Heiße Luft aus vollen Backen - die hessischen Neonazis eröffnen die närrische Saison mit einer Strafanzeige

Presseerklärung der Anti-Nai-Koordination vom 1. Februar 2007

Helau!

Nach Ansicht der hessischen NPD ist die Frankfurter Anti-Nazi-Koordination eine "kriminelle Vereinigung", die als solche bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen ist. Das erfuhren wir gestern aus der Redaktion der FR, so steht es heute in diesem Blatt (FR, 1. Februar 2007, S. 33). Zur Seriosität des Vorhabens der NPD gehört auch ihr Vorgehen: weder der angezeigte Sprecher der Anti-Nazi-Koordination noch die Frankfurter Staatsanwaltschaft kannte den Text der Anzeige, als die NPD ihn bereits aus vollen Backen in die Gegend blies.

Ähnlich karnevalesk ist auch der bisher bekannte Inhalt: die Anti-Nazi-Koordination und einer ihrer Sprecher habe dazu aufgerufen, eine Nazi-Demonstration am 7. Juli 2007 "mit allen Mitteln" zu verhindern. Eine solche Formulierung findet sich nirgends in einem der Aufrufe der Anti-Nazi-Koordination, sondern ist eine Erfindung der närrischen "Kameraden"

War "Kamerad" Krebs, Pressesprecher der hessischen NPD und Stadtverordneter in unserer schönen Stadt bei Abfassung seiner Anzeige etwa ebenso bekifft wie sein Gesinnungsgenosse Marco E., der diesen Tatbegleitumstand jüngst vor Gericht als Entschuldigung für sein öffentliches Zeigen des Nazigrußes vorgab, wie in der gleichen Ausgabe der FR zu lesen war (FR, ebenda)?.

Die Frankfurter Anti-Nazi-Koordination gibt es seit Juni 2002. Ihr gehören seit dem Tag ihrer Gründung zum Beispiel die drei Gewerkschaften GEW, Ver.di und IG Metall an, außerdem Mitglieder zahlreicher demokratischer, linker, antifaschistischer und antirassistischer Gruppierungen und Organisationen, autonome AntifaschistInnen, Menschen unterschiedlicher politischer, religiöser, kultureller Hintergründe und Überzeugungen. Sie tagt öffentlich und nach öffentlicher Ankündigung, ihren Beratungen kann jede/r vor Ort folgen (außer Nazis, Rassisten und Antisemiten natürlich). Die Grundsatzerklärung der Anti-Nazi-Koordination kann jede/r nachlesen. Sie ist inzwischen eine feste Größe in Frankfurt. Die Behauptung, dies sei eine "kriminelle Vereinigung", ist bizarr.

Die NPD hat für den 7. Juli zu einer bundesweiten Demonstration nach Frankfurt aufgerufen. Das Unterstützerspektrum dieses Aufrufs enthält zahlreiche als gewalttätig bekannte "Kameradschaften". Der Landesvorsitzende der hessischen NPD, Marcel Wöll (Butzbach, Stadt des Hessentages 2007) ist selber Anführer einer solchen Kameradschaft, der "Freien Nationalisten Rhein-Main", aus deren Kreis vor wenigen Monaten drei Mitglieder wegen gefährlicher Körperverletzung, begangen in Frankfurt (April 2005), in zweiter Instanz verurteilt wurden, einer zu 18 Monaten Gefängnis ohne Bewährung. Eine angekündigte Rudolf-Heß-Gedenkdemonstration in Fulda im August 2006 mußte Wöll als Anmelder absagen - vor rund 1000 Teilnehmern einer von mehreren Gegenveranstaltungen des „Aktionsbündnisses gegen Neonazis" am Domplatz präzisierte Fuldas Verwaltungschef diese Information. Die Freien Nationalisten hätten sich außerstande gesehen, genügend Ordner für ihre Veranstaltung in Fulda zu stellen, die nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten waren. Pro 25 Veranstaltungsteilnehmer hätten es nach Vorgabe des städtischen Rechts- und Ordnungsamtes jeweils ein Ordner sein sollen. Wöll selber beteiligte sich kürzlich nach Presseberichten am Überfall auf eine Universitätsvorlesung des antifaschistischen Historikers Hannes Heer in Mainz (FR, 15.11.2006).

Auf das Konto dieses Spektrums gehen bundesweit seit 1989 mindestens 150 politische und rassistische Morde. Damit ist die Frage, wer in diesem Land und in Frankfurt politische Gewalt propagiert und praktiziert wohl hinreichend beantwortet.   Die NPD als selbsternanntes organisatorisches Zentrum dieser Art von Politik ist keine Partei wie jede andere. Sich mit ihr im üblichen und normalen Sinne politisch auseinanderzusetzen, heißt die von ihr propagierten Ideen für diskutabel zu erklären, ihnen Legitimität zu verschaffen. Der Sinn des bekannten Satzes "Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen" weist darauf hin, daß man mit Nazis nicht politisch diskutieren kann und darf.

Wer es dennoch tut, wertet sie auf, erklärt sie und ihre Ideen zu einem Teil der  Normalität. In Frankfurt tat dies bezeichnenderweise gerade der Stadtverordnete Wolfgang Hübner (BFF), indem er sich gegen eine fraktionsübergreifende Stadtverordneten-Resolution zum Verbot der angekündigten Nazi-Demonstration aussprach (FR). Diese Haltung paßt genau zur Scharnierfunktion der Arbeit dieses ehemaligen Mitstreiters Horst Mahlers zwischen nationalkonservativen und Nazi-Kreisen und verfolgt das Ziel einer allmählichen Gewöhnung an die Beteiligung von Nazis am "normalen" öffentlichen politischen Diskurs.

Wir sind der Meinung: mit Nazis diskutiert man ebensowenig über Politik wie mit Vergewaltigern über das Sexualstrafrecht.

Ob die NPD als Organisation zu verbieten ist, ist in der Frankfurter Anti-Nazi-Koordination umstritten.

Dafür spricht jedenfalls unter anderem die völkerrechtlich bindende Selbstverpflichtung der Bundesrepublik bei ihrem Beitritt zur UNO im Jahre 1973, als die Bundesregierung erklärte: "„Das ausdrückliche Verbot von neonazistischen Organisationen und gleichfalls die Vorbeugung gegenüber neonazistischen Tendenzen folgen aus dem Grundgesetz mit der Wirkung, daß die von den alliierten und deutschen Stellen erlassene Gesetzgebung zur Befreiung des deutschen Volkes von Nationalsozialismus und Militarismus weiterhin in Kraft ist.“ (Erklärung der Bundesrepublik Deutschland in Verfolg der Entschließung 2545 (XXIV) der Vereinten Nationen vom 31. Juli 1970, zitiert nach: Antifaschistische Arbeitshefte "Kein Anspruch auf Legalität" herausgegeben von der VVN-BdA, Frankfurt am Main, Februar 1989, S. 55).

Dies ist bekanntlich auch genau der Inhalt von Artikel 139 GG, der allerdings in der aktuell herrschenden Tradition des Rechts-Gelehrten und Nazi-Juristen Prof. Dr. Theodor Maunz gern als "obsolet" bezeichnet wird, ohne jedoch konsequent dann auch aus dem GG entfernt zu werden - was im Lichte der oben zitierten Selbstverpflichtung der Bundesrepublik allerdings auch ein bißchen peinlich wäre. Von Theodor Maunz, Freiburger Professor für Öffentliches Recht 1935 - 1945 (thematischer Schwerpunkt: die Polizei im NS-Staat), nach 1945 Mitglied der CSU, bayerischer Kultusminister 1957 bis 1964 und führendem Verfasser eines bis heute offiziösen Grundgesetzkommentars, stellte sich nach seinem Tode denn auch heraus, daß er jahrelang heimlich DVU-Mitglied war, diese Nazi-Organisation bis zu seinem Tode 1993 politisch und rechtlich beraten und unter Pseudonym eine regelmäßige Kolumne für die "National-Zeitung" verfaßt hatte (Wikipedia).

Sein Wirken bezeugt, daß der Nazifaschismus als Leiche im Keller der deutschen Gesellschaft bis heute nicht beerdigt ist. Nicht nur die NPD und ihr Verhalten sind der handgreifliche Beweis dafür. Die Existenz der NPD und anderer Naziorganisationen ist verfassungswidrig und ein Bruch des Völkerrechts.

Nicht nur angesichts des vielfach erwiesenen mangelnden Willens und/oder Vermögens staatlicher Stellen zur Abhilfe hiergegen ist diese deshalb vorrangig eine gesellschaftliche Aufgabe. Es ist zB. mit der zitierten Selbstverpflichtung der Bundesrepublik und Art. 139 GG für unser Verständnis schwer in Einklang zu bringen, daß  Marcel Wöll seine Anmeldung einer antisemitischen Demonstration für den Frankfurter Opernplatz im Juni 2006 namentlich einer "Gruppe Nationaler Sozialisten" beim Frankfurter Ordnungsamt tätigen konnte, anstatt daß die dort Tätigen ihn für dieses Ansinnen sofort hinauswarfen.

Die NPD hat sich nicht nur niemals vom sogenannten "Nationalsozialismus" der NSDAP distanziert, sondern bezieht sich programmatisch und in öffentlichen sozialdemagogischen, rassistischen und antisemitischen Äußerungen bis heute positiv auf ihn. Sie stellt sich selber in die Tradition der NSDAP und ihrer alle ihr Mißliebigen millionenfach mörderisch verfolgenden Volksgemeinschaftsideologie - so auch im Aufruf zu ihrer angemeldeten Frankfurter Demonstration am 7. Juli 2007 (hier: "Volksgemeinschaft" als Gegenbegriff zu "Liberalismus").

Wer hier also kriminell und strafwürdig ist, ist aus unserer Sicht klar.

Die Anti-Nazi-Koordination versteht sich als Aktionsbündnis zur Verhinderung von Nazi-Aktivitäten in Frankfurt. Dieses Ziel durchzusetzen ist ihr seit 2002 auch mehrfach gelungen. Es genügte ein hinreichend große Zahl alter und junger demokratischer und antifaschistischer Männer und Frauen jeglicher politischer Couleur auf der Nazi-Demonstrationsroute, die gemeinsam etwas gegen das öffentliche Auftreten von Nazifaschisten haben.

Wir werden uns dafür einsetzen, daß es genau so auch am 7. Juli 2007 sein wird. Wer das jammernd und klagend als "Gewalt" bezeichnen möchte, soll das tun und sagt zugleich viel über sich selbst.

Die NPD hat zum "Kampf um die Straße" aufgerufen (apabiz).

Wir wiederholen deshalb hiermit unseren Aufruf an alle DemokratInnen und AntifaschistInnen unter den SchülerInnen, StudentInnen, GewerkschafterInnen, Menschen aller Religionsgemeinschaften, MigrantInnen und Deutschen, politisch organisierte und unorganisierte Menschen, uns gemeinsam auf den 7. Juli 2007 vorzubereiten und die Demonstration der NPD durch unsere gemeinsame Präsenz vor Ort wirksam zu verhindern.

No pasarán!

Siehe auch:

NPD setzt närrische Kampagne fort - ihr Stadtverordneter Jörg Krebs (NPD) distanziert sich vom National-Sozialismus! Erklärung der Anti-Nazi-Koordination

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