehört, verweigerte ihrer zuckerkranken Tochter das lebensnotwendige Insulin und verabreichte ihr stattdessen Rohkost nach Anleitung der GNM. Die Vierjährige starb. 2015 wurden die Eltern zu Bewährungsstrafen verurteilt.
Erfinder der Neuen Germanischen Medizin ist der 2017 verstorbene Ryke Geerd Hamer. Er war Reichsbürger, Verschwörungsideologe und Antisemit durch und durch. Er glaubte sich von einer „jüdischen Loge“ verfolgt und sah in der Schulmedizin eine Waffe der „Talmud-Zionisten“, um die nichtjüdische Bevölkerung umzubringen. in einem Interview, dass 2006 in italienischer Sprache erschien, sagte er: „Ich glaube noch nicht einmal an den Holocaust, jedenfalls nicht in der Weise, wie er uns erzählt wird, und da bin ich natürlich nicht der Einzige. Ich glaube auch nicht, dass der Mensch auf dem Mond war, und viel schlimmer, dass die Twin Towers durch Araber zum Einsturz gebracht wurden, aber daran glaubt ja nun fast niemand mehr.“ (Übersetzung aus dem Italienischen durch Psiram). Natürlich wendete sich Hamer gegen das Impfen. Er wird von seinen Anhänger*innen wie folgt zitiert: „Impfungen, ganz egal wogegen, sind aus Sicht der GERMANISCHEN nicht nur sinnlos (weil unwirksam), sondern […] äußerst schädlich. […] Noch schlimmer: Wir müssen heute aufgrund der nicht mehr zu übersehenden Vorgänge dringend davon ausgehen, daß es sich schon bei den zurückliegenden und in Zukunft bei allen folgenden Impfungen nur noch um Chipimplantationen handelt, mit denen man den Geimpften lebenslang observieren kann.“
Peter Fitzek vom KRD steht in Sachen Antisemitismus Hamer kaum nach. Das Magazin VICE berichtete 2013 aus Gesprächen mit Fitzek, in denen er kundtat, dass „hinter der kapitalistischen Wirtschaftsordnung […] wirkmächtige Familienclans der Hochfinanz, gerne auch jüdischer Herkunft“ steckten und dass „die großen Katastrophen, Kriege und Krisen […] alle der Logik einer genau geplanten Weltverschwörung“ folgten. Einem abtrünnigen Mitglied schrieb Fitzek in einer Email (zitiert auf der Webseite „Sonnenstaatland“): „Der Grad der Selbstlüge und der Heuchelei, in der Du lebst, die Versuche zur Zersetzung der Wahrhaftigkeit und des Königreiches Deutschland und auch die Versuche, viele wichtige Unterstützer des Königreiches zu verunsichern, sind in ihrer Qualität wohl einzigartig. Eine gewisse Volksgruppe, die vorherrschend Deine Nasenform hat, lebt seit Langem in ähnlichen Lügen und wartet immer noch auf ihren Erlöser.“
Ein Königreich als Geschäftsidee
Die Staatsidee des KRD hat nichts Sozialrevolutionäres, wie es die Bezüge auf Räterepublik und Gemeinwohl vorgaukeln sollen. Sie ähnelt vielmehr einem rechten Libertarismus, der in den USA im politischen Milieu um Donald Trump und in Deutschland in „wirtschaftsliberalen“ rechten Kreisen wie zum Beispiel im Frankfurter Netzwerk der Atlas-Initiative vertreten wird. Dieser gipfelt in der Vision von Reichen zur Schaffung von Mini-Staaten, in denen sie nach eigenen Regeln und Gesetzen leben können, mit vollen unternehmerischer Freiheiten, bestenfalls ohne Steuern, Sozialabgaben, Kartellaufsicht und nervigen Wissenschaftler*innen, die vor Pandemien und Klimazerstörung warnen.
Ein Medienecho bis in die Tagesschau löste die Nachricht aus, dass im Oktober und November 2020 Fitzek und führende Personen der Querdenken-Bewegung, darunter Querdenken-Gründer Michael Ballweg, in einem KRD-Treffpunkt in Thüringen zu konspirativen Gesprächen zusammengekommen waren. Dabei soll es um eine Kooperation der Gruppen gegangen sein. In der Folge wurde bekannt, dass Ballweg ein Konto bei der „Gemeinwohlkasse“ des KRD eingerichtet hatte. Das Hacker-Netzwerk Anonymous Germany veröffentlichte im Juli 2021 ein Dokument des KRD, dass Ballweg „beurkundet“, als „ordentlicher Staatszugehöriger beim Königreich Deutschland (KRD) registriert“ zu sein.
Vor allem ist das „Königreich Deutschland“ eines: Ein betrügerisches Geschäftsmodell. Nach Feststellung des Landgerichts Halle hatten Fitzek und seine Getreuen allein von 2009 bis 2013 zirka 1,3 Millionen Euro durch undurchsichtige und nicht genehmigte Bank-, Kredit- und Versicherungsgeschäfte veruntreut. Von Anhänger*innen wird erwartet, dass sie Immobilien, die sich in ihrem Besitz befinden, per Schenkung an das „Königreich Deutschland“ übertragen, dass sie ihr Geld auf der KRD-„Gemeinwohlkasse“ anlegen und Euros in das KRD-Fantasiegeld „E-Mark“ umtauschen. Zurzeit versucht das KRD drei Millionen Euro einzuwerben, angeblich zum Aufbau einer eigenen KfZ-Versicherung. Verkauft werden im KRD zudem diverse „Ausweise“ des Pseudo-Staates sowie Seminare zu allen möglichen Themen. Die Teilnahme am Basis-Seminar zum Thema „Systemausstieg“ kostet 340 „E-Mark / Euro” oder mit zwei zusätzlichen Modulen 520,- „E-Mark / Euro“.
Seine Neukundenakquise hat das KRD jetzt auf Impfgegner*innen und Corona-Leugner*innen zugeschnitten. Auf einer KRD-Werbeveranstaltung im Frühjahr 2021 (das Video wurde im Mai 2021 online gestellt) versprachen Ekwe-Ebobisse und Becker die bevorstehende Einrichtung eines „gelobten Landes“, in dem man sich stets maskenfrei und ungeimpft in Restaurants und Geschäften bewegen könne. Auf der Veranstaltung berichtete Becker, dass die Regionalstelle Rhein-Main-Neckar das KRD expandiere und auf 70 Personen angewachsen sei. Überprüfen lässt sich das nicht.
Spirituelle Grundreinigung und Selbstoptimierung
Vor einigen Jahren noch folgten Menschen einem Guru, der ihnen ihr Leben erklärte und dafür ihr Geld abnahm. Heute bucht man sich zu diesem Zweck einen „Life Coach“. Nicht nur David Ekwe-Ebobisse, auffallend viele Personen aus dem Spektrum von Reichsbürger*innen und rechter Esoterik geben als Beruf(ung) Life Coach an. Dazu gehört auch die Bornheimer Reichsbürgerin Stefanie Schaack-Wichtler, die wir bereits in unserem Update vom 17. Januar vorgestellt hatten. Oder auch Marlon Fann, der nach eigenen Angaben aus Frankfurt kommt, hier Erziehungswissenschaften studierte und schließlich das Geschäftsfeld Gesundheit für sich entdeckte. Heute tritt er in Frankfurt und Heidelberg als Life Coach, Health Coach, Holistic Healer und Inner-Cleansing Coach auf. Auch er postet Propaganda des Königreich Deutschland und drückt bei deren Videos auf „Like“. Er bekennt sich jedoch nicht direkt zum Reichsbürgertum. Mit David Ekwe-Ebobisse ist er offensichtlich freundschaftlich verbunden. Die beiden bewerben gegenseitig ihre Dienstleistungen und Produkte und scheinen ihr Coaching über Ernährung und Körperfunktionen aufeinander abgestimmt zu haben. Ekwe-Ebobisse kümmert sich dabei in erster Linie um die Nahrungsaufnahme und Fann um den Ausscheidungsprozess: Er gibt Ratschläge zur Darmsanierung und bietet Workshops an zum Thema „Regeneriere deinen Darm & Ernährung zur Frequenzerhöhung“.
Die Reinigung von Körper, Seele und Geist ist das zentrale Motiv von Marlon Fann. Auch er zeichnet ein finsteres Bild der Endzeit, welcher ein von Licht erfülltes Zeitalter des Glücks folgen wird. Doch Fann verkauft keinen Ausstieg, sondern Selbstoptimierung im Hier und Jetzt. Er wendet sich an die, die fürchten, den steigenden Anforderungen in Beruf und Alltag nicht mehr standhalten zu können. Er schreibt: „Ich […] helfe Menschen wie dir ihr maximales geistiges und körperliches Leistungsvermögen zu entfalten, dabei ein glückliches und erfülltes Leben zu erschaffen und ihr inneres Leuchten wiederzuerwecken! Es ist mir wirklich ein großes Herzensanliegen, Menschen dabei zu unterstützen in der trubeligen Welt da draußen, wieder zu sich zu finden und ihr Leben auf eine neue Stufe der Gesundheit, Lebensfreude und Kraft zu bringen.“ Dazu bietet Fann eine spirituelle Grundreinigung (das zehnstündige „Intensivbetreuungspaket“ kostet 1.200 Euro), mit der „ein optimales Energielevel & die Entfaltung des vollen Potenzials“ des Einzelnen erreicht werden könne. Den Kund*innen verspricht er „mehr Lebensenergie und weniger Schlafbedürfnis“ sowie „höhere Belastbarkeit“. Wohlbefinden und Erfüllung treten seiner Theorie nach ein, indem man individuell und manipulativ seine Belastbarkeitsgrenze verschiebt und das letzte Quäntchen Leistungsvermögen aus sich herauspresst – indem man also sich ändert, statt die zerstörerischen Lebens- und Arbeitsbedingungen zu ändern und sich hierzu mit anderen zu organisieren. Mancher Arbeitgeber dürfte sich angesichts dieses Angebots überlegen, sein Personal von Marlon Fann auf Trab bringen zu lassen. Workshops von ihm fanden in der Vergangenheit unter anderem im Ökohaus in Frankfurt-Bockenheim statt.
Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass sich auch Marlon Fann gegen das Impfen wendet. In seinem Facebook-Profil verweist er auf den Blog TheThruthsCoveryChannel, in dem er unter dem Namen „The Awaked Dreamer“ schreibt. Dort widmet er sich nicht nur seiner vermeintlichen Kernkompetenz Rohkost-Ernährung plus Darmsanierung, sondern schwadronierte zum Beispiel 2017 über „manipulative Geheimgesellschaften“, die einen „regelrechten Meinungskrieg zwischen Verschwörungstheoretikern und Nicht-Verschwörungstheoreiker“ (sic) steuern würden, um „Querdenker“ zu diskreditieren. Seiner Meinung nach hatten auch die Mondlandungen nicht stattgefunden, er schreibt: „Ich bin vor kurzem auf einen unglaublichen Fakt gestoßen: Die NASA ist ein Scheinunternehmen das Videos in Studios dreht, und es gibt BEWEISE!“. Einen unschlagbaren Beweis liefert er prompt: „Nasa bedeutet auf Hibräisch ‚Täuschung‘ – kann jeder selber recherchieren“ (sic).
Von sozialer Ächtung keine Spur
Germanische Heiler*innen und Reichsbürger bilden keine isolierten Szenen im Spektrum der Impfgegner*innen und Corona-Leugner*innen. In unserer Broschüre „Ohne Maske gegen Soros“ vom März 2021 und in unseren Updates zur Corona-Rechten haben wir mehrfach beschrieben, wie sehr die Szenen ineinander verfließen. Die Wege sind kurz vom Glauben, dass niemals ein Mensch auf dem Mond war bis zur Erzählung der Reichsbürger, dass eine geheime Macht verhindere, dass die „BRD“ ein souveräner Staat werden kann. Doch die Ideologie der Reichsbürger ist hochgefährlich. Da ihrer Meinung nach die „BRD“ von einer fremden Macht gesteuert sei, sehen sie sich berufen, Recht und Gesetz in die eigenen Hände zu nehmen und sich zu bewaffnen.
Die Frage ist: Wie bedeutend sind Personen wie David Ekwe-Ebobisse und Gruppen wie das Königreich Deutschland? Ekwe-Ebobisse hat 21.000 Youtube-Abonnent*innen, 5.000 Facebook-Freund*innen und 23.000 Instagram-Follower, doch das sagt wenig aus. Er ist ein Profi im Selbstmarketing, virtuelle Freundschaften werden gesammelt, Youtube-Abonnent*innen en gros gekauft. Doch konnte er von 2016 bis 2020 im Frankfurter Nordend ungestört die Restaurants Greenfoody und Rohkosteria betreiben, obgleich er schon 2016 von der Unterwanderung der germanischen Kochkultur durch die italienische Küche schwafelte und 2017 äußerte, dass es Jüd*innen im Holocaust viel besser gegangen sei als Tieren, die zum Verzehr gezüchtet würden. Er tritt nicht nur auf esoterischen Kongressen als „Gesundheitsexperte“ auf, sondern auch auf Vegan-Messen und -Treffen und erreicht dort ein Publikum weit über die esoterische Szene hinaus.
Noch im Februar 2019, als seine antisemitischen Ausfälle längst öffentlich waren, veröffentlichte die Frankfurter Neue Presse in ihrer Rubrik „Gastro-Kolumne“ einen halbseitigen Werbeartikel für die Rohkosteria. Und in Mannheim eröffnete ebenfalls 2019 ein Franchise der Frankfurter Rohkosteria, welches 2020 jedoch wieder dicht machte.
Die positiven Kommentare auf seine Reichsbürger-Werbung zeigen zudem, dass viele Menschen aus dem esoterischen Spektrum keine Distanz haben zu Reichsbürgern, zu Antisemitismus, zu den absurdesten Verschwörungserzählungen und zu skrupellosen Geschäftemacher*innen, die kranke Menschen mit dem Versprechen von Heilung belügen und betrügen.
Viele aus diesem Milieu sammeln sich seit Wochen täglich irgendwo in Frankfurt, um gegen eine angebliche „Corona-Diktatur“ zur protestieren – und mit ihnen organisierte Neonazis, Trump-Fans, einzelne linke Splittergrüppchen und Menschen, die sich als ganz normale Bürger*innen verstehen.
Sollten die „Corona-Proteste“ verebben, dann wird dieses rechtsoffene bis offen rechte esoterische Milieu nicht verschwinden – sondern Teil des „bunten“ und „alternativen“ Frankfurt bleiben.