Zur Auseinandersetzung innerhalb der Linken zum Gazakrieg vor und auf der Demonstration am 14.Januar 2009

Stellungnahme eines Genossen aus der Demoleitung

Der Minimalkonsens vom 12.1.2009

Am Montag, zwei Tage vor der Demonstration, nahmen mindestens fünfzig Linke an der Diskussion um den Minimalkonsens teil, darunter auch Gruppen, die nicht im Bündnis sind, und ausschließlich wegen dieser Debatte ins Kommunikationszentrum (KOZ) an der Frankfurter Universität gekommen sind. Trotz hitziger und angespannter Atmosphäre und Diskssion, trotz gegenseitig unvereinbarer grundsätzlicher Positionen, wurde am Ende, um ca. 23.30 Uhr, mehrheitlich von den anwesenden DiskssionsteilnehmerInnen der Entwurf einer kleinen Redaktionsgruppe verabschiedet. Dieser Minimalkonsens umfasste weder eine klare und eindeutige Stellungnahme zum Existenzrechts Israels, noch eine klare und eindeutige Stellungnahme zur Zukunft Palästinas (z.B. Zwei Staaten - Forderung, siehe Genfer Initiative). Alle Redebeiträge sollten sich an diesen Konsens halten, in Anbetracht der angespannten Situation innerhalb der Linken. Am 13.1.2009 wurde der verabschiedete Minimalkonsens morgens veröffentlicht. Er kann weiter hier nachgelesen werden. Ausgeklammert waren Schuldzuschreibungen, der gesamte politische Kontext, Kritik der deutschen Linken, die Hamas, die innenpolitische israelische politische Lage, die Verschärfung innerimperialistischer Konkurrenz und vieles andere. Insofern war dieser Minimalkonsens ein "Waffenstillstandsabkommen" der anwesenden Gruppen, und kein Friedensvertrag.

Vor der Demonstration am 14.1.2009

Die Demonstrationsleitung hatte eindeutige Hinweise, dass es auf der Demonstration zu einem "Fahnenkrieg" kommen könnte. Wir beschlossen daraufhin, am Anfang der Demonstration zu sagen, dass wir keine Gewalt in der Auseinandersetzung der Linken wollen, und wir wollten die TeilnehmerInnen auffordern, keine nationalstaatlichen Symbole zu zeigen und zu tragen. In der derzeitigen Kriegssituation würden sie nur als Solidarisierung mit Gewalt und einer Kriegspartei verstanden, und nicht als Solidarisierung mit den Opfern, Vorstellungen von Frieden oder Befreiung.

Dieser kurze Aufruf zur Deeskalation wurde auf der Auftaktveranstaltung am Paulsplatz verlesen.

Demonstrationsverlauf aus Sicht der Moderation

Während des größten Teils der Demonstration hielten sich die TeilnehmerInnen weitgehend an diesen Aufruf. Parolen wie "Lang lebe Israel" oder "Hoch die antinationale Solidarität" bis zu "Israel raus aus Gaza" und "Hoch die internationale Solidarität" wurden gerufen. Aufregung gab es über ein Transparent einer Frankfurter Gruppe, auf denen DemonstrationsteilnehmerInnen glaubten eine palästinensische Selbstmordattentäterin zu erkennen. Die Demonstrationsleitung machte sich selbst ein Bild, und kam zum Ergebnis, dass dies eine schlecht gezeichnete Leila Khaled wäre, Mitglied der PFLP seit 1967. (Dass Ikonen der Linken manchmal zweischneidig sind, erlebte die radikale Linke in den 80er Jahren, als sich herausstellte, dass eine vielabgebildete für eine bewaffnete Palästinensische Kämpferin gehaltene Frau eine Militante der libanesischen, rechtsradikalen Falange Miliz war). Den Bündnisgruppen gelang es immer wieder, die Situation zu beruhigen, und Auseinandersetzungen zu verhindern, ohne dass dies die Demonstration geprägt hätte, und über die Lautsprecherwagen ausgetragen wurde. Am Ende der Demonstration ging ein palästinasolidarischer kleiner Block von anscheinend dreißig bis vierzig TeilnehmerInnen, der allerdings vom vorderen Lautsprecherwagen nicht sichtbar war.

Ebenso haben sich bis dahin alle 14 RednerInnen aller Organsiationen an den beschlossenen Minimalkonsens gehalten. Nach der Zwischenkundgebung an der Börse änderte sich jedoch die Situation. Der Palästinablock, allerdings höchstens zwanzig TeilnehmerInnen, war vor den Lautsprecherwagen gezogen, und lieferte sich anscheinend heftige Wortgefechte mit dem direkt davor laufenden Antifablock. Aus dem Palästinablock gab es zum Teil Äußerungen wie "Komm doch, komm doch" mit dem entsprechenden Gebahren. Der Lautsprecherwagen zog daher zwischen die Blöcke, um die Situation zu beruhigen. Ob Parolen wie "Israel- Interantionale Völkermordzentrale" gerufen wurden, kann ich selbst nicht bestätigen, wurde von anderen TeilnehmerInnen aber gehört. Diese und andere Parolen haben 1982 linke Juden in Deutschland daran gehindert, mit der Linken gegen den Libanonkrieg und das Massaker in Sabra und Shatila auf die Straße zu gehen. Auf der Abschlusskundgebung stellte sich das Transparent mit der Parole "Freiheit für Palästina - Hoch die internationale Solidarität" und der weiblichen Ikone direkt vor den Lautsprecherwagen. Die TrägerInnen von "Zusammen e.V." und der "Gruppe für den Aufbau der dritten Reihe" reagierten nicht auf die direkte Ansprache der Demonstrationsleitung, und es kam zu den ersten Rangeleien mit den OrdnerInnen der Demonstration. Mir selbst ist unklar, ob es eine andere Vorgeschichte zu diesem Verhalten gab, die zu dieser Eskalation beitrug, oder ob es eine bewusste Provokation von Auseinandersetzungen war, dass heißt ob diese Situation bewusst herbeigeführt wurde, um die Gegenseite zu Übergriffen zu reizen. Es war offensichtlich, dass es in diesem Fall in einer Minute zu ungunsten des palästinasolidarischen Blocks verlaufen wäre. Der Demoleitung gelang es jedoch in persönlichen Gesprächen immer wieder zu beruhigen.

Die Rede des NoNATO-Bündnisses

Die Rede des NoNATO-Bündnisses wurde an dem Punkt unterbrochen, als der Redner sagte "die alleinige Schuld trägt die Israelische Besatzungspolitik"...in diesem Moment schloss ich das Mikrophon. Der dahinter wartende Redner der Landesastenkonferenz empörte sich sofort, und ich bat den Redner von der LINKEN.SDS eindringlich, mir das Mikrophon zu überreichen, was er schließlich dankenswerter Weise auch tat. Leider verschwand er dann von der Bühne, sonst hätten wir das weitere Vorgehen besprechen können. Inzwischen war die Situation auf dem Lautsprecherwagen unübersichtlich geworden, weil ein oben stehender anderer Sprecher von LINKE.SDS, der am Montag (s.o.) klar äußerte, dass er die Politik der Hamas teile und vertrete, die Moderation und Demonstrationsleitung zu schlagen, und auch ich wurde beleidigt und er versuchte michin eine gewaltsame Auseinandersetzung zu verwickeln. Ich reagierte darauf nicht, sondern teilte in aller Ruhe den TeilnehmerInnen der Demonstration mit, warum ich in diesem Moment die Rede unterbrochen habe. Tatsächlich beruhigte sich die Situation, die auch vor dem Lautsprecherwagen eskaliert war, sofort, und ich rief noch einmal zur Diskussion der gegensätzlichen Positionen auf. Auch eine Stellungnahme wie "die alleinige Schuld der Hamas" wäre von mir sofort unterbrochen worden. Es geht auch nicht um meine persönliche politische Überzeugung, denn auch ich mache die israelische Besatzungs-und Unterdrückungspolitik mitverantwortlich für die politische Situation, sondern meine Aufgabe war es die Einhaltung des "Waffenstillstandsabkommens" Minimalkonsens durchzusetzen.

Bericht von der gesamten Demo

Stellungnahme des Palästina-Blocks
Stellungnahme der autonomen antifa [f]

Zur Startseite von antifa-frankfurt.org