Rede des Vorsitzenden der Roma-Union, Leika-Peter Böttcher, zum 62. Jahrestag zum Auschwitzerlass vom 16.12.1942

Guten Tag meine verehrten Damen und Herren,

mein Name ist Leika-Peter Böttcher und seit dem Tod meines Vaters Hans-Georg Böttcher, verstorben am 02.06.2003 bin ich der neue Vorstandsvorsitzende der Roma Union Frankfurt e.V. sowie der Roma & Sinti Organisation Europa e. V.

Vor 62 Jahren befahl der Reichführer, der SS Heinrich Himmler mit dem Auschwitz Erlass die Deportation von Roma & Sinti aus ganz Europa in die KZs der Nazis...

„Zigeunermischlinge, Rom-Zigeuner und nicht deutschblütige Angehörige zigeunischer Sippen balkanischer Herkunft", so Himmlers Worte, sollen selektiert und binnen weniger Wochen in die Lager eingewiesen werden.

Die feine Unterscheidung hinsichtlich der Herkunft von Roma & Sinti, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass letzten Endes alle Roma & Sinti von der Verfolgung und Vernichtung betroffen waren.

Ebenso wie die Nürnberger Rassengesetze genauso wie auf Juden auch auf Roma & Sinti bereits sieben Jahre früher ausnahmslos angewandt wurden.

Joseph Goebbels drückte die Absicht, uns ein für allemal vom Erdboden zu tilgen im September 1942 unmissverständlich mit den Worten aus, dass „Juden und Zigeuner schlechthin" vernichtet werden sollen.

Ein justitieller Freibrief zum Massenmord, welchem Hitler ausdrücklich zustimmte.

Die Erfassung, menschliche Katalogisierung, die Beschreibung, als ob wir Tiere wären, fand bereits Jahre vorher statt.

Nur noch in Lagern konnten sich Roma & Sinti aufhalten !

Auf diese Vorarbeit bauten die Organisatoren des Todes auf, erstellten Deportationslisten und verfrachteten unsere Menschen in die KZs und Vernichtungslagern.

Durch Arbeit, Zwangsarbeit, Hunger und Krankheiten, durch medizinische Experimente, Zwangssterilisationen und schließlich durch Gas wurden unsere Menschen dezimiert.

Volksmündlich gesehen/gesagt wurden über eine halbe Million Roma & Sinti im Nationalsozialismus auf bestialische Art und weise massakriert, wir die Roma Union Frankfurt sind der Meinung, dass doppelt so viele unserer Menschen im Nationalsozialismus umgekommen sind.

Und das alles geschah nicht im verborgenen, sondern knüpfte an das seit Jahrhunderten bestehende Vorurteil gegenüber unseren Menschen, den Roma & Sinti an.

Der letzte tödliche Schritt die Vernichtung unserer Menschen im Nationalsozialismus wurde gleich wie die Ermordung der Juden stillschweigend geduldet oder öffentlich beklatscht und zwar von der erschlagenden Mehrheit der Bevölkerung.

Der Auschwitz - Erlass mündete in die Fabrikmäßige Tötung unserer Menschen, denen Roma & Sinti Angehörigen.

Bereits im Feb. 1943 waren im „Zigeunerlager - Auschwitz" 14.000 unserer Menschen interniert.

Ab März fanden dann die ersten Vergasungen von 1700 Roma aus Polen statt.

Im Mai wurden über 1000 Roma wegen Typhusverdacht auf Anordnung des KZ - Arztes Mengele ermordet.

Im Zigeunerlager des Komplexes Auschwitz wurden alleine in der Nacht vom 02. auf den 03. Aug. 1944 über
2.900 Roma & Sinti, Kinder, Alte, Kranke, Frauen und Männer in den Gaskammern des Vernichtungslagers
vernichtet, bis spät in der Nacht hörte man ihre Schreie und wusste somit, dass sie sich wehrten. s

Unsere Menschen, die Roma & Sinti schrien die ganze Nacht!!!

Sie haben bis zuletzt um ihr Leben gekämpft.

Die Kinder waren wie die Erwachsenen nur noch Haut und Knochen, ohne Muskeln und ohne Fett.

Entzündungen und Krätze bedeckten die unterernährten und Kranken Körper.

Die Kiefer waren ausgehöhlt, Zunge und Zähne konnte man durch die Löcher in den Wangen sehen, so berichteten einige Überlebende Augenzeugen.

Im Okt. 1944 vergaste man als letztes Kontingent 800 Kinder, die vom KZ - Buchenwald kamen.

Nun werde ich noch etwas über die NS - Rassenforscher Robert Ritter und seiner Assistentin Eva Justin sagen, seit nun mittlerweile über ein Jahrzehnt informiert die Roma Union Frankfurt e.V. darüber, dass im hiesigen Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main nach 1945 zwei maßgebliche NS - Rassenforscher, nämlich Robert Ritter und seine Assistentin Eva Justin tätig bzw. angestellt waren,

Robert Ritter war Leiter des Bevölkerungsbiologischen Instituts und der Rassenhygienischen Forschungsstelle in Berlin, als Stadtarzt und Leiter der städtischen Jugendsicherungsstelle und Jugendpsychiatrie im Gesundheitsamt der Stadt Frankfurt am Main tätig.

Seine Assistentin Eva Justin hat im Jahre 1948 bis zu ihrem Tod 1966 als Psychologin wieder an seiner Seite gearbeitet.

Im Juli 1948 wird der Naziverbrecher Robert Ritter zum städtischen Obermedizinalrat ernannt.

In dieser Eigenschaft wird der Naziverbrecher Robert Ritter zusammen mit seiner ehemaligen Naziverbrecher Mitarbeiterin Eva Justin als Gutachter und Gutachterin eingesetzt, um über die Anträge auf Widergutmachung der Roma & Sinti zu entscheiden.

Seine Untersuchungsunterlagen aus den dritten Reich benutzte die Ausgeburt des Bösen Robert Ritter erneut gegen seine Opfer, um berechtigte Anträge auf Widergutmachung abzulehnen.

Als der Naziverbrecher Robert Ritter und seine Mitarbeiterin Eva Justin in Frankfurt angeklagt worden sind, hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main, dass Verfahren nach kurzer Zeit, genauer gesagt am 28. Aug. 1950 mit der Begründung, es liegen für solche Verbrechen keine Beweise vor und Ankläger seien auch keine auffindbar, eingestellt.

Liebe Anwesende ich muss es nun wieder wie im letzten Jahr und denen Jahren davor sagen, uns ist dies bis zum heutigen Tage nicht verständlich, denn uns, der Roma Union Frankfurt e.V. liegt eine Videokassette worauf Zeugen und auch die Naziverbrächerin Eva Justin über diese Verbrechen Diskutieren, vor...!

Auch befinden sich noch heutzutage Videodokumentationen im Hessischen Rundfunk, welche die bestialischen Machenschaften des Naziverbrächers Robert Ritter und seiner Mitarbeiterin Eva Justin belegen, uns aber auf mehrmaliges bitten nicht ausgehändigt werden.

Weiter befinden sich noch heutzutage Unterlagen im Archiv für Stadtgeschichte, welche uns ebenfalls nicht zu Verfügung gestellt werden, obwohl wir die Herausgabe schon des öfteren verlangt bzw. beantragt haben.

Wie Sie nun hören, wird auch noch nach über 60 Jahren versucht die grausamen und bestialischen Verbrechen des Naziverbrechers Robert Ritter und seiner Assistentin Eva Justin zu verheimlichen.

Mein verstorbener Vater und damaliger Vorstandsvorsitzender der Roma Union Frankfurt e.V. Hans-Georg Böttcher, sagte immer, dass er bis zu seinem letzten Atemzug gegen die Braune Gewalt und für die Rechte unserer Menschen kämpfen wird, was er auch, wie ihr alle meine Freunde wisst, gemacht hat.

Er, mein Vater hat es mit vielen Mitstreitern nach ein Kampf von fast 10 Jahren geschafft, hier am Stadtgesundheitsamt eine Mahn - und Gedenktafel mit Täternamensnennung anzubringen.

Als er am 02.06.2003 nach langer Krankheit von uns gegangen ist, haben ihm zu seinen letzten Weg, seiner heutigen Ruhestätte viele Menschen begleitet, an der Beisetzung haben ca. 300 - 400 Trauergäste teilgenommen, die einzige, die aber etwas besseres zu tun hatte, war unsere liebe Frau Oberbürgermeisterin, Frau Roth.

Aber was hat auch schon eine Oberbürgermeisterin bei einer Beisetzung eines Zigeuners verloren? Nichts!

Verehrte Damen und Herren und liebe Freunde, man sagt und spricht, dass die Würde des Menschen unantastbar wäre, wenn das wirklich so wäre, dann frage ich mich, warum unsere Menschen noch heutzutage verfolgt und in Drittländer abgeschoben werden, solch eine Abschiebung gleicht doch wieder einer systematischen Unterordnung und Diskriminierung.

Nun werde ich noch den Tafeltext unserer Mahn- und Gedenktafel verlesen und bitte nach der Kranzniederlegung um eine Gedenk - und Schweigeminute.

Ich Danke allen heute hier erschienen und möchte nochmals einen Extradank an allen Spendern und Mitunterstützern der Mahn - und Gedenktafel aussprechen.