KEIN KRIEG IST FEMINISTISCH – DER PATRIARCHALEN KRIEGSLOGIK ENTGEGENTRETEN

*English below*

Wir gehen am 08. März auf die Straße für ein anderes Leben und Lieben. Unsere Kämpfe, die an diesem Tag zusammenkommen, haben sich immer gegen Versuche der Vereinnahmung und Erniedrigung gerichtet, gegen Versuche, unsere Körper und unsere Begehren zu kontrollieren. In diesen Zeiten bildet der Krieg und seine Logiken die Spitze des Eisbergs patriarchaler Gewalt und Inbesitznahme, die Spitze cis-heteronormativer Zurichtung und Kontrolle. Umso mehr gilt: Unser (Queer-)Feminismus bleibt antimilitaristisch!

Wer Krieg führt, wer ganze Gesellschaften militarisieren und kriegstüchtig machen will, der braucht Disziplin. Das bedeutet die Retraditionalisierung von Geschlechterrollen und die Verfestigung geschlechtlicher Binärität: Frauen* sollen Mütter, Versorgerin und sozialer Kitt der Gesellschaft sein, während Männer* für die Verteidigung nationaler Interessen von oben herhalten müssen. Hohe Militärausgaben bedeuten sinkende Sozialausgaben und prekäre Arbeitsverhältnisse, sprich mehr unbezahlte Arbeit durch weibliche Arbeitskraft.
Wer Disziplin will, der braucht die patriarchale Kontrolle, um die feministischen Kämpfe und das Aufbegehren in den Griff zu bekommen. Häusliche Gewalt und Feminizide sind Teil sozialer Realitäten der Disziplinierung. All jene, die durch das binäre Raster sexistischer Arbeitsteilung fallen, sich entziehen oder widersetzen, sind queerfeindlicher Gewalt oder Repressionen ausgesetzt.

Die Logik des Krieges ist aber nicht nur eine Logik der geschlechtlichen Arbeitsteilung und ihrer gewaltvollen Absicherung, sondern auch eine der Inbesitznahme. Dass vom Patriarchat betroffene Körper zur expliziten Zielscheibe von Gewalt in Kriegen und bewaffneten Konflikten werden, ist kein Zufall. Vergewaltigungen sind immer schon Kriegswaffe gewesen. Die Inbesitznahme von Territorien, Land und materiellem Besitz ist elementarer Teil der Kriegslogik und verzahnt sich mit der männlichen Vorstellung des Zugriffsrechts auf den weiblichen* Körper. Gewalt gegen Frauen* und Queers ist der Versuch der Kontrolle und Unterwerfung, sei es als Mittel der Machtdemonstration in kriegerischen Konflikten, wie aktuell in Israel und Palästina und der Ukraine oder im vermeintlich sicheren Zuhause.
Dies zeigt sich auch am Massaker der Hamas am 7. Oktober, das nicht nur von massiver antisemitischer Gewalt, sondern auch von sexualisierter Gewalt in grausamstem Ausmaß geprägt war. Die patriarchale Inbesitznahme zeigt sich hier sowohl in der anschließenden Leugnung dieser Gewalt, als auch in ihrer Instrumentalisierung für den Krieg gegen die Menschen in Gaza. Die sexualisierte Gewalt an israelischen, jüdischen und anderen Frauen* und Queers soll mit der Eroberung und Zerstörung von Territorien und Körpern – auch durch Vergewaltigungen – der Palästinenser*innen vergolten werden.

Aber nicht nur der israelische Rachefeldzug, der Tag für Tag brutaler und genozidaler gegen die Bevölkerung Gazas geführt wird, legitimiert sich scheinheilig mit dem Vokabular feministischer Kämpfe. Vertreter*innen einer selbsternannten „feministischen Außenpolitik“ wie Annalena Baerbock inszenieren sich als Retter*innen von Gewalt betroffener Frauen* und Queers, vor allem im globalen Süden.
Aber auch die „feministische“ Rekrutierung von Frauen* und Queers für die Bundeswehr unter dem Deckmantel neoliberaler Diversität treibt die Militarisierung voran, während gleichzeitig eine gesellschaftlicher Rückbezug auf das Bild der Hausfrau* und Mutter stattfindet. Die vermeintliche Diversifizierung der Streitkräfte löst die Dynamik des Krieges nicht auf. Der „Feminismus“ der Herrschenden ist nicht mehr als ein Feigenblatt vor der eigenen autoritären Gewalt. Diese Instrumentalisierung erleben wir ständig, etwa wenn Feminismus und der Kampf gegen Antisemitismus sowohl als Legitimation für rassistische Repression herhalten, als auch dafür das Deutschland weiterhin „im großen Stil“ in Staaten abschiebt, die für ihre strukturellen Menschen- und Frauenrechtsverletzungen bekannt sind. „Feministische“ Außenpolitik bedeutet: Der eigene Wohlstand, der auf (neo-)kolonialer und immer auch patriarchaler Ausbeutung von Land und Körper beruht, wird mit Mauern und Zäunen verteidigt.

Der kriegerische Ausnahmezustand, die Freund-Feind-Logik und die damit einhergehende Autoritarisierung ganzer Gesellschaften versucht nicht nur, die emanzipatorischen und feministischen Kämpfe zu kontrollieren oder zu vereinnahmen, sondern verschlingt sie auch im schwarzen Loch der Polarisierung.
Das erlebten wir, gerade in den letzten Monaten, auch bei unseren eigenen Genoss*innen und Freund*innen. Wir haben erlebt, wie schwer es einigen gefallen ist, die Gewalt der Hamas vom 07. Oktober als das zu verurteilen, was sie ist – antisemitisch, patriarchal, reaktionär-islamistisch. Andere wiederum haben sich erschreckend schnell in den Strudel einer vermeintlich feministischen Vergeltungslogik ziehen lassen und scheinen jegliche Empathie, für die Menschen in Gaza und ihren Kampf ums Überleben und gegen die Vertreibung, verloren zu haben. So mussten beispielsweise in Palästina lebende Queers immer wieder auf ihre eigene Existenz verweisen, da im Zuge der rassistischen Zuspitzung die palästinensische Bevölkerung als queerfeindliche Terrorist*innen wahrgenommen und – teils von der eigenen Community – unsichtbar gemacht wurde. Immer wieder muss, auch bei unseren eigenen Genoss*innen, der Feminismus herhalten, um den jeweils anderen, als „falsch“ markierten, Pol zu delegitimieren.

(Queer-)Feminismus in diesen Zeiten bedeutet, dem patriarchalen Eisberg seine militaristische Spitze abzubrechen. Wir verweigern uns der militärischen Disziplin, wir verteidigen unsere Körper gegen die patriarchale Kontrolle und die kriegerische Inbesitznahme. Wir entziehen uns den binären Rastern sexistischer Arbeitsteilung ebenso, wie wir aus den polaren Lagern der Kriegslogik desertieren. Wir halten den falschen Feminismen der Herrschenden unseren (queer-)feministischen Antimilitarismus entgegen. Wenn wir eine Seite wählen müssen, wählen wir die Seite all jener Frauen* und Queers, die gegen Krieg und Gewalt und für eine andere, friedliche, solidarische und fürsorgliche Gesellschaft kämpfen. Brechen wir das Eis der kalten Militarisierung mit der Hitze unserer vielfältigen Begehren.

Interventionistische Linke Frankfurt, März 2024

NO WAR IS FEMINIST – CONFRONTING THE PATRIARCHAL LOGIC OF WAR

We take to the streets on March 8th for a different way of living and loving. Our struggles that come together on this day have always been against attempts of appropriation and degradation, against attempts to control our bodies and our desires. In these times, war and its logics are the tip of the iceberg of patriarchal violence and appropriation, the tip of cis-heteronormative conditioning and control. All the more reason for our (queer) feminism to remain anti-militarist!

Anyone who wages war, who wants to militarise entire societies and make them fit for war, needs discipline. This means the retraditionalisation of gender roles and the reinforcement of the gender binary: women* are supposed to be mothers, providers and the social glue of society, while men* have to defend national interests from above. High military spending means falling social spending and precarious working conditions, i.e. more unpaid work by female labour. If one wants discipline, one needs patriarchal control in order to get a grip on feminist struggles and rebellion. Domestic violence and feminicides are part of the social realities of discipline. All those who fall through the binary grid of the sexist division of labour, who evade or resist, are exposed to queer-hostile violence or repression.

However, the logic of war is not only a logic of the gendered division of labour and its violent protection, but also one of appropriation. It is no coincidence that bodies affected by patriarchy become the explicit target of violence in wars and armed conflicts. Rape has always been a weapon of war. The seizure of territories, land and material possessions is an elementary part of the logic of war and interlocks with the male notion of the right of access to the female* body. Violence against women* and queers is an attempt to control and submit, whether as a means of demonstrating power in armed conflicts, as is currently the case in Israel, Palestine and Ukraine, or in the supposedly safe home. This can also be seen in the Hamas massacre on October 7th, which was not only characterised by massive anti-Semitic violence, but also by sexualised violence on the most horrific scale. The patriarchal appropriation is evident here both in the later denial of this violence and in its instrumentalisation for the war against the people in Gaza. The sexualised violence against Israeli, Jewish and other women* and queers is to be repaid with the seizure and destruction of territories and bodies – including through rape – of the Palestinians.

But it is not only the Israeli campaign of revenge, which is becoming more brutal and genocidal every day against the population of Gaza, that is hypocritically legitimised with the vocabulary of feminist struggles. Representatives of a self-proclaimed „feminist foreign policy“ such as Annalena Baerbock stage themselves as saviours of women* and queers affected by violence, especially in the Global South.

But the „feminist“ recruitment of women* and queers for the Bundeswehr under the cover of neoliberal diversity is also driving militarisation, while at the same time there is a social reference back to the image of the housewife* and mother. The supposed diversification of the armed forces does not resolve the dynamics of war. The „feminism“ of those in power is nothing more than a fig leaf in front of their own authoritarian violence. We constantly experience this instrumentalisation, for example when feminism and the fight against anti-Semitism are used to legitimise racist repression, as well as when Germany continues to deport „on a grand scale“ to countries that are known for their structural violations of human and women’s rights. „Feminist“ foreign policy means: Germany’s own prosperity, which is based on (neo-)colonial and always patriarchal exploitation of land and bodies, is defended with walls and fences.

The warlike state of emergency, the friend-enemy-logic and the authoritarianisation of entire societies that goes hand in hand with it are not only trying to control or appropriate emancipatory and feminist struggles, but are also swallowing them up in the black hole of polarisation. We have experienced this, especially in recent months, among our own comrades and friends. We have seen how difficult it has been for some to condemn the Hamas violence of October 7th for what it is – anti-semitic, patriarchal, reactionary Islamist. Others, on the other hand, have allowed themselves to be drawn alarmingly quickly into the maelstrom of a supposedly feminist logic of revenge and seem to have lost all empathy for the people in Gaza and their struggle for survival and against displacement. Queers living in Palestine, for example, have repeatedly had to refer to their own existence, as the Palestinian population was perceived as anti-queer terrorists in the course of the racist escalation and – in some cases by their own community – made invisible. Again and again, even among our own comrades, feminism has to be used to delegitimise the other pole, which is marked as „wrong“.

(Queer) feminism in these times means breaking off the militaristic tip of the patriarchal iceberg. We refuse military discipline, we defend our bodies against patriarchal control and warlike appropriation. We evade the binary grids of the sexist division of labour just as we desert the polar camps of the logic of war. We oppose the false feminisms of those in power with our (queer) feminist anti-militarism. If we have to choose a side, let’s choose the side of all those women* and queers who are fighting against war and violence and for a different, peaceful, caring society based on solidarity. Let’s break the ice of cold militarisation with the heat of our diverse desires.

Interventionistische Linke Frankfurt, March 2024