ERKLÄRUNG ZUR HAUSDURCHSUCHUNG DER RÄUMLICHKEITEN DES CAFÉ EXZESS

Am 21. Januar 2004 wurden die Räumlichkeiten des Café Exzess in Frankfurt/Main vom K41, der politischen Abteilung der Frankfurter Polizei, durchsucht. Die im drei Monate alten Durchsuchungsbefehl aufgestellte Behauptung eines „Autonome-Antifa-Infoladens“ wurde als Freibrief aufgefasst, die gesamten Räumlichkeiten des Exzess über mehrere Stunden mit einem großen Polizeiaufgebot zu durchsuchen. Dabei wurden neben anderem sämtliche Computer beschlagnahmt.

Das Café Exzess gibt es in der heutigen Form schon seit 1990. Nach der Wiedernutzbarmachung der Halle des Schwanenkinos war es Anzugspunkt vieler unterschiedlicher Leute und Initiativen. Das Café Exzess war von Anfang an ein unkommerzielles Zentrum, es wird weder auf Gewinn gearbeitet noch verdient irgendjemand was. Es wird nicht von öffentlichen Geldern bezuschusst. Dies ist für uns die Voraussetzung dafür Allen die Nutzung zu ermöglichen und sich darin aufzuhalten zu können, ohne konsumieren zu müssen.

Das Café Exzess ist dazu da Interessen und Ideen umzusetzen, Gruppenstrukturen zu entwickeln und/oder vorhandene zu nutzen. In diesem offenen Raum finden sich bis heute unterschiedlichste Initiativen wieder. Zurzeit kommen so Kneipenabende, Theatervorführungen, Konzerte, Lesungen, Leihbücherei, offener Internetzugang, Volxküche und verschiedene linke Gruppierungen zusammen. Da es im Exzess keine Chefin und keinen Putzmann gibt, finden gemeinsame Auseinandersetzungen über und um den Raum auf dem regelmäßigen Plenum statt.

Neben der Unkommerzialität und der Selbstverwaltung ist uns wichtig, dass alle Menschen die Räume nutzen können. Für uns bedeutet dies, dass z. B. antisemitische, sexistische, rassistische oder nationalistische Phrasen und Verhalten im Exzess nicht geduldet werden. Dies heißt selbstverständlich auch, dass für politische Parteien kein Platz ist.

Als Vorwand für die nicht rechtmäßige Durchsuchung diente ein Flyer, mit dem im November 2003 unter dem Motto „Heimat vertreiben – etwas besseres als die Nation finden wir überall...“ zur Demo gegen die Vorsitzende des „Bundes der Vertriebenen (BDV), Erika Steinbach und das revanchistische „Zentrum gegen Vertreibung“ aufgerufen wurde. Für den Flyer wurde ein Bildzitat der polnischen Wochenzeitung Wprost vom 15. September 2003 verwendet, auf dem Erika Steinbach rittlings auf dem Rücken des Bundeskanzlers Gerhard Schröder sitzt. Die Redaktion von Wprost wollte mit diesem satirischen Bild darüber aufklären, dass der Bundeskanzler „vom Bund der Vertriebenen unter der Führung von Erika Steinbach wie ein Pferd behandelt wird, das ihre bisher noch verdeckten territorialen und finanziellen Forderungen auf die politische Bühne tragen soll“ (Wprost vom 19.9.2003). Um die Aussage des Bildes zu verstärken, wird Erika Steinbach mit SS-Uniform und Hakenkreuzbinde abgebildet. Die in diesem Zusammenhang abgebildeten nationalsozialistischen Symbole bilden die Grundlage für die Durchsuchung des Exzess nach § 86a, der die Verbreitung und Verwendung von Kennzeichen und Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen verfolgt.

Bei einem in dieser Form konstruierten Tatzusammenhang zeigt sich, dass die ursprünglich antifaschistische Intention des § 86a nur noch formal abgehandelt wird. Nach inhaltlichen Verwendungszusammenhängen wird nicht mehr gefragt. Dadurch, dass er politisch unbestimmt ausgelegt wird, wird der Paragraf nun zur Repression gegen AntifaschistInnen benutzt. Gleichzeitig bietet diese politische Unbestimmtheit FaschistInnen den Raum, rechtsradikale Positionen und Inhalten zu vertreten und zu verbreiten, solange sie die symbolische Form wahren: Da nur die Form verfolgt wird und nicht die politischen Inhalte, ist für den Staat, die staatliche Repressionsbehörde, nur da ein Nazi drin, wo ein Hakenkreuz drauf ist. So werden dadurch paradoxerweise aus AntifaschistInnen, die ein Hakenkreuz oder ähnliche Symbole verwenden, aus juristischer/behördlicher Sicht Nazis.

Vollkommen ins Groteske verkehrt sich der von der Repressionsbehörde konstruierte Tatbestand bei der Betrachtung ihrer eigenen Praxis während der antifaschistischen Demonstration am 9. November 2003 in Frankfurt/Main, für die das Motiv auf dem Ankündigungsflyer verwendet wurde. Auftakt der Demo bildete eine Veranstaltung zum Gedenken der im Holocaust ermordeten Juden vor dem Eingang des jüdischen Friedhofs. Dabei kam es zu einem brutalen und wahllosen Prügeleinsatz der Polizei. Mit diesen massiven Übergriffen gegen AntifaschistInnen zieht die deutsche Polizei ihre eigenen Traditionslinien zum 9. November.

Die Durchsuchung der Räumlichkeiten des Café Exzess steht im Kontext der Kriminalisierung antifaschistischer Politik und Aktionen. So dient aktuell eine Argumentation mit ebenfalls an den Haaren herbeigezogener Straftatbestände dazu Hausdurchsuchungen und Ermittlungsverfahren gegen AntifaschistInnen im Odenwald, Bad Homburg und Hanau (vgl. swing – Autonomes Rhein/main Info Nr. 122 vom Herbst 2003) zu legitimieren. Wesentliches Interesse der Durchsuchungen sind Datensammlung und Offenlegung linker/antifaschistischer Strukturen. So dienen nach Aussagen des Polizeisprechers Linker die Durchsuchung und Beschlagnahmung der im Café Exzess vorgefundenen Computer dazu, zu ermitteln „welche Art von Daten auf den Computer sind“ (FR vom 23.1.2004).

Gegen staatliche Repression und Einschüchterungsversuche werden wir auch weiterhin antifaschistische Theorie und Praxis setzten.

Erklärung des Ex zum Gerichtsbeschluss
Informationen
zur Durchsuchung des ExZess wegen der Antifa-Demo am 9. November 2003