Im folgenden Beitrag dokumentieren wir die Berichterstattung zu dem Sabotageakt am Langener Waldsee. Neben Text und spannenden Positionierungen oder auch Entsolidarisierungen von Seiten der Grünen, findet sich in der Hessenschau auch ein Zitat von uns zu der Protestaktion.
Der Transparent halber hier die vollständigen Interview Fragen und Antworten:
1. War die Antifa an der Aktion beteiligt?
Davon, dass Antifaschistinnen an der Aktion gegen Sehring in Langen beteiligt waren, ist fest auszugehen. Antifaschismus und Klimaschutz gehen Hand in Hand. Seit Jahren machen Aktivist*innen aus der Klimabewegung auf der Verknüpfung von Klimakämpfen, wie denen im Dannenröder Forst und Antifaschismus aufmerksam. Wir teilen die Ansicht, dass der Kampf gegen die Klimakatastrophe und der Kampf gegen Nazis wie die von der AfD untrennbar miteinander verbunden sind.
2. Mit welcher Zielsetzung habt ihr das Video von der Aktion auf der Homepage veröffentlicht? Was wollt ihr damit bezwecken?
Ein „Weiter so“ innerhalb der derzeitigen Klimakrise wird unsere Zivilisation und die Menschheit in den Abgrund stürzen. Das Disrupt Video zu der Aktion in der Kiesgrube finden wir daher sowohl politisch richtig als auch ästhetisch und medienwirksam teilenswert. Wir untertsützen die inhaltliche Zielsetzung einer radikalen Umkehr in der Klimapolitik. Damit viele Menschen sich ein eigenes Bild solcher Aktionsformen machen können und überlegen wie ihr Beitrag an einer Systemveränderung aussehen kann, veröffentlichen wir gerne ein solches Video.
Die Hessenschau mit Ihrem Videobeitrag, leider können wir das Video nicht direkt einbinden. Und der HR müsste seine Video-Quelle noch korrekt angeben.
Die FAZ schreibt folgendes:
Grüne entschuldigt sich bei Sehring nach umstrittenem Like
Eine Kreistagsabgeordnete hatte bei Facebook erfreut auf eine Aktion militanter Klimaschützer reagiert. Nun entschuldigt sie sich bei dem betroffenen Unternehmen. Die Aktion widerspreche ihrer „Auffassung von friedlichem Protest“.
Eine Grünenpolitikerin, die einen Beitrag bei Facebook zu einem Sabotageakt auf dem Gelände des Kiesabbaubetriebs Sehring am Langener Waldsee gelikt hat, hat sich dafür bei dem Unternehmen entschuldigt. „Aus Unachtsamkeit“ habe sie auf das Posting des Aktionsbündnisses Langener Bannwald mit einem Like reagiert, sagte die Offenbacher Kreistagsabgeordnete Eliza Hagenah. Der Facebook-Beitrag bezog sich auf eine Aktion militanter Klimaschützer, die am Samstag auf das Firmengelände eingedrungen waren, Förderbänder zerschnitten und Maschinen demoliert hatten. „Als mir der Inhalt bewusst wurde, habe ich das Like wieder zurückgenommen“, äußerte sich Hagenah jetzt. Die Aktion widerspreche ihrer „Auffassung von friedlichem Protest“, schreibt die Grünenpolitikerin. „Deshalb möchte ich mich hier an der Stelle ganz klar von dieser Aktion distanzieren.“
Der Sabotageakt ist auf einem Video zu sehen, das auf der Website „Wald statt Asphalt“ veröffentlicht wurde. Deren Betreiber teilten mit, der Beitrag sei ihnen „anonym zugespielt“ worden. In dem Video unter dem Titel „Disrupt Sehring“ begründen die Täter ihre Aktion unter anderem damit, dass das Unternehmen einer der Hauptzulieferer für den Ausbau des Frankfurter Flughafens sei. Nach Angaben der Polizei entstand an der Förderanlage von Sehring ein Schaden von 50.000 Euro, das Unternehmen selbst spricht von einer Schadenshöhe im sechsstelligen Bereich. Der Staatsschutz ermittelt.
Ein Sprecher der Stadt Langen verurteilte den Sabotageakt und sprach von „einer verbrecherischen Aktion“. Schon bei früheren Protesten gegen Kiesabbau hatte die Stadt auf die Rekultivierungsauflagen für die Betreiber hingewiesen. Nach der Auskiesung entstehe eine wertvolle Naturlandschaft. Sehring überweise der Stadt rund 800.000 Euro pro Jahr für bestehende Auskiesungsverträge. Würde die Auskiesung verboten, wären zudem 100 Arbeitsplätze gefährdet.
Kiesabbau in der Region wird kontrovers diskutiert
Auch die Umweltschutzorganisation BUND, die erfolglos gegen die Erweiterung der Kiesgrube am Langener Waldsee geklagt hatte, distanzierte sich von dem Sabotageakt. „Wir haben die Mittel des Rechtsstaates ausgeschöpft und müssen das Urteil akzeptieren. Illegale Aktionen sind deshalb für uns tabu“, sagte der BUND-Ortsvorsitzende für Langen/Egelsbach, Rainer Klösel, auf Anfrage.
Befürworter des Kiesabbaus wie zuletzt auch die Vereinigung Hessischer Unternehmerverbände (VhU) argumentieren mit der immer noch regen Bautätigkeit in der Rhein-Main-Region. Es sei besser, Baustoffe vor Ort abzubauen, als sie von weit her zu transportieren. Umweltschützer dagegen kritisieren unter anderem die Rodungen, die mit dem Kiesabbau verbunden sind. Am Langener Waldsee sollen in den nächsten Jahren weitere 60 Hektar Wald fallen, in großen Teilen Bannwald.
Nicht nur in Langen, auch in Raunheim regt sich Widerstand gegen die Fortsetzung des Kiesabbaus. Hier liegt die Sache etwas komplizierter. Das Betriebsgelände der Raunheimer Sand- und Kiesgewinnung Blasberg GmbH liegt zwar auf Raunheimer Gemarkung, der Wald gehört aber der Stadt Flörsheim jenseits des Mains. Aus dem Flörsheimer Rathaus kamen schon Proteste gegen die weitere Abholzung des Waldes, auch hier weitgehend Bannwald. Die Flörsheimer haben 1980 bereits 180 Hektar ihres Waldes an den Flughafenbetreiber abgeben müssen, nun sollen weitere zwölf Hektar hergegeben werden. Nicht nur die Stadt Flörsheim, sondern auch Umweltschützer machen gegen die Pläne mobil.
Wiederholte Sabotageaktion radikaler Klimaaktivisten
Die Firmengruppe Dreher, zu der die Raunheimer Sand- und Kiesgewinnung Blasberg GmbH gehört, hat in der Vergangenheit auch schon erlebt, dass ihr Betriebsgelände durch Eindringlinge beschädigt wurde. Allerdings nicht durch Umweltschützer, sondern durch Vandalismus von Badegästen, die illegal auf das Betriebsgelände vorgedrungen waren, um in den Raunheimer Badesee einzutauchen. Der ist – genau wie der Langener Waldsee – ein willkommenes Nebenprodukt des Kiesabbaus, der in der Region vor rund 90 Jahren begann. In heißen Sommermonaten tummeln sich in Langen bis zu 20.000 und in Raunheim bis zu 5000 Badegäste. Dreher hat sein Areal inzwischen besser geschützt. Auf eine Anfrage bei Sehring, ob die Sicherheitsmaßnahmen für das Gelände in Langen verschärft werden, reagierte das Unternehmen am Donnerstag zunächst nicht.
Der Angriff auf das Sehring-Gelände war nicht die einzige Sabotageaktion radikaler Klimaaktivisten in der jüngeren Vergangenheit. In Frankfurt kam es zuletzt zu zwei Angriffen auf ein Autohaus im Stadtteil Fechenheim. Im Januar 2023 wurden dabei mehrere Luxusautos und die Fassade des Geschäfts beschädigt, dabei entstand ein Schaden in Höhe von etwa 300.000 Euro. Die gewalttätigen Aktivisten wollten durch den Angriff ihre Solidarität mit einem Besetzercamp im Fechenheimer Wald ausdrücken, dessen Räumung damals kurz bevorstand. Bei einen zweiten Anschlag im September 2023 wurden mehrere Tesla-Fahrzeuge in Brand gesteckt.
In der Kiesgrube am Langener Waldsee wurde ein Schaden von 50.000 Euro verursacht. Die Hintergründe sind noch unklar, doch der Staatsschutz ermittelt bereits.
Update von Donnerstag, 8. Februar, 17.45 Uhr: Langen – Nachdem eine Personengruppe am Wochenende auf das Betriebsgelände der Firma Sehring am Langener Waldsee eingebrochen ist und die dortigen Gerätschaften beschädigt hat (siehe Erstmeldung), meldet sich die Sehring Sand & Kies GmbH & Co. KG zu Wort und spricht von einem „linksextremen Anschlag“. Derweil bekennt sich eine unbekannte Gruppe von Klimaaktivisten mit einem Beitrag auf dem Internetportal „Wald statt Asphalt“ zur Aktion. Der Beitrag sei den Betreibern der Seite anonym mit der Bitte um Veröffentlichung zugespielt worden. Sehring hat Strafanzeige gestellt, der Staatsschutz ermittelt.
Die Firma Sehring, die seit 2014 Kies und Sand am Waldsee abbaut, spricht von einer „roten Linie“, die überschritten worden ist. Die Eindringlinge haben sich nach Angaben der Polizei Zugang zum eingezäunten Gelände verschafft, die Förderbänder zerschnitten sowie deren Antriebsmotoren beschädigt und Schriftzeichen aufgesprüht. „Neben hohem Sachschaden nahmen die sogenannten Aktivisten das Verletzen oder den Tod von Mitarbeitern billigend in Kauf“, formuliert Geschäftsführer Stefan Sehring. Hätten Mitarbeitende an dem sabotierten Band gestanden, würde nach Einschalten der zerschnittene Gurt um sich schlagen. „Als stahlverstärkter Industriegurt hat das massive Folgen“, erklärt Sehring. Regelmäßig gebe es Wochenendschichten. „Hier hatten die Täter Glück, dass niemand vor Ort war“, sagt der Geschäftsführer.
In seiner Mitteilung nennt das Unternehmen Kreis- und Ortsverbände der Partei Bündnis 90/Die Grünen, BUND und Naturfreunde Hessen sowie das Aktionsbündnis Langener Bannwald. „Sie goutieren diesen Anschlag und Sabotageakt, in dem sie sich nicht von dieser Aktion öffentlich distanzieren. Deren jahrelanger populistischer Feldzug verbunden mit frei erfundenen Behauptungen gegen das Hause Sehring findet in dieser Aktion den bisherigen Höhepunkt“, formuliert das Unternehmen. „Gewalt wird somit als demokratisches Mittel akzeptiert, was scheinbar als Förderung des Linksterrorismus zu verstehen ist. Jeglicher Diskurs wird somit in Zukunft verhindert“, urteilt Sehring und kündigt an, dass das Unternehme keine Kosten und Mühen scheuen werde, die Drahtzieher zur Rechenschaft zu ziehen.
Laut dem am Dienstag auf der Plattform von „Wald und Asphalt“ – das Bündnis selbst hat sich 2020 während des Konflikts um den Dannenröder Forst gegründet – veröffentlichten Beitrag habe die verantwortliche anonyme Aktivistengruppe mit der Sabotageaktion nach eigenen Angaben gegen die anhaltende Klimazerstörung des Betreibers Sehring vorgehen wollen. „Die Bau- und Gebäudebranche verursacht 38 Prozent aller weltweiten Treibhausgasemissionen, insbesondere durch den klimaschädlichen Baustoff Beton. Damit ist der in Langen abgebaute Kies als Hauptbestandteil von Beton der Antreiber einer Bauindustrie ohne Maß und ohne soziales oder ökologisches Gewissen“, teilt die Gruppe mit. „Wir müssen der ökologischen und sozialen Zerstörung der Bauindustrie schnell und wirksam dort begegnen, wo sie passiert“, wird eine Sprecherin zitiert.
Bei ihrer Aktion, zu der die Aktivisten ein Video mit dem Titel „Disrupt Sehring“ (übersetzt etwa stören/zum Erliegen bringen) gedreht haben, verschafften sie sich maskiert und in Maleranzügen Zugang zum Gelände, schnitten die Förderbänder durch und beschädigten Maschinen. Die Firma sei Hauptzulieferer für den Neubau des Terminal 3 am Frankfurter Flughafen. „Sehring macht Zerstörung aus ,Tradition‘ und ist seit 1968 am Flughafenausbau beteiligt. Menschen vor Ort sind Sehring genauso egal wie die Natur: Für den Kiesabbau wurden bisher 30,2 Hektar Wald gerodet, fast genauso viel soll noch zerstört werden“, kritisiert die Gruppe in ihrer Stellungnahme. „Für uns ist klar: Wir müssen es selber machen. Wir zerstören, was uns zerstört und wir bauen auf, was uns aufbaut“, wird die Aktion begründet.
Der Vorfall hat in Politik und bei Initiativen für Entsetzen und Unverständnis gesorgt. Das Aktionsbündnis Langener Bannwald hat von dem Vorfall aus den Medien erfahren. „Wir wussten nichts von der Aktion und haben natürlich nicht zugestimmt“, sagt Sprecherin Jackie Herth. „Wir stehen für gewaltfreien und friedlichen Protest – wie wir in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen haben“, sagt sie. Gewalt sei keine Lösung, betont die Sprecherin des Aktionsbündnisses, das immer wieder zu Demonstrationen am Waldsee aufruft. Man dürfe in diesem Zusammenhang aber dennoch nicht vergessen, wie die Firma Sehring gegen Kritiker ihrer Tätigkeit vorgehe, auch wenn sie in diesem Fall das Opfer sei.
Die Ortsverbände der Grünen in Langen und Egelsbach veröffentlichten am Donnerstag parallel eine Stellungnahme zu den Sachbeschädigungen an den Betriebsanlagen der Firma Sehring im gleichen Wortlaut: Beide Ortsverbände stellen klar, dass sie die gesetzwidrigen Handlungen auf dem Betriebsgelände auf das Schärfste verurteilen. „Diese stehen im direkten Widerspruch zu unseren grundlegenden Werten des Umweltschutzes und des friedlichen, parlamentarischen Protests. Wir betonen ausdrücklich, dass Kritik auf demokratischen und rechtsstaatlichen Wegen ausgedrückt werden muss“, heißt es im Statement. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Katy Walther betont, mit der Änderung des Waldgesetzes sei viel für den Bannwaldschutz erreicht, und lässt sich wie folgt zitieren: „In Parlamenten für Klimaschutz und Umwelt zu streiten, ist unsere Aufgabe. Auch friedliche Proteste dürfen sein. Sachbeschädigungen und Gewalt in jeglicher Form lehnen wir ab. Sie schaden der Sache.“
Dies stellt auch Langens Erster Stadtrat Stefan Löbig heraus: „Das hat mit normalem Protest nichts mehr zu tun und vermengt dies mit friedlichen Aktionen. Das fällt im Endeffekt allen auf die Füße“, meint das Grünen-Mitglied. Die Stadt, Eigentümerin der Auskiesungsfläche, auf der die Firma Sehring agiert, lässt überdies verlauten, dass sie jeglichen kriminellen Protest verurteilt. „Die Stadt Langen steht hinter dem Kiesabbau.“
Der CDU-Landtagsabgeordnete Hartmut Honka bezeichnet den „Anschlag“ auf das Kieswerk als „widerwärtig“. Die mutwillige Zerstörung von Maschinen und großflächige Schmierereien seien nicht harmlos. „Es ist erschreckend zu erleben, wie immer wieder Menschen meinen, ihre Meinung mit Gewalt durchsetzen zu wollen“, sagt Honka und verweist darauf, dass der Kiesabbau genehmigt und juristisch für rechtmäßig befunden wurde. „Anders als die Täter in ihrem Bekennerschreiben meinen, stellen sie sich nicht der Klimazerstörung entgegen, sie zerstören Privateigentum“, sagt Honka.
Man kann den Kiesabbau am Langener Waldsee zurecht kritisieren – vor allem eben, weil dafür ökologisch wertvolle Waldflächen gerodet werden. Aber dass die Beschädigungen auf dem Betriebsgelände der Firma Sehring keinen adäquaten Protest darstellen, darüber sollte Konsens bestehen. Gewalt bringt die Aktivisten kein Stück weiter. Ironisch scheint es, dass sie als Motiv den Kampf gegen die Klimazerstörung angeben und selbst zerstören.
Es ist klar, dass es frustrierend ist, wenn man nicht recht bekommt und nicht gehört wird. Friedlicher Protest kann und muss immer sein. Den hat auch das Aktionsbündnis Langener Bannwald in der Vergangenheit organisiert, in dem Ortsverbände von BUND, Naturfreunden, Grünen, Linken und weitere organisiert sind. Auch den juristischen Weg haben Umweltschützer ausgeschöpft. Das muss man im Rechtsstaat akzeptieren. Dass nun einige die Sache selbst in die Hand nehmen, ist nicht akzeptabel – und erweist friedlichem Protest einen Bärendienst.
Dass wiederum die Firma Sehring in ihrer Stellungnahme Umwelt- und Politikverbänden vorwirft, sie billigten den Sabotageakt und alle „Grünen“ mit Hardcore-Aktivisten in einen Topf wirft, zeigt, wie verhärtet die Fronten sind. Die Firma erteilt künftigem Diskurs eine Absage. Doch ohne vernünftige Auseinandersetzung kommt man in einer Demokratie in der Sache nicht weiter. Wie sich diese Patt-Situation auflösen lässt, ist jetzt fraglich. (Julia Radgen)